Die Umgebung weckt den Spieltrieb

Anleitung zur Innovation: Bei Google können die Mitarbeiter über 20 Prozent ihrer Arbeitszeit frei verfügen.
Warum Unternehmen wie Google oder auch Apple hoch profitabel sind.

Professor Florian Becker ist Diplom-Psychologe und Spezialist für Wirtschaftspsychologie. Seit mehr als zehn Jahren berät, trainiert und unterstützt er Unternehmen bei allen Fragen zum Verhalten von Mitarbeitern und Kunden. Er ist Gründungsmitglied der Wirtschaftspsychologischen Gesellschaft.

KURIER: Gibt es Unterschiede im Führungsstil zwischen den USA und Europa?

Florian Becker: Auf jeden Fall. Im Internet gibt es ein Video mit dem ehemaligen Microsoft-Chef Steve Ballmer. Der Titel lautet ‚Steve Ballmer going crazy‘. Da sieht man einen älteren Herrn mit Übergewicht, der auf der Jahresversammlung von Microsoft auf der Bühne herumspringt und schreit. Nach etwa zwei Minuten großer Verausgabung stellt er sich ans Rednerpult. ‚I have four words for you. I love this company.‘ Versuchen Sie das als Vorstandsvorsitzender beim deutschen Softwarehersteller SAP. Vergleichen sie Angelika Merkel mit Barack Obama. In den USA erwartet man von Führungskräften Leidenschaft. In Deutschland erwartet man emotionale Stabilität.

Welche Unternehmen sind ein Vorbild für erfolgreichen Führungsstil?

Ein Unternehmen, das ich nennen kann, ist Google. Die Ingenieure können dort mit 20 Prozent ihrer Zeit machen, was sie wollen, so lange es weitgehend mit dem Geschäftsfeld von Google zu tun hat. Das hört sich vorerst etwas verrückt an. Welches Unternehmen sagt schon zu seinen Mitarbeitern, am Freitag kümmerst du dich nur um Projekte, die dich persönlich interessieren. Aber Google holt einen Großteil seiner Innovation aus diesem kleinen Zeitfenster.

Was macht Google noch besser als andere Firmen?

Die Mitarbeiter sind hauptsächlich junge Männer. Und junge Männer sind noch ein bisschen verspielt. Die haben tatsächlich Spiele dort, wie etwa Tischfußball. Wenn sie zu Google in München kommen, dann sieht es dort ein bisschen so aus wie im Legoland mit exzentrischen, bunt gekleideten Menschen. Die Umgebung weckt den Spieltrieb und lenkt in eine konstruktive Richtung.

Können Sie auch ein negatives Beispiel nennen?

General Electric wurde 20 Jahre von Jack Welch geführt, der durchaus erfolgreiche Umsatz- und Gewinnzahlen vorgelegt hat. Er hat zur Motivation das Prinzip 20-70-10 eingeführt. Die Leistung der Mitarbeiter wird gemessen und miteinander verglichen. 20 Prozent der Mitarbeiter mit der besten Leistung haben einen finanziellen Bonus erhalten. Jene 10 Prozent mit der schlechtesten Leistung wurden gekündigt. Jedes Jahr.

Also ein Führungsstil mit Zuckerbrot und Peitsche.

Studien zeigen, dass dieser Führungsstil nur selten angebracht ist. Es reduziert die Kreativität. Im Prinzip gibt es zwei Möglichkeiten der Motivation. Die Mitarbeiter arbeiten, weil sie von außen dazu gedrängt werden, oder sie arbeiten, weil die Arbeit Spaß macht. Wenn es um eine Arbeit geht, bei der man nicht davon ausgehen kann, dass es Spaß macht, muss man von außen motivieren. Aber General Electric ist mit Siemens vergleichbar. Ingenieure so zu behandeln, ist ein Armutszeugnis.

Es gibt doch auch Vorbehalte, weil Motivation auch Manipulation bedeuten kann.

Manche Unternehmen sagen ihren Mitarbeitern, "du bist bei uns Teil einer Revolution, du hast hier deinen Freundeskreis". Die Mitarbeiter zu ideologisieren bringt Erfolg. Da gibt es natürlich ethische Grenzen. Jack Welch hat seine Mitarbeiter nicht manipuliert.

Kann man messen, ob Führung erfolgreich ist?

Das ist möglich. Wie leicht tut sich ein Unternehmen, die Besten als Mitarbeiter zu gewinnen – und wie lange bleiben sie dort? Auch die Zahl der Krankenstände ist ein Hinweis. Wenn ein Vorgesetzter viele Mitarbeiter in seiner Abteilung hat, die häufig krank sind, dann nimmt er die höhere Häufigkeit an Krankenständen oft bei einem Jobwechsel mit.

Haben organisatorische Veränderungen nicht auch ökonomische Gründe?

In Deutschland wurde in den vergangenen Jahren verstärkt Teamarbeit eingeführt. Viele Aufgaben, die früher die Führungskraft übernommen hat, wie etwa Konflikte schlichten , werden nun vom Team erledigt. Teamarbeit ist eine Möglichkeit, Führungskräfte zu ersetzen. In Deutschland ist die Zahl der Mitarbeiter pro Führungskraft viel größer geworden.

Neu am Buchmarkt: Auf dem Weg zur Führungskompetenz:

Welche Fehler werden häufig von Führungskräften begangen? Wie kann man Führungskompetenz aufbauen? Welche Vorteile bringt ein moderner Führungsstil? Solchen Fragen widmet sich Diplompsychologe Florian Becker in seinem Buch „Psychologie der Mitarbeiterführung. Wirtschafts- psychologie kompakt für Führungskräfte“. Becker ist davon überzeugt, dass ein flexibler Führungsstil die größten Vorteile bringt. Erschienen ist sein Buch 2015 im Springer Verlag zum Preis von rund 10 Euro.

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