Ex-OeNB-Chef: "Ich habe nie einen Anruf erhalten"

Robert Holzmann hat zum Abschied ein Buch über seine jahrzehntelange geldpolitische Tätigkeit veröffentlicht. Der Titel lautet "Falkenflug" in Anlehnung an seine geldpolitische Linie. Der Falke steht bei Notenbanken für eine straffe Geldpolitik, sprich die Zinsen sollten zur Bekämpfung der Inflation nicht übermäßig gesenkt werden. In diesem Sinne votierte Holzmann mehrmals entgegen der Mehrheitsmeinung im EZB-Rat gegen eine Zinssenkung, zuletzt im Juni.
KURIER: Die aktuelle Inflationsrate liegt bei 4,1 Prozent. Warum liegt Österreich so deutlich über dem Schnitt der Eurozone?
Robert Holzmann: Österreich ist eines der Länder mit der höchsten Veränderung von Energiepreisen. In Folge der allgemeinen Teuerung wurden Lohnzugeständnisse und Pensionsanpassungen gemacht, die höher waren als anderswo. Höhere Lohnabschlüsse sind kein Problem, wenn man Produktivitätswachstum hat, das höher ist als in anderen Ländern. Aber ist das nicht so, wird man weniger wettbewerbsfähig. Diese Entwicklung werden wir noch einige Zeit spüren.
Noch im Juni haben Sie wieder gegen eine Zinssenkung gestimmt. Was hätte das Österreich gebracht?
Ich habe nicht aus Jux und Tollerei dagegen gestimmt. Sondern aufgrund einer genauen Bewertung des sogenannten Gleichgewichtszinssatzes (ein theoretischer Zinssatz, bei dem Angebot an und Nachfrage nach Kapital im Gleichgewicht sind, Anm.). Demnach liegen wir bereits im Bereich einer expansiven Zinspolitik. Daher war ich für Abwarten. Meine Entscheidung war rein empirisch und hatte mit Österreichs Inflation nichts zu tun.

KURIER-Wirtschaftsressortleiter Robert Kleedorfer im Gespräch mit Robert Holzmann.
Wie wird es mit den Zinsen weitergehen?
Die Zinssetzungspolitik der nächsten Monate und Jahre wird sehr herausfordernd sein. Weil die ökonomischen Effekte der Trumpschen Politik noch nicht so genau sichtbar sind.
Wie groß ist Trumps Einfluss auf die europäische Finanzpolitik?
Einerseits wird nichts so heiß gegessen wie gekocht. Andererseits ist es eine Abkehr von dem, was über Jahrzehnte aufgebaut wurde. Die USA haben ein Niveau an Zöllen mit dem Rest der Welt wie seit 100 Jahren nicht mehr. Das beeinflusst auch die Zölle der anderen Länder untereinander. Und all das führt zu einem hohen Maß an Preisveränderungen. Das alles kostet Zeit und Geld. Es könnte sich der Rest der Welt gegen die USA zusammenschließen und Richtung Nullzölle im Industriebereich gehen. Aber das wird angesichts der geopolitischen Lage nicht eintreten.
Trump versucht seit einiger Zeit Fed-Chef Jerome Powell loszuwerden. Ist das legitim, dass man als Präsident auf diesem Weg Wirtschaftspolitik betreibt?
Trump revidiert informell einen Beschluss aus 1951, als die Fed als erste Notenbank unabhängig wurde. Das hat man gemacht, weil man erkannt hatte, dass eine unabhängige Zentralbank der Garant für Preisstabilität, aber auch Produktivitätswachstum ist. Trump handelt also gegen ein bestehendes Gesetz und verschlechtert die Situation für die USA.

"Falkenflug" von Robert Holzmann. edition a., 191 Seiten, 25 Euro.
Gab es auch in Ihrer Amtszeit versuchte Einflussnahme auf EZB-Entscheidungen?
Ich habe nie einen Anruf erhalten. Ich kann mir vorstellen, dass in einigen Fällen diskutiert wurde. Aber ich habe nie etwas mitbekommen, kann aber auch nichts ausschließen.
Christine Lagardes Vorgänger als EZB-Chef war Mario Draghi. Sein „Whatever it takes“ in der Eurokrise war historisch. Aber war es in dieser Dimension im Nachhinein berechtigt?
Ja, das war sehr gut, es hat den Euro wirklich gerettet, weil damals Spekulanten gegen uns gewettet haben. Aber später hat er die Negativzinsen ohne Absprache weiter gesenkt.
Auf Europas Wirtschaft lasten auch die Russland-Sanktionen. Sind diese überschießend?
Ich sehe das differenziert. Historisch haben Sanktionen bisher nur ein einziges Mal wirklich gewirkt, und zwar beim Boykott von Südafrika. Sanktionen führen immer zu Umgehungen. Und Sanktionen tun einem auch selbst weh. Besser wäre es gewesen, wie von Ökonom Daniel Gros vorgeschlagen, extrem hohe Abgaben auf russisches Öl und Gas einzuheben. Russland hätte das damals mangels anderer Abnehmer akzeptieren müssen. Die Mehreinnahmen hätten für Kompensationen der Kunden genutzt werden können. Aber die EU wollte diesen Weg nicht gehen.
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