Mein Geschäft ist zu - muss ich trotzdem Miete zahlen?
Gerade in dieser Krise, mit Schließungen von Shops oder Jobverlust, gibt es auch zahlreiche juristische Fragen. Rechtsanwalt Michael Borsky von der Kanzlei Ruggenthaler, Rest & Borsky, beantwortet für KURIER-Leserinnen und -Leser fünf wichtige Fragen.
1. Mein Geschäft ist geschlossen. Muss ich weiterhin Miete bezahlen?
2. Lieferungen bleiben aus. Was nun?
3. Was ist, wenn ich die vereinbarte Leistung aufgrund der nunmehrigen Umstände nicht mehr brauchen kann?
4. Wie sieht es bei Reisebuchungen aus?5. Was ist mit laufenden behördlichen oder gerichtlichen Fristen?
Die Corona-Krise stellt uns vor eine Vielzahl von Problemen und Herausforderungen, die unsere Gesellschaft noch lange Zeit beschäftigen wird. Manche sprechen bereits von einer grundlegenden Neuordnung nach der Krise. Viele Problemstellungen, die sich nun ergeben, sind rechtlicher Natur. Insbesondere die Maßnahmen, die zur Eindämmung der Ausbreitung des Covid-19 Virus ergriffen werden, stellen uns vor Rechtsfragen, mit denen der Rechtsanwender mitunter seit den Nachkriegsjahren nichts mehr zu tun hatte. Alle Fragen lassen sich (noch) nicht beantworten.
1. Mein Geschäft ist geschlossen. Muss ich weiterhin Miete bezahlen?
Diese Frage lässt sich nicht ganz allgemein beantworten. Grundsätzlich ist es so, dass das Gesetz für derart außergewöhnliche Fälle eine Zinsminderung und sogar eine Zinsbefreiung für den Fall vorsieht, dass ein Bestandsobjekt nicht oder nur eingeschränkt benutzbar ist.
Ob sich das auf eine Betriebseinschränkung aufgrund des Covid-19 Virus anwenden lässt, ist noch nicht abschließend geklärt. Die Rechtsprechung sieht das aber in Fällen von elementaren Ereignissen gegeben, die einen größeren Personenkreis betreffen und von Menschen nicht beherrschbar sind, sodass für deren Folgen grundsätzlich von niemandem Ersatz erwartet werden kann. Das wird wohl auf das Covid-19-Virus zutreffen.
Diese gesetzlichen Regelungen sind aber nicht zwingend. Das heißt, dass diese Zinsbefreiung oder Zinsminderung im Mietvertrag ausgeschlossen werden kann. Bevor Schritte in diese Richtung unternommen werden, ist jedenfalls der Mietvertrag zu prüfen. Dabei ist auch darauf zu achten, ob im Mietvertrag die Aufrechnung oder eine Zurückbehaltung von Mieten untersagt ist.
Mietzahlungen sollten keinesfalls eingestellt werden, bevor das nicht überprüft wurde. Sinnvoll wäre es allenfalls, mit dem Vermieter in Kontakt zu treten. Jedenfalls sollten weitere Mietzahlungen unter ausdrücklichem Vorbehalt getätigt werden, um das Recht zur Mietzinsreduktion nicht zu gefährden.
2. Lieferungen bleiben aus. Was nun?
Man wird zurzeit häufig vor der Situation stehen, dass sonst sehr verlässliche Vertragspartner ihre Leistungen nicht mehr erbringen können. Sei es, weil er selbst keinen Liefernachschub erhält, aufgrund von quarantänebedingen Betriebsunterbrechungen oder aufgrund behördlicher Maßnahmen.
Dabei ist zu prüfen, ob das Covid-19 Virus oder die deswegen gesetzten Maßnahmen tatsächlich kausal für eine allfällige Vertragsverletzung geworden sind und die Erfüllung des Vertrages nicht mehr zumutbar ist bzw. keine Alternativen der Erfüllung bestehen. Dann stellt sich die Frage, ob ein Fall „höherer Gewalt“ vorliegt. Als höhere Gewalt gilt ein außergewöhnliches Ereignis, das nicht in einer gewissen Regelmäßigkeit vorkommt oder erwartet werden kann und das selbst durch äußerste Sorgfalt weder abgewendet noch in seinen Folgen unschädlich gemacht werden kann.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat dazu Stellung genommen und insbesondere den damaligen Ausbruch der Infektionskrankheit SARS als „höhere Gewalt“ eingestuft. Das wird für den nunmehrigen Covid-19 Ausbruch ebenso gelten.
Der nächste Schritt ist die Überprüfung der Verträge. Finden sich dort Regelungen für solche Fälle? Was sehen diese vor? Ist vertraglich nichts geregelt, greifen die gesetzlichen Bestimmungen. Dann ist zu unterscheiden, ob die Leistung bloß vorübergehend nicht möglich ist oder ob sie endgültig nicht erbracht werden kann.
Kann der Vertragspartner nur vorübergehend nicht leisten, kann man entweder am Vertrag festhalten und zuwarten oder nach Setzung einer angemessenen Nachfrist vom Vertrag zurücktreten. Sämtliche bereits erbrachten (Vor-)Leistungen wie insbesondere Anzahlungen, wären dann zurückzuerstatten.
Ist eine Rückgabe nicht mehr möglich, wäre der Vorteil in Geld auszugleichen. Das gilt auch, wenn die Leistung endgültig bzw. dauerhaft nicht mehr möglich ist. Dann wird der Vertrag aufgelöst und bereits Geleistetes ist herauszugeben oder auszugleichen.
Wichtig: In Fällen von höherer Gewalt kommt es zu keiner schadenersatzrechtlichen Haftung der Vertragsparteien. Es ist im Einzelfall sehr genau zu prüfen, was die Ursache für die Nichtlieferung oder die Lieferverzögerung ist.
3. Was ist, wenn ich die vereinbarte Leistung aufgrund der nunmehrigen Umstände nicht mehr brauchen kann?
Das Lehrbuchbeispiel hierfür wäre die für die in der Osterwoche geplante Geburtstagsfeier bestellte Torte. Die Feier ist nunmehr untersagt, die Torte wird daher keiner essen. Auch hier wird zunächst die Vereinbarung zu überprüfen sein.
Gibt es Ausstiegs- oder Stornoklauseln? Waren bestimmte Umstände vielleicht ausdrücklich mitvereinbart, sodass sie Vertragsbestandteil geworden sind? Wenn nicht, ist auch hier auf die gesetzliche Regelung zurückzugreifen. Hier spricht man vom Wegfall der Geschäftsgrundlage.
Als Geschäftsgrundlage gelten die für ein Geschäft typisch zugrunde liegenden Umstände, die von beiden Geschäftspartnern als vorliegend angenommen werden. Es muss also eine Änderung oder das Fehlen solcher typischen Umstände vorliegen, die jedermann mit dem Abschluss eines solchen Geschäftes verbindet. Allerdings gibt es eine wesentliche Einschränkung: Die Änderung der Umstände darf bei Vertragsabschluss nicht vorhersehbar gewesen sein. Es kommt daher sehr darauf, wann der Vertrag geschlossen wurde und ob zu diesem Zeitpunkt die Auswirkungen des Covid-19 Virus schon absehbar waren.
Ist unter diesen Umständen die Geschäftsgrundlage weggefallen, kann man den Vertag anpassen oder auflösen (anfechten). Dann gilt, dass beide Seiten nicht mehr leisten müssen und Geleistetes zurückzuerstatten ist.
4. Wie sieht es bei Reisebuchungen aus?
Der Osterurlaub ist bereits gebucht. Auch für Reisen gelten die oben dargestellten Grundsätze. Es ist zu hinterfragen, ob sie gar nicht mehr stattfinden können oder nur verschoben werden und warum sie nicht stattfinden können. Es ist zu hinterfragen, was vereinbart wurde.
Bei Pauschalreisen besteht zudem das Recht, jederzeit vor Reiseantritt vom Vertrag zurückzutreten. Stornokosten fallen dafür aber nur dann nicht an, wenn am Reiseziel oder in dessen unmittelbaren Umgebung unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände auftreten. Diese Umstände müssen die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Eine bereits ausgebrochene schwere Krankheit stellt eine solche außergewöhnliche und erhebliche Beeinträchtigung dar.
Zudem liegen mittlerweile Reisewarnungen des Außenministeriums für so gut wie alle Destinationen vor. In diesen Fällen sind geleistete Anzahlungen zurückzuerstatten. Entgangene Urlaubsfreuden werden nicht ersetzt. Bei Individualreisen ist es insofern komplizierter, als es hier keine einheitliche Regelung gibt. Es ist darauf abzustellen, was mit den Fluglinien, Hotels. etc. vereinbart wurde. Es empfiehlt sich Kontakt aufzunehmen, ob eine kostenlose Stornierung möglich ist. Vor allem Fluglinien bieten dies derzeit an.
Lässt sich keine Einigung finden, ist auf die bereits dargestellten allgemeinen gesetzlichen Regelungen zurückzugreifen, die in aller Regel zum selben Ergebnis führen. Gerade bei Auslandsdestinationen ist nicht gewährleistet, dass österreichisches Recht gilt oder zumindest eine vergleichbare Regelung angewendet wird.
Achtung: Eine kostenlose Stornierung von Reisen, die erst in einigen Wochen oder Monaten stattfinden sollen, lässt sich in sämtlichen Fällen nur bedingt rechtfertigen. Es kommt darauf an, ob zum Zeitpunkt der Reise die unabwendbaren, außergewöhnlichen Umstände vorliegen und mit welcher Wahrscheinlichkeit davon zum Zeitpunkt der Stornierung ausgegangen werden kann. Da sich die Einschätzungen täglich ändern, wird das laufend zu beurteilen sein.
5. Was ist mit laufenden behördlichen oder gerichtlichen Fristen?
Mir wurde eine Klage zugestellt und ich möchte mich dagegen wehren. Derzeit ist ein Gesetz vorgesehen, das voraussichtlich mit Montag, 23. März 2020, in Kraft treten wird. Demnach werden in allen gerichtlichen Verfahren alle verfahrensrechtlichen Fristen bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen. Das betrifft auch Verjährungsfristen, die Frist für Besitzstörungsklagen, etc.
Die Fristen beginnen mit 1. Mai 2020 neu zu laufen. Das betrifft alle gängigen Fristen und bedeutet, dass hier vorerst in aller Regel nichts vorzukehren ist. Es gelten aber einige Ausnahmen, sodass sich eine Prüfung im Einzelfall empfiehlt. Achtung: Die Unterbrechung der Fristen tritt erst mit Montag in Kraft. Fristen, die bis dahin ablaufen würden, müssen daher noch gewahrt werden.
Hinweis: Die obigen Ausführungen dienen ausschließlich der unverbindlichen Information der Leser und ersetzen keine professionelle Beratung. Der KURIER leistet keine Gewähr für deren Richtigkeit oder Aktualität.
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