Krisenabschluss: Die Benya-Formel hat für die Metaller ausgedient

HERBSTLOHNRUNDE: START DER METALLER-KV-VERHANDLUNGEN: BINDER / KNILL
Arbeitgeber loben die Gewerkschaft und sehen die Metaller-Einigung als Vorbild für andere Branchen. Große Teile der Gewerkschaft sehen das ganz anders.

Nach nur wenigen Stunden einigten sich die Metaller-Lohnverhandler am Montag auf einen Lohn- und Gehaltsabschluss, der noch lange für Gesprächsstoff sorgen wird. 

Und das aus gleich mehreren Gründen:

  • Der Abschluss bleibt mit 1,41 Prozent, aufgebessert nur durch zwei Einmalmalzahlungen von je 500 Euro, deutlich unter der rollierenden Inflation von 2,8 Prozent (für die vergangenen 12 Monate). Und der Abschluss bleibt wirklich dramatisch unter der aktuellen Inflation von 4,1 Prozent oder der für das Gesamtjahr 2025 erwarteten Teuerung von 3,5 Prozent. Das sind aber jene Werte, die die Menschen derzeit im Alltag erleben - wenn nicht beim Einkauf oder im Gasthaus noch viel höhere.
  • Damit ist aber die traditionelle Benya-Formel - Inflation plus Produktivität - zumindest bei den Metallern obsolet geworden. Mit Ausnahme der Corona-Krise gab es noch nie einen Lohnabschluss, der de facto keinen Bezug zur Inflationsrate hat. Die Frage stellt sich deshalb, wie weit andere Branchen und dort die maßgeblichen Gewerkschaftsvertreter die Metaller noch in ihrer Vorbildrolle anerkennen werden. Bei den Eisenbahnern haben die Arbeitnehmervertreter bereits am Montagabend betont, dass die beiden Sparten nicht miteinander vergleichbar seien und ein Abschluss unter der Inflationsrate nicht in Frage komme.

    Auch im Handel beharrt die Gewerkschaft auf „ihrer“ Benya-Formel und liefert sich ein Ferngefecht mit Wirtschaftskammerpräsident  Harald  Mahrer. Dieser sagte am Dienstag in Reaktion auf die Metaller: „Der Handel wird auch so ein Zeichen brauchen.“ GPA-Chefin Barbara Teiber konterte: „Dass WKÖ-Präsident Mahrer den vernünftigen Metaller-Abschluss jetzt als Blaupause für andere Branchen wie den Handel sieht und uns das medial ausrichtet, ist das Gegenteil einer funktionierenden Sozialpartnerschaft. Wer weiß, ob dieser Abschluss zustande gekommen wäre, wenn Mahrer sich eingemischt hätte.“

  • Drittens die Schnelligkeit des Abschlusses: Eine so rasche Einigung konnte nur erzielt werden, weil auf Sozialpartner-Ebene bereits seit Monaten sogenannte "industriepolitische Gespräche" geführt wurden. Dabei ging es um den Standort und die in den vergangenen Jahren durch die hohe Inflation und entsprechend kräftig gestiegene Löhne und Gehälter in Mitleidenschaft gezogene Wettbewerbsfähigkeit Österreichs. Deshalb ist jetzt auch vielfach die Rede von dem "starken Lebenszeichen" der Sozialpartnerschaft. Der Abschluss ist für viele Wirtschaftsvertreter freilich auch eine Steilvorlage für die Politik nun ihrerseits mit Reformen zu kommen, die die Inflation oder etwa die Lohnnebenkosten senken.

Entsprechend fallen auch die Reaktionen aus. Magna-Steyr-Chef Roland Prettner findet im KURIER-Gespräch lobende Worte für die Gewerkschaft. Nicht "was steht uns zu", sondern "was können wir uns leisten", sei der neue und völlig richtige Zugang gewesen.

Die Fahrzeugindustrie, die zu 90 Prozent ihre Waren exportiere, stehe mit anderen Ländern und Kontinenten in Konkurrenz. "Und leider verliert Europa insgesamt an Boden und Österreich ist da noch Schlusslicht", so Prettner. 

Insofern zeige der Metaller-Abschluss in die richtige Richtung, der nicht mit Streikdrohungen, sondern mit "Vernunft, Ruhe und Eleganz" erzielt worden sei. 

Für Prettner hat die "Benya-Formel ausgedient", die Gewerkschaft habe "die Notwendigkeit erkannt, mitzuhelfen, die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes wieder herzustellen". Prettner führt das unter anderem darauf zurück, dass die Gewerkschaftsbosse offensichtlich Druck von der eigenen Basis bekommen haben. "Die Betriebsräte sind nahe an der Wirklichkeit."

Auch Wifo-Ökonom Benjamin Bittschi meint, dass durch den Metaller-Abschluss Tausende Arbeitsplätze gerettet worden seien. Die rasche Einigung angesichts der sehr ernsten Lage in der Branche sei ein "starkes Zeichen der Sozialpartnerschaft".

Für die lohnbezogene Wettbewerbsfähigkeit sei der Abschluss ein wichtiger Schritt, aber er reiche nicht aus. Jetzt müsse auch die Politik "in die Gänge kommen" und den Abschluss mit Strukturpolitik unterstützen, um die Inflation zu senken und das Arbeitsangebot zu erhöhen, sagt der Experte.

Die angesprochene Politik lobt den Metaller-Abschluss vom Bundeskanzler abwärts. Mit ihrer raschen Einigung auf Lohnerhöhungen unter der rollierenden Inflation hätten die Verhandler in der Metallindustrie in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Verantwortung übernommen und das Richtige für Österreich getan, sagte Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) am Dienstag. Lob für die Sozialpartner kam auch von Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) und Grünen-Chefin Leonore Gewessler, die von der Regierung Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung fordert.

"Der Gehaltsabschluss der Metaller ist ein positives Zeichen und trägt dazu bei, das Inflationsziel von 2 Prozent im kommenden Jahr zu erreichen", erklärte Stocker in einer schriftlichen Stellungnahme. "Nur so werden wir die Lohn-Preis-Spirale durchbrechen und die Teuerung nachhaltig in den Griff bekommen."

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