Industrie im Sog der Windenergie

Industrie im Sog der Windenergie
Der weltweite Ausbau der erneuerbaren Energien freut auch österreichische Zulieferbetriebe.

Seit sechs Wochen ist Stefan Moidl, Chef der Interessensgemeinschaft Windkraft in Österreich, unermüdlich unterwegs: von einer Windpark-Eröffnung zur nächsten. Die Windenergie erlebt derzeit einen Aufschwung, auf den andere Industriezweige mit Neid blicken. Nicht nur in Österreich, auch in der EU, den USA und China werden rekordverdächtig viele neue Windräder errichtet.

Industrie im Sog der Windenergie
Stefan Moidl, IG Windkraft, und Wolfgang Anzengruber Verbund, Strom, Energie, Wasserkraft, Windkraft, Windenergie, Stromerzeuger
Kein Wunder also, dass auf der Windenergy in Hamburg, der weltweit größten Windenergie-Messe, unter den 1200 Ausstellern, darunter zwölf aus Österreich, beste Stimmung herrscht. Nicht nur die ganz Großen wie Siemens präsentieren hier ihre Produkte für die Windkraft, auch kleine Start-ups versuchen ihr Glück. So wie Michael Moser und Thomas Schlegl von eologix, einem erst zwei Monate alten Unternehmen aus Graz. Stolz zeigt Moser die Hightech-Erfindung der beiden Techniker: Ein dünner, etwa zehn Zentimeter breiter Streifen mit einem Sensor, der völlig unspektakulär aussieht. "In diesem Streifen befindet sich aber mehr Hightech als in einem Handy", erläutert Moser das Produkt, das auf die Rotorblätter der Windräder geklebt wird, um Vereisung rechtzeitig zu melden. Das Interesse potenzieller Kunden sei groß, sagt Moser. Immerhin werde mit dem Sensor nicht nur die Gefahr vor herabfallenden Eisbrocken vermindert, sondern auch die Produktion von Windenergie erhöht.

Mit innovativer Hightech zur möglichst effizienten Einspeisung des Windstroms ins Netz wirbt die Klagenfurter SET um Kunden. Seit vier Jahren erzeugt das Unternehmen in Kärnten Differenzialgetriebe für Windenergie-Generatoren. Der Großteil wird nach China geliefert.

Chinesen hinken nach

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Palfinger
Im Gegensatz zur Solarindustrie, wo China die europäische Konkurrenz aus dem Markt gedrängt hat, ist die Windkraft-Zulieferbranche europäisch dominiert. "Windräder sind technisch höchst anspruchsvoll", erklärt Moidl. Nur eine Handvoll Anlagen chinesischer Hersteller seien in Europa errichtet worden. Die meist mehr als 100 Meter hohen Windräder mit 70 bis 80 Meter langen Rotoren seien enormen Schwingungen ausgesetzt. "Da fließt viel Hirnschmalz rein, dass die Windräder lange gut laufen", betont der IG Windkraft-Chef.

Auf hoher See

Noch höhere technische Anforderungen als an Windräder am Land werden an Offshore-Anlagen gestellt. Denn sie müssen nicht nur Stürmen, sondern auch dem Meerwasser widerstehen. Die Salzburger Kranfirma Palfinger hat sich mit Spezialkränen für Offshore-Wind diesem Markt verschrieben. Jeweils zwei Kräne pro Windrad – einer auf der Plattform und einer bei der Nabe der Rotoren – werden pro Kran installiert. "Der größte Absatzmarkt war bisher Deutschland. Jetzt kommt stärkere Nachfrage aus Großbritannien", sagt Rupert Reisch, Chef der Wind-Sparte von Palfinger. Das Geschäft läuft nicht immer klaglos. 2013 herrschte Flaute, nachdem deutsche Windparks in der Nordsee nicht ans Stromnetz angeschlossen wurden. "Da braucht man einen langen Atem", sagt Reischl. Für Kleinbetriebe sei der Offshore-Markt daher nicht zu empfehlen.

Der kräftige Ausbau der Windenergie kommt ebenso wie der Solarstrom und jener aus Biomasse, Biogas oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen ohne Förderung nicht zustande. Österreichs Stromkunden zahlen diese als Zuschlag zum Strompreis – insgesamt waren es im Vorjahr 500 Millionen Euro, 154 Millionen davon für die Windenergie.

Diese Subvention, die in Deutschland noch viel höher ist – 20 Milliarden Euro pro Jahr – hat europaweit zu einem Aufschrei der Industrie geführt. Vor allem die energieintensiven Betriebe kritisieren die hohen Zusatzkosten. Für Stefan Moidl, Geschäftsführer der IG Windkraft, ist die Diskussion zu einseitig. Fossile Energie werde in Europa laut einer Studie der EU-Kommission mit 26 Milliarden Euro im Jahr gefördert, Atomkraft mit 35 Milliarden und Erneuerbare mit 30 Milliarden. "Wir brauchen also die Förderung, um überhaupt mitspielen zu können", betont er. Würden die Subventionen für alle Stromerzeuger auf null gesetzt, wäre die Windenergie sicher konkurrenzfähig.

Verärgert

Der europäische Strommarkt ist laut Moidl nicht wegen zu viel geförderten Ökostroms aus dem Ruder gelaufen, sondern wegen der vielen Braunkohlekraftwerke. Sie produzierten sehr günstig und würden nicht abgestellt, auch wenn es hohe Stromüberschüsse am Markt gebe. Daher sei der Strompreis im Großhandel derart gefallen, dass kaum ein Kraftwerk außer der Braunkohle ohne Subvention rentabel sei.

Für Windkraft-Betreiber ist die Förderung in Österreich derzeit auf 13 Jahre pro Anlage limitiert. Danach gibt es keine Preisuntergrenze. Das sorgt für Unmut, denn beim aktuellen Marktpreis von 35 Euro pro Megawattstunde rentiere sich der Betrieb von Windrädern nicht. Die absurde Folge: Altanlagen werden sofort nach der Förderzeit abgestellt und durch neue, subventionierte ersetzt. "Mit 46 Euro pro Megawattstunde Mindestpreis wie in Deutschland könnten sie aber überleben", sagt Moidl.

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