Wir haben alles in Bewegung gesetzt, um sicherzustellen, dass wir uns über Effizienzsteigerungen, Bestandskundendurchdringung, Digitalisierung und Produktinnovationen diesem Einbruch entziehen zu können. Das ist insofern gelungen, als wir bei wichtigen Produktgruppen Marktanteile gewonnen haben. Dennoch mussten wir 2024 über 70 Leasingkräfte abbauen und im letzten Quartal 2024 leider auch 25 Mitarbeiter der Stammbelegschaft. Und es ist weiterhin ein sehr forderndes Umfeld.
Können Sie noch etwas tun?
Wir konzentrieren uns weiter auf all unsere Gestaltungsmöglichkeiten und sehen mittelfristig in der Energie- und Gebäudewende unsere Chancen. Wir – und damit meine ich die gesamte Industrie – haben unsere Hausaufgaben gemacht. Dennoch zeigt sich, dass der Standort massiv verloren hat. Das ist kein Jammern auf hohem Niveau, sondern die schmerzhafte Realität.
Woran machen Sie das fest?
Die Industrieproduktion ist um 12 Prozent zurückgegangen. Die Energiepreise haben sich verdoppelt und die Lohnkosten sind um ein Drittel stärker gewachsen als in der Eurozone. Die Investitionen wurden zurückgefahren. Unternehmen, die Teil einer internationalen Gruppe sind, nehmen oft nur noch Ersatzinvestitionen vor und weichen auf andere Standorte aus, um im Geschäft zu bleiben. Da ist tatsächlich schon ein Schaden eingetreten. Wir bekennen uns zum Wirtschaftsstandort Österreich. Es ist somit für die Sicherung des Wohlstandes in Österreich Gefahr im Verzug! Seitens der Regierung und der Sozialpartner ist es höchste Zeit, nicht nur Absichtserklärungen, sondern verbindliche Perspektiven zu schaffen.
Was fordern Sie konkret?
Das Regierungsprogramm skizziert viele relevante Themen, aber es wird der Dringlichkeit nicht gerecht. Es müssen Notmaßnahmen getroffen werden.
Wie sehen diese aus?
Erstens die Senkung der Energiekosten, vor allem für die energieintensive Industrie. Die meisten EU-Länder kompensieren bis 2030 die CO2-Zahlungen. Diese Maßnahme kann sofort verabschiedet werden. In dem Zusammenhang steht auch Entbürokratisierung, etwa im Umweltbereich. Was die Dekarbonisierungsziele betrifft, verstehe ich nicht, dass wir noch grüner als die EU sein wollen. Dekarbonisierung und Klimaschutz ja, aber Gold Plating zurückfahren. Und Pläne vorlegen, wie die überambitionierten Ziele nicht auf Kosten der Bürger und Unternehmen erreicht werden.
Was noch?
Die öffentliche Hand sollte dabei mit gutem Beispiel vorangehen und Gehaltsabschlüsse unter der Inflation vornehmen. Die hohen Lohnkosten haben den Standort schon demoliert. Wenn es weiter auf dem Niveau bleibt, trifft es genau diejenigen, die geschützt werden sollen. Mit einem moderaten Lohnabschluss kann ein Zeichen gesetzt werden. Angesichts der gesunkenen Wettbewerbsfähigkeit ist es für die Industrie entscheidend, die Lohn-Preis-Spirale zu durchbrechen – zur Sicherung unseres Wirtschaftsstandorts und der Arbeitsplätze. Ich erwarte mir von den Sozialpartnern einen maßvollen Lohnabschluss im Sinne einer echten Standortpartnerschaft. Weiters geht es um die Reduktion der Lohnnebenkosten.
Aber Lohnnebenkosten senken kostet.
Was eine Lohnnebenkostensenkung kostet, kann durch Investitionsbelebung mehr als kompensiert werden. Die letzte Regierung hat erste Schritte gesetzt. Jetzt etwa die kalte Progression wieder zum Teil einzuführen, ist das falsche Signal. Vollzeitarbeit muss sich wieder lohnen.
Und was konkret Ihr Geschäft betrifft?
Ich finde es legitim, dass Förderungen auf den Prüfstand gestellt werden. Die Fördersätze sollten deutlich reduziert werden und stärker auf das Alter einer Anlage und die Höhe des Einkommens abgestellt werden. Zudem muss das Miet- und Wohnrecht reformiert werden. Es bräuchte auch eine bundesweite Entschlackung und Vereinheitlichung von Standards und Normen sowie schnellere Bewilligungsverfahren. Dann ist ein leistbarer Ausstieg aus Fossil, beginnend mit den ältesten Anlagen, möglich. Eine solche Sanierungsoffensive könnte rasch auf Schiene gebracht werden.
Hat Austria Email nicht von dieser bedingungslosen Förderung profitiert?
Eine Förderung hilft dem Absatz, keine Frage. Wir haben als SHL Zukunftsforum aber nie bedingungslos 75 Prozent Förderung verlangt, sondern mehrfach einen Maßnahmenmix vorgeschlagen, der mit viel geringeren Förderungen und Anreizen Wirkung gezeigt hätte. 2023 war ein Erneuerbaren-Wärme-Gesetz geplant, aber aus Sorge vor der „Heizhammer-Debatte“ in Deutschland wieder verräumt. Statt Reformen kam dann zur Überraschung aller eine Förderung von 75 Prozent und für Einkommensschwache sogar von 100 Prozent. Diese hat aber in der Praxis nicht gegriffen, weil viele Haushalte keine Zwischenfinanzierung aufstellen konnten.
Was erwarten Sie vom laufenden Geschäftsjahr?
Wir haben uns ein zweistelliges Umsatzwachstum vorgenommen. Ein günstiger Effekt kann sein, dass Läger abgebaut wurden und es damit wieder mehr Aufnahmefähigkeit des Marktes gibt, sowie der Einbruch der Neubau- und Sanierungstätigkeit in den Auslandsmärkten den Boden erreicht hat.
Woran liegt der Absturz in Deutschland?
Das Ampelchaos um das Heizgesetz und die fehlende Planungssicherheit, aber auch nach wie vor hohe Baukosten und Inflation haben bei vielen Unternehmen und Konsumenten dazu geführt, abzuwarten. Außerdem ist Deutschland - wie auch Österreich - im EU-Vergleich wirtschaftliches Sorgenkind.
Wie sieht es aktuell aus?
Im ersten Quartal sehen wir eine gewisse Stabilisierung. In Deutschland rechnet die Heizungsbranche mit einem fünfprozentigen Wachstum. Was zuversichtlich stimmt, ist das angekündigte Sondervermögen, bei dem auch 100 Milliarden für klimarelevante Investitionen vorgesehen sind. Die Hoffnung wächst, dass die künftige Regierung der Wirtschaft wieder mehr Aufmerksamkeit schenkt und das Land ins Wachstum zurückführt.
Aber wird das alles so schnell Wirkung zeigen?
Es bedeutet jetzt ein dringend notwendiges Aufatmen, wie damals an den Kapitalmärkten in der Eurokrise, als es dem damaligen EZB-Chef Draghi gelungen ist, zu signalisieren, wir sind bereit, alles zu tun. Eine Rückkehr von Vertrauen und Zuversicht könnte heuer schon positive wirtschaftliche Impulse auslösen.
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