Neckermann.de: "Wurden eiskalt abserviert"
Mit der Pleite des deutschen Versandhändlers Neckermann.de bangen auch rund 300 Mitarbeiter in Graz um ihre Arbeitsplätze. Schon in den vergangenen Jahren musste die defizitäre Österreich-Tochter abspecken. Im Vorjahr wurden die Auslandsmärkte (Kroatien, Slowenien, Tschechien, Slowakei und Ukraine) abgegeben. 40 Mitarbeiter in Graz mussten in der Folge den Hut nehmen. Die Geschäfte sollen auch heuer eher schleppend laufen. Insider sprechen von einem Umsatzminus von mehr als 20 Prozent im ersten Quartal 2012.
Der Konzern selbst gibt sich zugeknöpft: "Gegenstand des laufenden Insolvenzverfahrens ist die Neckermann.de und Logistik GmbH. Alle Schritte in den anderen Bereichen werden im Verfahren geklärt werden", so eine Sprecherin am Donnerstag. Noch wurden offensichtlich keine Kündigungen ausgesprochen, das Frühwarnsystem beim Arbeitsmarktservice wurde noch nicht aktiviert.
Neckermann.de hat diese Woche den Insolvenzantrag gestellt, nachdem eine weitere Kapitalspritze des US-Eigentümers Sun Capital ausgeblieben ist. Damit steht ein weiteres deutsches Traditionshaus vor dem Aus.
Der Versandhändler wollte das Sortiment völlig umkrempeln und künftig nur noch online verkaufen. Das Kataloggeschäft sollte komplett eingestampft werden. Im Zuge der Neuausrichtung sollte jede zweite Stelle gestrichen werden, die Gewerkschaft protestierte. Der letztlich erzielten Einigung zwischen Gewerkschaft und Management erteilte Sun Capital eine Abfuhr und drehte damit im Versandhandelshaus das Licht aus. Von der Pleite in Deutschland sind 2400 Mitarbeiter betroffen. Betriebsrat Thomas Schmidt: "Das war ein Stück von unserem Leben und jetzt wurden wir eiskalt abserviert."
Dunkle Kapitel
Josef Neckermann legte 1950 in Frankfurt am Main seine ersten Kataloge auf. In der Nazi-Zeit hatte er mithilfe des NS-Regimes mehrere Textilgeschäfte jüdischer Kaufleute übernommen. Unmittelbar nach dem Krieg durfte er wegen seiner Regimenähe zunächst gar nicht wirtschaftlich tätig sein. 1977 wurde Neckermann mehrheitlich von Karstadt übernommen, die später mit Quelle fusionierte. 2007 kaufte Sun Capital den Versandhändler.
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