365 Tage im Jahr arbeiten, kein oder kaum Urlaub. Der Druck, ständig zu wachsen, um die Kosten abdecken zu können. Und die Gefahr von Seuchen, die den wirtschaftlichen Ruin bedeuten können. Ein Milchviehbetrieb ist kein Ponyhof.
Immer weniger Landwirte und Landwirtinnen in Österreich wollen sich diesen Herausforderungen stellen. 1994 gab es immerhin 81.902 milchliefernde Betriebe in Österreich, 30 Jahre später, nämlich 2024, sind es noch 21.569. Tendenz weiter sinkend. Warum das so ist und was helfen könnte:
Extreme Belastungen
„Es sind der extreme Arbeitsaufwand sowie die hohen psychischen und physischen Belastungen auf dem Hof, die dazu führen, dass immer mehr Bauern aufhören.“ Felix Seyfried ist Milchreferent bei der Landwirtschaftskammer (LK) OÖ, selbst auf einem Betrieb aufgewachsen und derzeit dabei, einen zu übernehmen. Er weiß, worauf er sich einlässt. Und sieht gleichzeitig einen positiven Trend: „Es kommt mittlerweile öfter vor, dass Höfe außerfamiliär übergeben werden. Ich habe da selbst zwei Beispiele im Freundeskreis.“
OÖ als Hauptproduzent
Das Produkt selbst ist keines, mit dem sich heimische Produzierende verstecken müssen. In Österreich gibt es etliche Auflagen, Gütesiegel und Verordnungen, die die Qualität absichern sollen: Heimische Milch punktet etwa im EU-Vergleich mit den besten Klimaschutzwerten.
Oberösterreich nimmt in der Milchproduktion eine führende Rolle ein: Ein Drittel der heimischen Milch stammt aus diesem Bundesland, gefolgt von Niederösterreich mit 20 Prozent und der Steiermark mit 15 Prozent.
Konsumentinnen und Konsumenten bestimmen mit ihrer Nachfrage, welche Milch vermehrt produziert wird, wie stark das Tierwohl im Fokus steht und wie viel ihnen Qualität wert ist.
„Dazu müssen Herkunft und Produktionsbedingungen eindeutig ersichtlich sein. Nur so ist ein verantwortungsvoller Einkauf möglich“, sagt der Leiter der LK OÖ, Franz Waldenberger. Österreich müsse hier den internationalen Vergleich nicht scheuen: „In der Milchwirtschaft verzichten wir beim Futter auf Soja aus Übersee und auf Palmöl, alle Erzeugnisse sind gentechnikfrei und wir haben EU-weit den höchsten Bioanteil.“
... die Milchproduktion weltweit eine Co2-Belastung von durchschnittlich 6,2 Kilogramm je Liter Milch verursacht? Der EU-Schnitt liegt bei 1,4 Kilogramm pro Liter, in Österreich ist es ein Kilogramm je Liter.
... dass es in einem Viertel der österreichischen Gemeinden keine Milchproduktion mehr gibt?
... dass der Selbstversorgungsgrad für Molkereiprodukte aus Kuhmilch in Österreich bei 111 Prozent liegt?
... dass in Österreich 2.000 Melkroboter-Systeme im Einsatz sind? Damit werden mehr als 100.000 Kühe automatisiert gemolken.
Apropos Bio: Dieser Sparte setzten die vergangenen Jahre erheblich zu. Zuerst die Corona-Krise, danach der Krieg Russlands gegen die Ukraine sorgten dafür, dass der Anteil von Bio-Milch seit 2021 von 20 auf 18 Prozent zurückgegangen ist.
Schuld daran seien auch neue Bio-Verordnungen: „Wenn das Jungvieh plötzlich sehr viele Weidetage braucht, bedeutet das mehr Aufwand. Die Jungen teufeln ganz anders um, büchsen aus, da braucht es Sicherheitsmaßnahmen“, erklärt Experte Seyfried.
Und der Preis der Bio-Ware sei ebenfalls ein Kriterium für die rückläufige Nachfrage: In Krisenzeiten sind Menschen weniger bereit, zu teureren Produkten zu greifen. „Langsam spüren wir eine leichte Erholung für die Bio-Milchwirtschaft. Aber einige Betriebe musste auf konventionelle Produktion umstellen, weil Bio nicht mehr rentabel war“, so der Milchreferent.
Mehr Käse und Butter
2024 lagen die Milchpreise zwar durchschnittlich unter jenen von 2023, schön langsam gibt es aber wieder leichte Steigerungen: Im ersten Quartal 2025 liegt der Preis bei 55 Cent je Kilogramm Milch, Hintergrund für den positiven Trend ist die gute Nachfrage nach Fett, die EU-weit anhält.
Das zeigt sich auch in den Zahlen des Pro-Kopf-Verbrauches. Herr und Frau Österreicher mögen es gerne deftig. Während der Konsum von Milch, Joghurt und Milchgetränken leicht rückläufig ist, lassen sich Feinspitze stattdessen Butter und Käse vermehrt schmecken. 38,6 Kilogramm sonstige Milchprodukte pro Kopf und Jahr sind üppig und deutlich mehr als in den Jahren davor.
Prinzipiell sei in der Gesellschaft ein Zug zum Hausverstand und zur Wertschätzung von Milchprodukten zu spüren, sagt Felix Seywald: „Kurz haben ja viele geglaubt, mit einem Mandeldrink als Milchersatz retten sie die Welt. Das ändert sich zum Glück gerade wieder.“
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