Modehandel: Erbitterter Kampf ums Leiberl

Hersteller verdienen mit Billig-T-Shirts oft besser als mit Luxuslabels.
Einzelkämpfer bleiben im Konkurrenzkampf auf der Strecke. Große Marken gewinnen an Macht, Diskonter verdienen gutes Geld.

Wer im Modezirkus bestehen will, muss sich warm anziehen. Internationale Modeketten wie H&M, Primark und Zara überziehen den Globus mit ihren Filialen und drängen kleinere Mitbewerber aus dem Markt. Dazu kommen Online-Händler, die massenweise Pakete versenden und sich ein immer größeres Stück vom Umsatzkuchen holen.

In Österreich wurden im Vorjahr 6,2 Milliarden Euro für Kleidung ausgegeben, davon aber nur noch 4,7 Milliarden im stationären Handel, rechnen die Standortberater von RegioData vor. Sie beziffern den Online-Anteil im Modehandel mit 24 Prozent, bis 2020 sollen es 34 Prozent sein. Diese Entwicklung spiegelt sich auch im Straßenbild wieder.

Laut der KMU-Forschung Austria sind zwischen 2010 und 2015 300 Modegeschäfte von der Bildfläche verschwunden. Ihre Zahl schrumpfte damit auf zuletzt 5000. Es waren vor allem Einzelkämpfer, also Modehändler, die nicht Teil einer großen Kette sind, die das Handtuch geworfen haben. "Die Zahl der Einstandortunternehmen ist zwischen 2010 und 2015 um 18 Prozent zurückgegangen, jener der Filialisten dagegen um sieben Prozent gestiegen", sagt Ernst Gittenberger von der KMU-Forschung-Austria. Bereits knapp acht von zehn Quadratmetern im Modehandel sind von Handelsketten besetzt. Auch, weil diese immer größere Flächen mieten.

"Größe ist nicht alles"

"Der Konkurrenzkampf wird härter, viele kleine Händler fallen weg, das ist der Zug der Zeit", sagt auch Ernst Mayr, Chef der oberösterreichischen Modehandelskette Fussl. Um im Konkurrenzkampf nicht unterzugehen, expandiert das Familienunternehmen mit aktuell knapp 160 Standorten nun nach Bayern. Die erste Filiale wurde am 1. September eröffnet, weitere vier folgen demnächst. "Größe ist aber nicht alles. Man muss die Kosten im Griff behalten", sagt Mayr. Vom Online-Handel lässt er wohl auch deswegen die Finger. "Das sollen die Spezialisten machen, ich kenn mich auf der Fläche aus." An das Ende des stationären Handels glaubt er nicht. "Davon haben die Experten schon geredet, als ich in der Branche begonnen habe. Das war vor 20 Jahren."

Rainer Trefelik, Chef des Nobel-Modehauses Popp&Kretschmer in der Wiener Innenstadt, hat dagegen "einen sechsstelligen Betrag" in einen Webshop gesteckt. Allein 3000 Fotos musste der Verkäufer von edlen Marken wie Escada, Ferragamo oder Versace für die laufende Saison schießen und retuschieren. "Wir dürfen die Fotos der Marken nicht verwenden, müssen alles selbst fotografieren", erzählt Trefelik. Die Konzentration auf der Herstellerseite nehme zu – damit auch die Macht der großen Marken. Allein der französische Luxusgüterkonzern LVMH hat im Vorjahr mit Marken wie Louis Vuitton, Kenzo oder Christian Dior unter dem Strich mehr als 35 Milliarden Euro umgesetzt.

Wer große Marken verkauft, darf übrigens nicht automatisch mit ihnen im Internet werben. "Ich hab bei sechs Marken angefragt, ob ich sie anführen darf. In fünf Fällen habe ich eine Absage bekommen – mit Verweis auf die Unternehmenspolitik", erzählt Trefelik.

Eigenshops

Zudem verlassen sich große Labels nicht mehr darauf, dass andere ihre Kreationen verkaufen. Sie eröffnen selbst Flagshipstores in besten Lagen – und graben damit Vertriebspartnern das Geschäft ab. Dazu kommen eigene Onlineshops, für die oft andere Spielregeln gelten. Ein Händler erzählt, dass ihm Marken vorschreiben, ab wann er frühestens den Abverkauf einläuten darf. "Und dann komme ich drauf, dass sie selbst schon vor diesem Zeitpunkt 30 Prozent Rabatt im Onlineshop geben." Eine Kundin sei ins Geschäft gekommen und habe gerade heraus gesagt, dass sie einen Stiefel schnell anprobieren will, bevor sie ihn im Onlineshop der Marke bestellt.

Aber auch viele Marken kämpfen. Stefanel sucht gerade einen Retter, der neue Hugo-Boss-Chef schließt aus Kostengründen einen Standort nach dem anderen und Escada hat nach der Insolvenz indische Eigentümer.

Die Formel, dass Luxuslabels höhere Gewinnspannen haben als Diskontmarken, stimmt nicht. Im Durchschnitt gilt eine 3er-Kalkulation: Was Händler um einen Euro einkaufen, verkaufen sie um drei Euro weiter, sagen Insider. Bei Billig-T-Shirts soll der Faktor bei bis zu zehn liegen und damit um bis zu fünf Mal höher als im Luxusbereich.

Vor einem Jahr führte Zalando die Online-Stilberatung Zalon ein – die Idee hatten davor aber schon andere. Eine der Ersten, die den Trend umsetzte, war Corinna Powalla: 2011 gründete die Berlinerin Modomoto, einen „Curated Shopping Service für Männer“. „Curated Shopping“, zu Deutsch „betreutes Einkaufen“, heißt es im Fachjargon, wenn Stylisten den Kunden je nach Stil und Anlass individuelle Outfits zusammenstellen. Laut eigenen Angaben hat Modomoto mittlerweile 200 Mitarbeiter und 250.000 Kunden.

Zielgruppe von Curated Shopping sind meist Männer – so auch beim Online-Start-up Outfittery, dessen Chefin die Vorarlbergerin Julia Bösch ist. Man richte sich deshalb nur an Männer, weil Shoppen für viele Frauen ohnehin ein Hobby sei, heißt es vonseiten des Unternehmens. Männer seien froh, wenn ihnen fertige Outfits ins Haus geliefert werden. Dafür sorgen derzeit 150 Stylisten: Nach einem Telefonat mit dem Kunden stellen sie eine individuelle Box mit Waren im Wert von 800 bis 1000 Euro zusammen. Beratung, Versand und Rückversand sind kostenlos. Und das Unternehmen wächst: 400.000 Männer aus acht Ländern bestellen regelmäßig, sagt Bösch. Gerade hat Outfittery eine Finanzspritze in der Höhe von 22 Millionen Dollar erhalten.

Für Frauen, die Shopping nicht zu ihren Hobbys zählen – oder einfach keine Zeit haben – gibt es Kisura, ebenfalls aus Berlin. Das Shoppingerlebnis soll Eventcharakter haben: Statt im lieblosen Plastiksackerl wird die Ware mit blauer Schleife und handgeschriebener Karte der Stylistin geliefert.

- J.Pfligl, L. Retzl

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