Nächster Halt: Vietnam

Nächster Halt: Vietnam
Vietnam zieht Investoren an: Mit Billiglöhnen und einer aufstrebenden Mittelschicht

Wenn die Kasse nicht mehr klingelt, zieht die Karavane weiter. Die Karavane zieht derzeit nach Vietnam. Dort finden Firmen, wonach sie auf der ganzen Welt Ausschau halten: Niedrige Lohnkosten, junge, relativ gut ausgebildete Menschen und damit Arbeitskräfte und eine immer stärker werdende Mittelschicht, die konsumieren und sich etwas leisten will. Zudem herrschen in Vietnam politische und ökonomische Stabilität, die Infrastruktur ist passabel. „Der gesamte Raum ist ein Boommarkt, die ASEAN-Staaten haben eine Gesamtbevölkerung von 600 Millionen und eine unheimliche Dynamik mit fünf bis acht Prozent BIP-Wachstum pro Jahr. Bis 2015 werden innerhalb des ASEAN-Raumes alle Zölle und Handelshemmnisse abgebaut“, erklärt Hans-Jörg Hörtnagl, Regionalmanager Süd- und Südostasien der Außenwirtschaft Austria. Der kommunistische Einparteienstaat Vietnam ist im Wandel zur Marktwirtschaft. Seit Mitte der 80er-Jahre zeigt Vietnam ein hohes Wirtschaftswachstum, die Prognosen für die kommenden zwei Jahre liegen bei 6 bis 6,5 Prozent. Als Nachteile sieht Hörtnagl Infrastrukturmängel, die hohe Inflation und die unterentwickelte, lokale Zulieferindustrie. Trotzdem: Laut Unternehmensberatung AT-Kearney hat Indien die Spitzenposition bei der „Retail Investment Attraktivität“ an Vietnam bereits abgegeben.

Billig lockt

Es sind vor allem die Billiglöhne, die Investoren aus aller Welt anlocken – auch, weil der große Nachbar China oft schon zu teuer und unflexibel geworden ist. Die Löhne in Vietnam sind im Vergleich zu China im Durchschnitt um 50 Prozent geringer.

Japan hat sich bereits zum größten Investor Vietnams entwickelt, Deutschland zum größten europäischen Handelspartner. Exportiert werden Pfeffer, Kaffee, Textilien, Sportartikel und Elektronik. 230 deutsche und 25 österreichische Unternehmen produzieren im Land, darunter Siemens, Adidas, Puma, Hemden von Seidensticker und Van Laack, Wäsche von Triumph. Metro eröffnet schon den zwanzigsten Verbraucher-Großmarkt in Vietnam. Auch Audi, BMW, Porsche und Mercedes bedienen die neureiche vietnamesische Oberschicht. Bosch steckte kürzlich 55 Millionen Euro in den Bau einer neuen Fabrik.

Die Dynamik des Landes hat auch demografische Gründe: Mehr als 70 Prozent der Vietnamesen sind jünger als 30, man ist entschlossen, das Land nach vorn zu bringen. Die Personalberatung Hill International eröffnet soeben eine Dependance in Ho-Chi-Min-City: „Vietnam ist ein Land in Entwicklung, die Firmen brauchen gute Arbeitskräfte“, erklärt CEO Othmar Hill. Es ginge hier nicht so sehr um die Suche, als um die richtige Auswahl der Leute: „Gute Leute gibt es überall, man muss sie aber erkennen und dementsprechend schulen.“ Einen Vorteil sieht Othmar Hill in der Kultur: „Die Vietnamesen sind ein bisschen besser in der Menschenführung, da haben wir große Probleme in China.“

Das rasante Wachstum hat seine Schattenseiten. „Wenn Schwellenländer wachsen, dann schnell. Und dann auf Kosten des Umweltschutzes“, so Hörtnagl. Er betont aber: Multinationale Firmen müssten beim Thema Arbeitsethik aufpassen, könnten gewisse Standards nicht mehr unterschreiten. „Kein Konzern kann es sich leisten, sein Image durch schlechte Produktionsbedingungen zu gefährden.“

Nächster Halt: Vietnam
Alex Narr, CEO von Produktionsservice-Vietnam, dazu: „Asien hat alles, was man für den großen wirtschaftlichen Erfolg braucht – zu viele Menschen, die für Mini-Löhne fast ohne Urlaub immer fleißig arbeiten.“

Einblick.Jos Langens lebt seit acht Jahren in Vietnam, ist mit der vietnamesischen Wirtschaft vertraut. In Ho-Chi-Min-City eröffnet er dieser Tage eine Zweigstelle der Personalberatung Hill International. Jos Langens über ...

... die Wirtschaft in Vietnam „Das Land hat sich extrem geöffnet für ausländisches Business. Große Industrien sind schon dort, wie Schuhe, Möbel, Reis. Die sind aber alle von geringem Wert. Vietnam will in hochwertigen Industrien wachsen, wie Elektronik.“

... das wirtschaftspolitische Umfeld „Vor fünf Jahren ist Vietnam Mitglied der WTO geworden, aber die Reformen haben ihre Zeit gebraucht, länger gedauert, als erwartet. Man hat versucht, Bürokratie abzubauen, das ist bisher nur zum Teil gelungen.“

... das Lohnniveau „Löhne und Gehälter in Vietnam sind immer noch vergleichsweise niedrig, jedenfalls niedriger als in China. Ein Uni-Absolvent in einem sehr guten Job verdient am Anfang etwa 250 US-Dollar im Monat.“

... FirmenansiedlungenNokia hat gerade eine Fabrik eröffnet, Bosch ist hier, Canon und viele japanische Firmen. Auch Mercedes baut hier zusammen, Red Bull ist da, Audi, Porsche, Siemens, Adidas, Puma. Alles, was man per Hand herstellen muss, funktioniert hier gut, die Menschen sind lernwillig.“

... die Menschen„Vietnamesen wollen lernen, arbeiten und Geld verdienen, wollen konsumieren. Sie sind relativ gut ausgebildet und leicht anzulernen. Von ihrer Persönlichkeit her sind sie einfach: Sie tun, was man ihnen sagt, werden aber nicht von selbst aktiv oder tragen Verantwortung – eine direkte Auswirkung des Kommunismus.“

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