Schillernde Millionenpleite eines namhaften Modeschmuck-Händlers

Schillernde Millionenpleite eines namhaften Modeschmuck-Händlers
246 Mitarbeiter und 6100 Stylistinnen sind betroffen. Verkauft wird der Schmuck auf Schmuck-Partys.

Diese zwei Pleiten schlagen in der Modeschmuckbranche hohe Wellen. "Modeschmuck in Echt-Schmuckqualität", mit diesem Slogan wirbt dieses österreichsiche Traditionsunternehmen.  Fünf Millionen Schmuckstücke werden pro Jahr hergestellt. Mit eigenen Design-Ateliers in Europa zählt der Betrieb laut eigenen Angaben "zu den weltweit führenden Schmuckherstellern". Doch das Geschäft ist offenbar nicht mehr glänzend.

Im Gegenteil: Heute haben die „Pierre LangEurope Handelsges.m.b.H. und die Hans Andersen Ges.m.b.H. Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung beim Handelsgericht Wien beantragt. Pierre Lang Europe beschäftigt laut Firmencompass (2017) 72 Mitarbeiter, Hans andersen rund 201 Mitarbeiter. Beide Gesellschaften haben schon vor einigen Jahren Sanierungsverfahren erfolgreich abgeschlossen. Laut Creditreform und KSV1870 beschäftigte Pierre Lang zuletzt 56 Mitarbeiter und Hans Andersen 190 Personen. Zugleich sind Hunderte Stylistinnen hierzulande selbstständig im Vertrieb tätig.

"Die Ursache für die angespannte finanzielle Situation liegt in einem unerwarteten, erheblichen Umsatzrückgang in den umsatzstarken Monaten Oktober und November 2018", teilen die Unternehmen mit."Insgesamt wurden die geplanten Umsätze im Oktober und November 2018 um 20 Prozent verfehlt, obwohl die Anzahl der Stylistinnen in diesen Monaten gleich geblieben ist.
Durch die Umsatzverfehlung ist die positive Fortbestehensprognose weggefallen und die Bemühungen der Geschäftsführung zur Aufbringung von zusätzlichen fìnanziellen Mitteln fìir eine neue positive Fortbestehensprognose sind schlussendlich gescheitert. Daher ist die Insolvenzantragstellung unumgänglich."

Und weiter heißt es:"Diese Anträge betreffen nicht die Vertriebsgesellschaften im Ausland und haben keinen Einfluss auf deren Geschäftsbetrieb. Die Vertriebsgesellschaften im Ausland werden im bisherigen Umfang unverändert fortgeführt."

Schillernde Millionenpleite eines namhaften Modeschmuck-Händlers

Screenshot/Homepage

Schmuck-Partys und Multilevel-Marketing

Die Schmuckstücke werden über 6100 Stylistinnen in zehn Ländern vertrieben. "Das Konzept funktioniert solcher Art, dass eine Stylistin von einer Gastgeberin nach Hause eingeladen wird, um dort ihre neuesten Kollektionen zu präsentieren. Zu einer solchen ,Pieme-Lang-Party" werden Freunde und Bekannte der Gastgeberin eingeladen, die nach der Veranstaltung vor Ort den Schmuck direkt beider Stylistin bestellen können", teilt das Unternehmen, das von der renommierten Sanierungsanwältin Ulla Reisch vertreten wird, dem Gericht mit. "Die Waren werden von den Stylistinnen direkt von der Antragstellerin bezogen und von den Stylistinnen an die Gastgeberin ausgeliefert, die die Ware dann an die einzelnen Kunden verteilt. Die Rechnung stellt die Antragstellerin direkt an den Endkunden."

Die Stylistinnen erhalten neben Provisionen für Produktverkäufe und Provisionen für die Rekrutierung von weiteren Stylistinnen auch sonstige Incentives (Reisen, Geschenke in Form von Schmuck). "Die Provisionen für die Stylistinnen werden von der jeweiligen Vertriebstochter bezahlt und an die Antragstellerin weiterverrechnet", heißt es weiter. "Die Gastgeberinnen erhalten für die Veranstaltung Bonuspunkte (,,Diamonds"), welche gegen Schmuck eingetauscht werden können."

Schulden und Vermögen

Die im Sanierungsverfahren zu berücksichtigenden unbesicherten Verbindlichkeiten der "Pierre Lang" Europe Handelsges.m.b.H. betragen insgesamt 6,5 Millionen Euro. Bei einer Schließung des Unternehmens wäre mit Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 8,275 Millionen Euro zu rechnen. Denn alleine die Beendungsansprüche der Mitarbeiter werden mit 1,8 Millionen Euro beziffert. Indes sind die Marken (liquidationswert: 100.000 Euro) und die offenen Forderungen (1,2 Millionen Euro) an die Hausbank verpfändet, die Rohstoffe (Buchwert: 375.000 Euro) werden mit 54.000 Euro und die Kollektionskoffer (Buchwert: drei Millionen Euro) mit 450.000 Euro bewertet. Letztere befinden sich aber großteils im Besitz der Vertriebs-Stylistinnen. Das freie Vermögen wird mit lediglich 659.000 Euro beziffert. Die Marke und die Beteiligungen wurden zur Gänze wertberichtigt.

Bei der Hans Andersen Ges.m.b.H. betragen die Verbindlichkeiten für das Sanierungsverfahren insgesamt 8,898 Millionen Euro und im Liquidationsfall sogar 13,778 Millionen Euro. Denn bei einer Schließung werden Beendigungsansprüche in Höhe von 4,88 Millionen Euro schlagend. Indes werden die Rohstoffe bloß mit 560.000 Euro bewertet und die offenen Forderungen gegen die Pierre Lang Europe mit 611.000 Euro. Letztere sind wohl eher Schall und Rauch.

 

Die Zukunft wackelt, Investor gesucht

"Die Antragstellerin strebt den Abschluss eines Sanierungsplans an. Der Finanzplan wird mit dem zu bestellenden Insolvenzverwalter abzustimmen sein. Das Konzept zur Restrukturierung und zur Finanzierung des Sanierungsplans wird mit der zuständigen Gesellschafterebene und dem Insolvenzverwalter abzustimmen sein, allenfalls unter Ermöglichung des Einstiegs eines Investors", heißt es weiter. "Im Zuge der Restrukturierung werden Teilbereichsschließungen zu prüfen sein."

Im Geschäftsjahr 2016 setzte Pierre Lang Europe rund 55,78 Millionen Euro um und erzielte eine Bilanzverlust in Höhe von 10,85 Millionen Euro und einen Jahresverlust in Höhe von fast 664.000 Euro. Jüngere Bilanzen wurden offenbar beim Firmenbuchgericht noch nicht eingereicht.

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Die erste Pleite

Das Unternehmen wurde im Jahr 1961 von den Brüdern Hans & Peter Andersen als Wiener Handwerksbetrieb für exklusiven Modeschmuck gegründet. Zunächst wurden der Großhandel und
 renommierte Kosmetikunternehmen (zB Avon) beliefert. Im Jahr 1984 kreierte die Familie Andersen die Marke "Pierre Lang" und begann mit dem Aufbau eines eigenen Vertriebssystems über selbstständige Stylistinnen.

"In den Jahren 1987 bis 1994 expandierte die Unternehmensgruppe nach Deutschland, Schweiz, Italien, England, Luxemburg und Frankreich. Seit 2013 expandierte die Unternehmensgruppe auch nach Polen und Tschechien", heißt es weiter.

Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 26.September 2012 wurde bereits einmal über das Vermögen der Antragstellerin ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet und erfolgreich abgewickelt.

Im August 2018 haben die PL Holding GmbH (99 Prozent) und Mahmut Hanikaz (ein Prozent) ihre Anteile an die Pierre Lang Beteiligungsholding GmbH abgetreten. Ebenfalls im August 2018 haben die PL Holding GmbH sowie Mahmut Hanikaz ihre Anteile an der ,,Pierre Lang" Europe Handelsgesellschaft m.b.H. zunächst an die Pierre Lang Beteiligungsholding GmbH und diese wiederum anschließend abgetreten.

Geschäftsführer der Pierre Lang Europa sind heute Michael Meurer und Charles Philip Alexander von Abercron, von Hans Andersen Gerog Ehrenstrasser und Charles Philip Alexander von Abercron.

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