Notenbank-Expertin zu Trumps Zöllen: "Das ist kein Deal zu Gunsten Europas"

Trotz der US-Zölle entgeht Österreich einer Rezession, sagt die Nationalbank-Expertin. Auch der private Konsum springt wieder an, freilich noch mit Luft nach oben.
KURIER: Neben der Zolleinigung geht der Streit um die US-Notenbank fast unter. Heute ist die nächste Zinssitzung der Fed. Wie gefährlich sind Donald Trumps Angriffe auf die Fed und ihren Chef Jerome Powell?
Birgit Niessner: Das Machtspiel um die Fed ist brandgefährlich. Das ist die wichtigste Notenbank der Welt und sie steht für zwei globale Wertmaßstäbe: US-Anleihen und die Weltleitwährung Dollar. Das sind zentrale Benchmarks für ganz viele Wertanlagen auf der ganzen Welt. Wenn dort eine Beliebigkeit und Volatilität hinein kommt, wie wir sie normalerweise nur von Schwellenländern kennen, dann macht das etwas mit all unserer Bewertungen. Und es ist insgesamt sehr schlecht, wenn Herr Powell mittlerweile tagtäglich damit beschäftigt ist, Attacken von Präsident Trump abzuwehren.
Muss man sich in Europa um die EZB auch Sorgen machen?
Nein. Das Gebilde der EZB, mit ihren 20 nationalen Notenbanken dahinter, wird zwar oft kritisiert, ist aber auch genau das, was uns dort vor zu viel politischem Einfluss schützt. Kein einzelner Politiker kann der Frau Lagarde etwas anschaffen. Die Governance ist komplex, aber immun gegen politische Attacken wie in den USA.
Bei den Zöllen ist ein Last-Minute-Kompromiss mit Trump gelungen. Statt 30 sind es jetzt 15 Prozent Zölle, wenn auch sehr teuer erkauft. Ist das schlimm, verkraftbar, katastrophal?
Ich zitiere die Tante Jolesch: „Gott soll einen hüten vor allem, was noch ein Glück ist.“ Die Zölle fallen aus volkswirtschaftlicher Sicht aber in die Rubrik verkraftbar. Wir rechnen wie schon bei der Juni-Prognose damit, dass das jetzige Paket rund 0,1 Prozent im Jahr 2025 vom heimischen Wachstum kosten wird. Gleich viel wie im Jahr darauf.
Österreich entgeht also knapp einer neuerlichen Rezession?
Wir waren zuletzt bei einer Prognose für 2025 von plus 0,2 Wachstum. Ich würde das jetzt in Summe in der Kategorie Stagnation ansiedeln. Wir können da jetzt aber nur die kurzfristigen, also statischen Effekte berechnen, nicht aber mögliche dynamische. Trump will ja zum Beispiel, dass sich Industrieunternehmen aus Europa wieder massiv in den USA ansiedeln. Ob das kommt oder nicht, ist heute noch nicht absehbar oder gar berechenbar.
Wie schlimm wird es für Unternehmen wie Voest oder AMAG? Bei Stahl und Alu haben wir ja weiterhin Zölle von 50 Prozent ...
Das tut sehr weh. Auch die bisherigen Ausnahme für Pharma dürften fallen. Es gibt derzeit nur einen relativen Gewinner, die Autobranche, für die die Zölle jetzt von 27,5 auf 15 Prozent gesunken sind. Das ist auch für die österreichischen Zulieferbetriebe hoch relevant. Aber wir kennen viele Details noch nicht, es gibt es ja auch noch keinen Vertrag, lediglich die politische Absichtserklärung.
Längerfristig wird es auf die angesprochenen dynamischen Effekte wie Vertrauensverlust, gestörter Welthandel, neue Handelsverflechtungen etc. ankommen.
Was kommt, ist auf jeden Fall eine riesige Fragmentierung im Welthandel. Wir müssen also zum Beispiel wieder unsere Lieferketten anschauen, wie das schon während der Pandemie nötig war. Außerdem kommt es darauf an, ob die Suche nach neuen Handelspartnern erfolgreich sein wird. Österreich hat die USA aktuell als zweitwichtigsten Handelspartner. Wenn wir uns gewisse Abhängigkeiten anschauen, sollten wir schon versuchen, mit anderen Ländern besser ins Geschäft zu kommen – mit Ländern wie Japan, Indien, den Mercosur-Staaten.
Zentral ist bei den neuen Abhängigkeiten wohl der Energiebereich. Ursula von der Leyen hat Trump versprochen, für unvorstellbare 750 Milliarden fossile Energie in den USA einzukaufen.
Die Relationen sind schon unglaublich, da geht es um ein gigantisches Paket. Die EU-Exporte in die USA machen etwas mehr als 500 Milliarden im Jahr aus. An den 750 Milliarden für die Europa Energie in den USA einkaufen soll, sieht man die eigentliche Dimension des Deals mit Trump. Und da haben wir die Einkäufe auf dem Rüstungssektor und die versprochenen Investitionen in Höhe von 600 Milliarden in den USA noch gar nicht erwähnt. Diese Investitionen fehlen uns natürlich in Europa. Das ist also kein Deal zu Gunsten Europas und man kann ihn eigentlich nur damit rechtfertigen, dass die Drohkulisse von 30 Prozent Zöllen auf alles ab 1. August weg ist.
Wenn es wirklich dabei bleibt, die Details werden ja erst ausverhandelt …
Ein Rätsel ist etwa, wer da in Europa genau einkaufen wird, wer da investieren soll. Ob etwa die OMV angewiesen wird, wie bei der strategischen Gas-Reserve, die wir um vier Milliarden Euro gekauft haben, jetzt US-Flüssiggas zu kaufen. Das ist völlig offen und wird bestimmt noch zu vielen Diskussionen führen.
Was bedeutet denn eigentlich die Kombination aus dem deutlich stärkeren Euro und den Zöllen?
Das geht leider in die gleiche Richtung, beides verteuert unsere Exporte. Jede Euro-Aufwertung um zehn Prozent kostet auch einen Viertelprozentpunkt auf der Seite des Wirtschaftswachstums. Positiv ist nur, dass die Unsicherheit jetzt einmal weg ist. Also die Sichtweise: ein Deal ist besser als kein Deal, obwohl Trump natürlich seine Meinung in drei Wochen oder sechs Monaten wieder radikal ändern kann.
Stichwort Inflation: Die Prognose lautet, drei Prozent heuer, 1,8 Prozent werden 2026 erwartet. Woher stammt die Hoffnung, dass die Teuerung sinkt?
Der Inflationsschock ist gebannt, er kam von der Energieseite. Da gab es Anfang des Jahres noch einen Ausschlag nach oben, weil die staatlichen Entlastungen, Stichwort Strompreisbremse, weggefallen sind. Seither folgen wir wieder dem internationalen Trend, die Ölpreise regen uns auch nicht auf. Dazu kommt bei uns die berühmte Inflation im beschäftigungsintensiven Dienstleistungsbereich wegen der hohen Lohnabschlüsse. Aber auch da sind wir auf dem richtigen Weg nach unten. Wir brauchen nur länger als andere Länder, weil wir auch weiter oben waren und diese hartnäckigen Inflationstreiber hatten.
Konjunkturell dürfte es erst 2026 wieder eine echte Erholung geben. Zuletzt sind die privaten Wohnbaukredite wieder angesprungen. Weshalb?
Der Turnaround im Kreditgeschäft der Banken mit Privaten hat schon 2024 eingesetzt und ist sicherlich mit den gesunkenen Zinsen und den doch recht kräftig gestiegenen Realeinkommen zu erklären. Nicht weil die KIM-Verordnung jetzt ausgelaufen ist. Die Leute kommen wirtschaftlich wieder in die Gänge, das übersetzt sich in private Wohnbaukredite. Das wird auch noch weiter steigen, wenn wir unseren Umfragen trauen dürfen.
Das heißt, auch der private Konsum müsste anspringen?
Ja, aber da ist noch viel Luft nach oben. Wir erwarten einen Anstieg um einen Prozentpunkt in diesem Jahr.
Fließt nicht durch das Online-Shopping immer mehr Geld ins Ausland ab, in die USA, nach China?
Da habe ich keine belastbaren Daten. Aber eine Auswirkung der Zollthematik zwischen China und den USA wird wohl sein, dass viele chinesische Waren in Europa landen werden. Mittlerweile haben die Chinesen auch Markennamen, die man in Europa kennt, nicht nur E-Autos von BYD, sondern auch bei Retail Brands. Es geht nicht mehr nur um billig und billiger.
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