dayli schließt, Fragen bleiben offen
Die „dayli-Soap “ ist beendet. Die am Montag von dem „frustrierten“ Masseverwalter Rudolf Mitterlehner vollzogene Schließung der Drogeriekette dayli, fast genau ein Jahr nach deren Gründung, war nur noch der letzte, erwartete Akt einer völlig missglückten Schlecker-Rettung. Der erhoffte Investor entpuppte sich endgültig als Seifenblase, die geforderte Bankgarantie von 1,15 Mio. Euro für die Lebenserhaltung der Kette blieb aus.
Übrig bleiben 2200 überwiegend weibliche Beschäftigte, die sich wie schon ihre Kolleginnen zuvor einen neuen Arbeitsplatz suchen müssen. Die meisten Betroffenen gibt es in der Steiermark und Niederösterreich, wo auch das dayli-Zentrallager (Pöchlarn) ist. Ausstehende Gehälter und Abfertigungsansprüche übernimmt der Insolvenzfonds. Dieser rechnet mit Ansprüchen von rund 35 Mio. Euro. In den westlichen Bundesländern und Wien stehen bereits Arbeitsstiftungen bereit, in denen die Betroffenen eine bis zu vier Jahre dauernde Ausbildung – etwa im Pflegebereich – beginnen können. Im September soll es diese Angebote auch in anderen Bundesländern geben, verspricht Sozialminister Rudolf Hundstorfer.
„Juhuu, wir schließen!“
Einige dayli-Verkäuferinnen zeigten sich von der Schließung sogar erleichtert. „Juhuu, wir schließen!“, oder „Endlich die erlösende Nachricht“ war am Montag in einem eigens eingerichteten Internet-Forum für Mitarbeiter zu lesen.
Handelsobfrau Bettina Lorentschitsch (WKÖ) rechnet damit, dass die dayli-Verkäuferinnen „zum Großteil“ bei anderen Händlern unterkommen werden. „Sie sind sehr gut qualifiziert und der Handel hat Probleme, qualifiziertes Personal zu finden.“
Bilder: Die "dayli-Soap" in Zitaten
Aufarbeitung
Die Aufarbeitung der größten Handelspleite seit Konsum 1995 dürfte noch längere Zeit in Anspruch nehmen. Rund um den früheren Chef und Eigentümer, Rudolf Haberleitner, gibt es noch viele offene Fragen: Etwa die Hintergründe des ominösen Betrugsfalls in Udine (mehr dazu hier), bei dem er um eine Mio. Euro „erleichtert“ wurde. Oder der plötzliche Wechsel in der Geschäftsführung, nachdem dayli Anfang Juli mit 50 Mio. Euro Schulden Insolvenzantrag stellte. Oder die Frage nach den Investoren hinter seinem Beteiligungsfonds TAP09.
Haberleitner klagte jetzt seinen Nachfolger Zieger auf die Herausgabe der dayli-Anteile. Begründung: Zieger habe bei der Übernahme von dayli nur eine Treuhandschaft gehabt. Zieger bestreitet das und sagte auch in der Zeit im Bild 2: „Es gibt überhaupt keine Rechtsunsicherheit.“
Kurzchronologie
Rudolf Haberleitner ließ wöchentlich mit immer größeren Plänen aufhorchen - und setzte sie letzten Endes nicht um. Endgültig an Glaubwürdigkeit eingebüßt hat der Investor rund um die Vorkommnisse in Italien, wo er von einem vermeintlichen Geschäftspartner um eine Million Euro "erleichtert" wurde. Doch auch der neue Eigentümer Martin Zieger vermochte das Ruder nicht herumzureißen und fand keinen Investor. Masseverwalter Rudolf Mitterlehner blieb nur noch die Schießung der Drogeriekette.
Der Baukonzern Alpine und die Drogeriekette Daily sind wegen ihrer Dimensionen die derzeit spektakulärsten Pleiten, aber nur die Spitze des Eisberges. Seit Jahresbeginn wurden schon mehr als 3000 Unternehmen zu Grabe getragen. Wenn die Wirtschaft schwächelt, haben die Masseverwalter Hochsaison.
Insolvenzen sind ein sicheres Geschäft. Die Abwickler, meistens Rechtsanwaltskanzleien, kriegen ihr Geld so gut wie immer. Bei Großpleiten können sich die Gagen der Masseverwalter locker auf einige Millionen Euro summieren. „Beim Konkurs einer kleinen Baufirma ist der Masseverwalter ein armer Hund. Aber die großen Fälle, die sind ordentlich lukrativ“, weiß Steuerberater Günter Doujak.
Die richtig dicken Fische angeln sich freilich nur Wenige. Die Großpleiten teilt sich ein kleiner Zirkel von Anwälten, die regelmäßig von den Insolvenzrichtern beauftragt werden. „Die Bestellungspraxis halte ich für eine Sauerei. Nur weil die sich alle kennen, werden immer dieselben bedient“, empört sich ein renommierter Wiener Anwalt. „Das ist ein Closed Shop, als Außenseiter hat man keine Chance, da jemals hineinzukommen“, ärgert sich ein anderer Advokat. Weshalb in Juristenkreisen ist immer wieder von „Insolvenzmafia“ die Rede ist. Kritiker des gut eingespielten Systems aus Masseverwaltern, Richtern und Gläubigerschützern wollen namentlich lieber nicht genannt werden, sonst könnte es mit Aufträgen für immer aus sein.
Die Honorare sind in der Insolvenzordnung detailliert vorgegeben und errechnen sich, degressiv gestaffelt, in Prozenten des verwerteten Vermögens. So soll der Anwalt Matthias Schmidt, einer der Big Player der Zunft, bei Insolvenz und Sanierung der A-Tec des Selfmade-Industriellen Mirko Kovats bis dato 6,3 Millionen Euro abgerechnet haben. Das Honorar für den Wirtschaftsprüfer Deloitte inkludiert. Im Firmenbuch sind unter Schmidt mehr als 200 abgewickelte Insolvenzen aufgelistet.
Ein feines Geschäft für die Kaiser der Masse dürfte vermutlich auch die Alpine werden, dort werken Stephan Riel und Karl Engelhart. Beide sind langjährige Profis. Riel, der kürzlich auch die Insolvenz des Schwedenbomben-Erzeugers Niemetz abarbeitete, bringt es auf mehr als 400 Masseverwaltungen, Kollege Engelhart hält mit weit über 200 Causen mit.
Bei der Pleite des ehemaligen Bau-Tycoons Alexander Maculan sollen sich knapp drei Millionen Honorar angesammelt haben. Beim Konsum wurden rund sieben Millionen Euro kolportiert.
Hat sich der Masseverwalter besonders aufopfernd abgerackert, kann der Richter ein „Sonderhonorar“ drauflegen. Oder streichen. Das Oberlandesgericht Graz kürzte etwa im Insolvenz-Verfahren der AvW-Gruppe (Auer-Welsbach) die Gage des Masseverwalters von 512.000 Euro um fast ein Drittel.
„Wer eine Großpleite bekommt, hat für sein Leben ausgesorgt. Aber auch bei kleineren Fällen kann man ganz gut verdienen“, ätzt ein Insider. Besonders beliebt seien Anfechtungen von im Vorfeld der Pleite bezahlten Verbindlichkeiten. Holt der Masseverwalter z.B. 100.000 Euro wieder zurück, klingelt seine Kasse mit 16.100 Euro.
„Die Vertrauensbasis zwischen Masseverwalter und Richter ist ganz wichtig. Die Richter wollen Erfolge und kein Risiko eingehen. Also beauftragen sie Kanzleien, mit denen sie gute Erfahrungen gemacht haben. Die meisten Insolvenzen werden ordentlich und korrekt abgewickelt“, verteidigt Hans-Georg Kantner vom Kreditschutzverband von 1870 (KSV) das System. Eines stimmt natürlich. Für Großinsolvenzen braucht es Kanzleien mit entsprechenden Kapazitäten. Weshalb die Favoriten „immer wieder von den Richtern Aufträge bekommen, damit sie diese personellen Kapazitäten vorhalten können“. Manche Konkursrichter vererben ihre sorgsam gehüteten Anwaltslisten an ihre Nachfolger weiter.Profiteure des Geschäfts mit der Masse sind auch die mächtigen Gläubigerschützer. Sobald eine Pleite bekannt wird, startet das Wettrennen um die Gläubiger. Die meisten lassen sich vertreten. Daher bestimmen die Schutzvereine maßgeblich den Ausgang einer Insolvenz mit – ob der Patient liquidiert, verkauft oder weitergeführt wird. Den Gewinn will man beim Marktführer KSV lieber nicht verraten.
Wer im System bleiben will, muss die Kontakte pflegen. Man trifft einander bei Tagungen im In- und Ausland und ist über Plattformen vernetzt. Auf ReTurn etwa tummeln sich Insolvenzanwälte, Banker und Wirtschaftsprüfer. Auch Sport verbindet. Im FC Insolvenz kickt die Zunft gegen andere Hobby-Mannschaften, einmal wöchentlich wird trainiert. Da rennt Anwalt Schmidt neben Richter Hannes Gumpinger im Mittelfeld, der Chef der Insolvenzabteilung des KSV, Christoph Vavrik, ist in der Abwehr aufgestellt. Für sparsame Mitglieder gibt’s auf der Homepage des FC Insolvenz auch gleich Links zu Quellen für billige Louis-Vuitton-Taschen, Luxus-Schuhmarken und Schätzmeister für Schweizer Nobeluhren. Weniger erfolgreich war das Frauen-Netzwerk net4success der Insolvenzjuristin Ulla Reisch, das eingestellt wurde. „Das ist bei den Herren nicht so gut angekommen“, bedauert die Anwältin. Sie selbst braucht das Netzwerk wohl nicht mehr. Reisch ist inzwischen in die Top-Liga aufgestiegen und bei der Alpine-Pleite mit an Bord. Übrigens soll es einen Insolvenz-Richter geben, der teure Seminare für die Branche abhält. Mit Aufträgen des Herrn Rat besteht ganz sicher kein Zusammenhang ...
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