Mit eigener Karotte gegen die Multis
In Deutschland haben sich die Verkaufszahlen von Säuglingsmilchprodukten binnen zwei Jahren verdoppelt – und damit jene von Frankreich übertroffen. Nicht, weil die Deutschen mehr Kinder bekommen, sondern weil Banden Babynahrung in Deutschland kaufen und über holländische Händler nach China schmuggeln. "Zwischen Hongkong und China werden mehr Schmuggler von Babynahrung verhaftet als von Drogen", sagt Stefan Hipp, Juniorchef des gleichnamigen Babynahrungsmittel-Herstellers.
Auch abgesehen von diesem Graumarkt ist China – nach Deutschland und Großbritannien – schon der drittgrößte Absatzmarkt für das Familienunternehmen. Seit den 1990er-Jahren produziert Hipp in Bio-Qualität und hat mit 10.000 Vertragsbauern für genügend Rohstoffnachschub gesorgt. Trotzdem ist manches schwer zu bekommen. Laut Hipp haben sich bei Bio-Molke, einem Abfallprodukt aus der Käseproduktion, die Preise binnen Jahresfrist verdoppelt. "Das Angebot ist so knapp, dass fast jeder Preis verlangt werden kann."
700.000 Euro für Karotte
Viel Geld hat Hipp auch für eine Karotte auf den Tisch gelegt – "zwischen 700.000 und 800.000 Euro". Es geht um eine Karotte, die sich besonders für Säfte eignet, eine schöne Farbe und einen milden Geschmack hat, resistent gegen Krankheiten ist und vor allem: deren Saatgut jetzt Hipp gehört. Acht Jahre wurde an der Züchtung getüftelt, im Vorjahr haben Hipp-Bauern sie erstmals eingesetzt. Stefan Hipp, der selbst auf einem Hof in Polen unter anderem Karotten anbaut, überlegt schon, weitere Züchtungen in Auftrag zu geben.
Die steigende Macht der Saatgut-Riesen macht ihm Sorgen. "Mehr als 60 Prozent der Rechte am Saatgut ist bei fünf Konzernen, bei Soja 90 Prozent." Die Konzentration werde weiter steigen, ist er überzeugt. Schließlich stecken die Multis viel Geld in die Entwicklung einer Sorte und wollen dann möglichst große Mengen davon in den Markt pressen.
Tote Böden und Azteken
Aus Hipps Sicht könnte die Welt mit biologischer Landwirtschaft ernährt werden. "Die Azteken und Maya hatten gesunde Böden und konnten pro Hektar 15 Leute ernähren. In den USA sind die Böden heute tot – ein Hektar kann nur noch eine Person ernähren." Die konventionelle Landwirtschaft sei schlicht der größte Umweltverschmutzer in der Welt. Hipp: "Allein Deutschland muss jedes Jahr acht Milliarden Euro für die Reinigung des Trinkwassers ausgeben."
Von der viel zitierten These, dass Regionalität das neue Bio wird, hält Stefan Hipp genauso wenig wie sein Vater Claus. "Regionalität ist mit einer gewissen Emotion verbunden, die bei gewissen Produkten wie Wein da ist", sagt der Seniorchef. "Bei Apfelsaft fragt aber keiner nach der Herkunft, da gibt es einen reinen Preiswettbewerb."
Seniorchef Claus Hipp, geboren 1938, wollte eigentlich Künstler werden, hat das Unternehmen aber mit 29 Jahren übernommen und das Ruder bis heute nicht ganz aus der Hand gegeben. Der Kunst ist der mittlerweile 12-fache Großvater trotzdem treu geblieben. Unter dem Namen Nikolaus Hipp malt er und ist Kunstprofessor an der Universität in Tiflis.
Zudem spielt der gläubige Katholik die zweite Oboe in einem Orchester. Die Frage, ob er am liebsten über Musik, Malerei oder das Management des Unternehmens rede, beantwortet der ehemalige Turnierreiter, der auch als Stuntman Geld verdient hat, wie aus der Pistole geschossen: "Am wichtigsten ist das Unternehmen."
Früher kam jedes fünfte weltweit verkaufte Hipp-Glas aus dem oberösterreichischen Gmunden, heute kein einziges mehr. Die Abfüllanlagen wurden abgebaut, die Gläser werden jetzt in Ungarn abgefüllt. Österreich ist nun das Land der Quetschtüten.
Ob diese Plastikverpackungen zum Öko-Image des Babykostherstellers mit Sitz im bayerischen Pfaffenhofen passen, war zunächst sogar unternehmensintern umstritten. Die Familie entschied sich trotzdem dafür. Der Trend, Obstmus aus einem Plastikbeutel zu quetschen, sei nicht mehr aufzuhalten gewesen. Ausgehend von einem britischen Start-up schwappte er binnen kürzester Zeit über Skandinavien auf den Kontinent.
Dieses Jahr werden in Gmunden 45 Millionen Stück abgefüllt – für den weltweiten Verkauf. Weil das für den Weltmarkt nicht reicht, wird die Produktionsmenge ab Juni verdoppelt – mit der Inbetriebnahme einer zweiten Produktionslinie.
Mit der Verpackung ist auch die Zahl der Abnehmer gestiegen. Die Gläser haben ein „Baby-Image“, die Tüten sind auch bei Jugendlichen und Sportlern hip, sagen die Manager. Die Hipps halten am Standort Gmunden mit 250 Mitarbeitern, davon 160 in der Produktion, fest. Zudem wird in Deutschland, Ungarn, Kroatien, Russland, der Ukraine und der Schweiz produziert.
Das Unternehmen – laut eigenen Angaben der größte Bio-Produzent der Welt – setzt 800 Millionen Euro im Jahr um (davon 113 in Österreich). Große Mitbewerber sind Milupa und Alete.
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