McDonald: "Halte nichts von einer Fast-Food-Steuer"

Peter McDonald.
Hauptverbands-Chef Peter McDonald möchte die Österreicher zu einem gesünderen Leben bewegen. Er fordert einen nationalen Aktionsplan.

Steigende Arbeitslosigkeit und teure neue Spitzen-Medikamente belasten das Budget der Krankenkassen. Peter McDonald, Vorsitzender des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, fordert Nachlässe von der Pharmabranche und will die Österreicher zu einem gesünderen Leben bewegen.

KURIER: Die Arbeitslosigkeit soll bis 2018 weiter ansteigen. Was bedeutet das für das Budget der Krankenkassen?

Peter McDonald:Wir haben herausfordernde Zeiten vor uns, weil die Beitragseinnahmen stagnieren, gleichzeitig steigen die Ausgaben für Medikamente wegen des sehr erfreulichen medizinischen Fortschritts. Jeder zusätzliche Arbeitslose beschert der Sozialversicherung einen jährlichen Einnahmenentfall von rund 1300 Euro. Wir rechnen, dass in den nächsten Jahren die Beitragseinnahmen um weniger als drei Prozent steigen werden. Meine Vorgabe ist, mittelfristig nicht mehr auszugeben als einzunehmen.

Gleichzeitig gibt es immer weniger Vollzeitstellen, dafür steigt die Teilzeit. Wie wirkt sich das längerfristig auf die Einnahmen der Kassen aus?

Ich sehe das nicht nur negativ. Fakt ist, dass durch Teilzeit viele in den Arbeitsmarkt einsteigen, die es sonst vielleicht nicht oder später täten. Für die Sozialversicherung ist weniger von Bedeutung, ob jetzt jemand Teilzeit oder Vollzeit arbeitet. Wichtig ist, dass die Einnahmen reichen, die notwendigen Ausgaben zu decken.

Wie geht sich das künftig aus?

Das ist nicht ganz einfach, weil die Kosten beispielsweise bei den Medikamenten im letzten Halbjahr um acht Prozent und im ersten Quartal 2015 sogar um zehn Prozent gestiegen sind. Mittlerweile entfällt ein Viertel der Medikamenten-Ausgaben auf Packungen, wo eine mehr als 700 Euro kostet, einzelne Ausreißer sogar mehr als 40.000 Euro, das entspricht dem Wert eines Mittelklassewagens.

Nicht ganz zufällig laufen gerade die Verhandlungen mit der Pharmabranche über einen neuen Rahmenvertrag. Um wie viel wollen Sie’s billiger?

Wir wollen einerseits höhere Rabatte vereinbaren, die uns die Möglichkeit geben, die Versicherungsgemeinschaft zu entlasten. Andererseits haben wir einzelne neue, sehr teure Medikamente, die die Solidargemeinschaft an ihre Grenzen bringt. Hier müssen wir über neue Mechanismen sprechen.

Geht es konkreter?

In den letzten vier Jahren stiegen die Ausgabensanteile für diese Hochpreis-Medikamente von 15 auf 25 Prozent. Bei einem Medikament standen wir einer Monopolsituation gegenüber, die nicht sehr einfach für uns war. Wir brauchen mehr Wettbewerb, auch bei Generika-Präparaten.

In anderen Ländern ist die Generika-Quote viel höher. Werden generell zuwenig Generika verschrieben?

Wir haben hier sehr stark aufgeholt, aber das ist genau einer der Punkte, die wir mit der Pharmabranche gerade verhandeln. Wir sind stolz darauf, dass In keinem anderen Land neue Medikamente so rasch auf den Markt kommen wie in Österreich. Das muss auch so bleiben.

Experten meinen, viele Medikamente könnten durch gesünderes Leben und mehr Bewegung vermieden werden. Muss hier nicht ein stärkerer Fokus auf Prävention gelegt werden?

McDonald: "Halte nichts von einer Fast-Food-Steuer"
Mag. Peter McDonald ist Direktor des Österreichischen Wirtschaftsbundes, geschäftsführender Obmann der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft und stv. Vorsitzender der Konferenz der aller Österreichischen Sozialversicherungsträger
Gesundheitsförderung ist einer meiner Schwerpunkte. Die Österreicher sind um 1,5 Jahre weniger gesund als der Durchschnitts-Europäer. Es gibt erste Studien, die nahelegen, dass unsere Kinder durch Bewegungsmangel und schlechte Ernährung eine kürzere Lebenserwartung haben werden als ihre Eltern. Das muss für uns schon ein Auftrag sein, etwas zu tun.

Was konkret?

Wir brauchen eine Bewusstseinsänderung im Sinne einer nationalen Kraftanstrengung wie beim Thema Umweltschutz in den 1980er-Jahren. Das ist ja nicht nur Thema der Sozialversicherung, da muss sich die ganze Regierung dahinter stellen.

Und was plant der Hauptverband?

Wir wollen die Vorsorgeuntersuchung medizinisch modernisieren und kundenorientierter gestalten. So sollen die Versicherten von ihrem Arzt einen genauen Gesundheitsstatus mit Handlungsanleitungen mitbekommen. Es soll nicht nur beim Gesundheitscheck bleiben, es sollen gemeinsam mit dem Arzt Gesundheitsziele vereinbart werden. Und wir müssen auch jene erreichen, die bisher nicht zum Arzt gegangen sind, etwa Migranten. Wir wollen die Millionengrenze der jährlichen Vorsorgeuntersuchungen knacken.

In der SVA haben Sie ein Anreizsystem verwirklicht. Wer sich regelmäßig einem Gesundheitscheck unterzieht, erspart sich die Hälfte Selbstbehalt beim Arztbesuch. Können Sie sich so ein Anreiz-Modell für alle Versicherten vorstellen?

Steuerung durch positive Anreize ist sicher die Zukunft. An der Mehrheitsfähigkeit in der Sozialversicherung arbeite ich aber noch. Zunächst geht es darum, die Vorsorgeuntersuchung zu attraktivieren und über den einzelnen Check hinaus zu einer dauerhaften Gesundheitsbegleitung zu kommen. Wir sind auch bereit, mehr Geld in die Hand zu nehmen und haben den Ärzten im Gegenzug zehn Prozent höhere Tarife für die Vorsorgeuntersuchung angeboten.

Andere Länder führen hohe Steuern auf besonders fette oder zuckerhaltige Lebensmittel ein oder verbieten diese sogar teilweise. Hätten Sie solche Maßnahmen auch gerne für Österreich?

Da gibt es ja schon einiges, etwa bei den Rauchern. Ich glaube nicht, dass man mit einer Fast-Food-Steuer die nötigen Lenkungseffekte erzielt. Es muss ein Bewusstsein geschaffen werden, dass jeder für seine Gesundheit etwas tun kann. Da braucht es eine nationale Kraftanstrengung, aber auch neue Ansätze.

Welche?

Wenn man etwa in Tel Aviv die Strandpromenade entlang geht, sind alle 200 Meter Bewegungsplätze mit Fitnessgeräten, die werden auch genutzt. Da gibt es eine ganz andere Gesundheits- und Bewegungskultur. Ich würde mir mehr solch öffentliche Bewegungsräume in Österreich wünschen.

Karriere
Der 41-jährige Oberösterreicher (Vater stammt aus Irland) folgte im Herbst 2014 Vorgänger Hans Jörg Schelling an die Spitze des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger nach. Der Wirtschaftswissenschafter und Vater von vier Kindern war zuletzt Obmann der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft (SVA).

Hauptverband
Die Sozialversicherung verwaltet ein Budget von 55 Mrd. Euro. Der Hauptverband ist Dachverband aller Sozialversicherungsträger.

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