Mikrokredite: Ziegen und Hühner auf Pump

Nicht immer war das Leben derart hart für Westafrikas Kleinbauern wie heute. Früher einmal konnten sie vom Verkauf der selbst angebauten Tomaten einigermaßen leben. Seit Jahren aber drücken Billigimporte aus der EU auf die Preise, die Tomatenfelder in Westafrika veröden, die Männer ziehen in die Städte oder wagen die Flucht nach Europa.

"Wir könnten viel Elend und Terror vermeiden, wenn wir unsere finanziellen Mittel umlenken", sagt Günter Lenhart, stellvertretender Vorsitzender der Oikocredit Austria. Der Österreich-Ableger der niederländischen Mikrokredit-Bank Oikocredit versucht genau das: Gelder dorthin zu lenken, wo sie dringend gebraucht werden und damit auch die soziale Not der Menschen lindern helfen. Kleinstkredite von 100 Dollar aufwärts vergibt die Bank an Menschen, die unter der Armutsgrenze – von weniger als zwei Dollar pro Tag – leben. Und die sich mit dem Geld selbstständig machen, ihr eigenes Mini-Einkommen schaffen.

"Zwei Ziegen und zehn Hühner kosten 150 Dollar. Damit können Kleinbauern, die nichts mehr haben, neu beginnen", erklärt Friedhelm Boschert, Vorsitzender der Oikocredit Austria. Afrika und die Landwirtschaft, das sind auch die neuen Schwerpunkte der Oikocredit. Der Kontinent, aus dem die Menschen zunehmend fliehen, braucht Perspektiven.

Frauen als Retter

Es sind nicht die Männern, die Afrika retten sollen, sondern die Frauen. "Sie sind die wirtschaftlich aktiven auf diesem Kontinent, sie tragen die Verantwortung für die Finanzen der Familien und sie agieren unternehmerisch", sagt Boschert.

80 Prozent der Mikrokredite von Oikocredit gehen denn auch an Frauen. Knapp eine Milliarde an Darlehen hat die niederländische Oikocredit bereits vergeben. Der Anteil davon, der nach Afrika fließt, ist im Vorjahr von 18 auf 20 Prozent gestiegen. "Mehr soll es nicht werden. Wir müssen auf das Risiko schauen", sagt Boschert. Und Afrika sei wegen der vielen politischen Probleme eben riskanter als andere Kontinente.

Licht der Sonne

Ein weiterer Fokus der Mikrokredit-Bank ist die Finanzierung von Projekten aus dem Bereich erneuerbare Energien. Da kann auch einmal mehr Geld als nur ein Kleinstkredit vergeben werden.In Indien etwa hat die Oikocredit vor wenigen Jahren einen Kleinkredit an einen Solarleuchtenbetrieb vergeben. Heute beschäftigt das Unternehmen 300 Mitarbeiter. Die einfachen Solarlampen haben einen großen Effekt: In den Hütten der Armen, in denen es nach Sonnenuntergang dunkel wird, können Kinder nun abends Schulaufgaben machen. Und die russigen Kerosinlampen, die die Bronchien der Menschen schädigten, haben ausgedient."Oikocredit will mit jedem Kredit mehr als nur Geld an Arme vergeben", betont Boschert. Es gehe darum, dass das Leben der Menschen tatsächlich verbessert werde. Nur dann würden auch Mikrokredit gewährt. Das sei der große Unterschied zu vielen Mikrokredit-Fonds großer Banken. Oikocredit sei eine Bank, die Geld einsetze, um die Lebenssituation der Kreditnehmer nachhaltig zu verbessern. Seit 40 Jahren besteht Oikocredit in den Niederlanden und die Kreditausfälle seien im Durchschnitt kleiner als ein Prozent.

Geld aus Österreich

Oikocredit Austria feiert heuer sein 25-Jahre-Jubiläum. Die Wachstumszahlen können sich sehen lassen: 5000 Anleger haben bald 100 Millionen Euro bei Oikocredit angespart. Im Vorjahr kamen 15 Millionen Euro dazu. "Das ist gleich viel wie die Aufstockung der staatlichen Entwicklungshilfe in Österreich", sagt Boschert. Auch im Vergleich zu anderen nationalen Oikocredit-Ablegern ist der Zuwachs in Österreich beachtlich.

Ein Achtel des gesamten Wachstums von Oikocredit Niederlande kam im Vorjahr aus Österreich. "Damit liegen wir weit vor Deutschland, Frankreich oder der Schweiz", freut sich der Oikocredit Austria-Chef.

Die Österreicher hätten ein ausgeprägtes ethisch-soziales Bewusstsein, glaubt er.

Aber auch die im derzeitigen Zinstief attraktive Rendite der Oikocredit-Veranlagung dürfte eine Rolle spielen. Anleger bekommen zwei Prozent Fixverzinsung.

Vor 40 Jahren wurde die Oikocredit Bank in Form einer Genossenschaft von kirchlichen Organisationen und Entwicklungshilfevereinen gegründet. Seither hat sie eine Milliarde Euro an Kleinstkrediten vergeben – 86 Prozent der Kreditnehmer sind Frauen.

Wer sein Geld bei Oikocredit investieren will, kann Genossenschafter werden. Ab 200 Euro ist man dabei, die Verzinsung beträgt zwei Prozent das Geld ist jederzeit abhebbar. Details: www.oikocredit.at