Einigung bei Metaller-KV: Diese 3 Erkenntnisse bringt der Abschluss

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Die größte Lohnzurückhaltung seit der Pandemie verdient Applaus, taugt aber nicht unbedingt als Vorbild.
Anita Staudacher

Anita Staudacher

Den Nackten könne man keinen Pullover ausziehen, brachte Metaller-Gewerkschafter Reinhold Binder die doch überraschende Kompromissfähigkeit in Sachen Gehaltserhöhung auf den Punkt. Das vereinbarte Gehaltsplus von 1,41 Prozent ist nur halb so hoch wie die rollierende Inflation, die Einmalzahlungen von 500 Euro im heurigen Jahren nur ein kleines Zubrot für die Beschäftigten. Es sei ein "Krisenabschluss", der Arbeitsplätze sichere.

Tatsächlich ist dieser "Krisenabschluss" eine Lohnzurückhaltung, wie es sie zuletzt nur während der Pandemie gab, als es eine noch viel größere Krise zu bewältigen galt. Für den Industriestandort Österreich ist es die richtige Maßnahme zur richtigen Zeit, die für einen Stimmungsboost sorgen wird. Die Arbeitgeber aus der Metallindustrie können daher durchatmen und ihr Dauerwehklagen über die sinkende Wettbewerbsfähigkeit ob hoher Lohnstückkosten ab sofort einstellen und in den Arbeitsmodus zurückkehren. Der Ruf nach Lohnzurückhaltung wurde nun ebenso erfüllt wie der Ruf nach billigerer Energie. Besonders stromintensiven Betrieben greift der Staat finanziell unter die Arme, pro Jahr fließen 75 Mio. Euro an Strombonus. 

Für die Gewerkschaft ist der Krisenabschluss eine Zerreißprobe, zumal sie von ihren bisherigen Dogmen wie Nein zur Einmalzahlung, Nein zum Reallohnverlust und Festhalten an der  Benya-Formel unerwartet deutlich abgerückt ist. Das kommt einer Zäsur gleich. Doch auch hart gesottene Metaller müssen die Zeichen der Zeit erkennen und offen für flexible Lösungen der Gehaltsstruktur sein, so lange sie nicht nur zu Lasten ihrer Klientel geht. Ist der Aufschwung wieder da, muss es ein größeres Stück vom Kuchen eingefordert werden. 

Abseits der Metallindustrie bringt der erste Abschluss in der Herbstlohnrunde folgende drei Erkenntnisse: 

1. Die Sozialpartnerschaft lebt. Statt es mitten in der Rezession auf einen Arbeitskampf ankommen zu lassen, wofür niemand Verständnis hätte, lenkte die Gewerkschaft ein und beschwor den Zusammenhalt in schwierigen Zeiten. Richtig so! Angesichts der zunehmenden Polarisierung und Kampfrhetorik kann in einem kleinen Land wie Österreich das Miteinander nicht oft genug zelebriert werden. Kommt der Aufschwung, sollte jedoch auch die Arbeitgeberseite wieder großzügig verteilen. 

2. Die Benya-Formel aus den 1970-er Jahren hat endgültig ausgedient. Anstatt das Lohnplus starr an Inflation und Produktivität zu messen, sind flexible Lösungen und kreative Idee über Gehaltsstrukturen gefragt. Der Abgleich mehr Freizeit statt mehr Geld macht Jobs besonders bei den Jungen attraktiver. 

3. Die Metallindustrie ist keine Leitbranche für andere Branchen mehr. Die Wirtschaft ist viel zu ausdifferenziert für allgemein gültige Parameter. Für die von Frauen und Teilzeit dominierten Dienstleistungsbranchen Handel sowie Gesundheits- und Sozialberufe darf die gut dotierte Metallindustrie nicht der Maßstab sein. Dort werden weit höhere Gehälter bezahlt, ein niedrigeres Lohnplus ist für die Beschäftigten verkraftbar. Im Dienstleistungssektor geht es um die Sicherung der Kaufkraft und auch um Attraktivität der Jobs, um überhaupt Bewerber zu finden. Letztlich kann durch einen höheren Abschluss auch die Lohnungleichheit zwischen Männer und Frauen weiter reduziert werden. 

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