Liftpreise: Wer einsame Pisten will, soll mehr zahlen

Liftpreise: Wer einsame Pisten will, soll mehr zahlen
Seilbahner sind zu technikverliebt und zu starr in der Preisgestaltung, findet einer ihrer Berater.

Der deutsche Markenexperte Klaus-Dieter Koch kritisiert die österreichische Seilbahnwirtschaft und ist dafür, dass Skifahren zu Weihnachten teurer wird.

KURIER: Haben Sie auch Wintersportorte auf Ihrer Kundenliste?

Klaus-Dieter Koch: Mehr als zwei Dutzend im Alpenraum. Ich sag ihnen immer, dass sie aus ihren alten Denkmustern und Mechanismen raus müssen.

Die da wären?

Zum Wettergott beten und ihn für alles verantwortlich machen. Und sie müssen aus dieser technikverliebten Blase raus, in der sie leben. Alles dreht sich um die neueste Seilbahntechnik und Pistenkilometer. Das interessiert die Gäste aber immer weniger.

Was will der Gast dann?

Was erleben. Er will jedenfalls nicht auf einem Parkplatz im Matsch stehen, in seine eiskalten Skischuhe steigen, dann vom Auto zur Skischule stapfen und dort mit 200 Holländern beim Skiverleih anstehen.

Und sagen Sie das Ihren Kunden im Tourismus auch?

Ja. Da ist dann keiner verantwortlich. Die Seilbahner sagen zum Beispiel, dass die Gemeinde für den Parkplatz verantwortlich ist und sie auch mit der Skischule nichts zu tun haben. Genau das ist das Problem. Alle kochen ihr eigenes Süppchen, übrig bleibt der Gast, der dann schon völlig verschwitzt ist, wenn er endlich bei der Skischule ankommt und dort auf einen Skilehrer warten darf. Allein das Wort Skilehrer!

Was haben Sie dagegen?

Das Wort zeigt schon, dass die Branche stecken geblieben ist. Jeder ist froh, dass die Schulzeit vorüber ist und will auf keinen Fall einen Tag mit einem Lehrer verbringen, auch nicht mit einem Skilehrer. Man will jemanden, der einem das Ski-Gebiet zeigt und weiß, wo es den besten Rotwein gibt und die beste Aprés-Ski-Hütte. Die Amerikaner nennen ihn Guide.

... und er macht genau dasselbe wie bei uns der Skilehrer ...

Mit dem Unterschied, dass das in den USA institutionalisiert ist. Auch wenn es in den Alpen sehr gute Skilehrer gibt, sind noch immer welche darunter, die ihre Kunden wie ihre Schüler behandeln. Das ist eine Frage der generellen Haltung. US-Ressorts haben einen Vorteil: Sie sind ein Unternehmen, mit einem Chef, der über Seilbahnen, Restaurants und Schwimmbad entscheidet. Vail in Colorado ist kein Ort, das ist ein Unternehmen.

Das muss man auch mögen. Aber was können unsere Skigebiete besser machen?

Vom Gast aus denken. Man könnte zum Beispiel überlegen, ob die Liftkarte bei Schlechtwetter auch als Ticket für die Therme verwendet werden kann. Geht aber nicht, weil die beiden nicht kooperieren.

Andere Beispiele?

Denken Sie an die Skitourengeher. Wenn die in ein Sportgeschäft kommen, freut sich der Händler, weil er weiß, dass er gleich richtig viel Umsatz machen wird. Und was machen die Seilbahner? Alles, um dem Tourengeher das Leben schwer zu machen, statt endlich zu überlegen, worum es ihm eigentlich geht. Er sucht das Naturerlebnis, körperliche Herausforderung. Das könnte er ihm alles bieten. Mit eigenen Pisten.

Der Seilbahner hat aber einen beheizten 8-er-Sessellift gebaut, auf den jetzt jemand bezahlterweise sitzen soll. Auch verständlich, oder?

Worum es geht, sind aber letztlich die Kunden. Die suchen einsame Pisten und diese Sehnsucht kann man monetarisieren. Wer auf einer Piste mit wenig Menschen fahren will, soll dafür bezahlen. Technisch möglich, weil Ski Data ja schon jetzt jederzeit weiß, wie viele Menschen im Skigebiet sind.

Also Dynamic Pricing auf der Piste – so wie bei Amazon?

Klar. Wer ausgerechnet zu Weihnachten und Silvester Skifahren will, soll dafür viel bezahlen. Wer im Jännerloch kommt, deutlich weniger. Ladys Days am Dienstag – so bringt man auch Familien auf die Piste, deren Frauen vielleicht sonst lieber shoppen gegangen wären. Ich verstehe nicht, warum sich Seilbahner benehmen wie die örtliche Straßenbahn, die meint, dass jeder gleich viel fürs Ticket zahlen soll. Die Leute wären bereit, für leere Pisten viel Geld zu bezahlen.

Die Tourismusbranche jubelt aber gern über volle Häuser und Pisten.

Auch so ein Fehler. Als Erfolgswährung gelten immer die Gästenächtigungen und Skitage. Für noch mehr Nächtigungen wird noch mehr Natur verbaut und damit auch das Naturerlebnis zerstört. Dann geht man mit den Preisen runter, weil man ja kein exklusives Erlebnis bieten kann. Da fehlt dann schnell Geld für Investitionen. Schauen Sie in die Schweiz, wenn Sie wissen wollen, wozu das führt. Zu einem Investitionsstau.

Sie machen sich nicht ernsthaft Sorgen um Tirol, oder?

Ich sage nur, dass man umdenken muss, solange man noch handlungsfähig ist. Das jetzige System produziert nur Verlierer: Die Landschaft wird verbaut, die Gäste steigen sich gegenseitig auf die Füße und die Leistungsträger verdienen zu wenig. Wer Erlebnisse schafft, kann viel mehr Geld aus dem Gast rausholen – und zum Schluss bedankt der sich noch und kommt nächstes Jahr wieder.

Klingt leicht, ist es nicht.

Im High-End-Bereich gibt es genug Betriebe, die zeigen, dass das geht. Sie bieten alles, vom Shuttle-Service bis zum beheizten Skischuh. Aber für die Masse ist Winterurlaub so komfortabel wie ein Urlaub am Campingplatz. Um alles muss man sich selbst kümmern. Da überlegen sich die Leute dann, ob sie nicht lieber in den Club nach Ägypten fliegen. Das ist stressfrei, alles ist organisiert, keine Autos im Ressort, die Kinder in irgendeiner Animation, das Essen organisiert, endlich Zeit zum Entspannen.

Zur Person: Klaus-Dieter Koch

Liftpreise: Wer einsame Pisten will, soll mehr zahlen
© BrandTrust, Abdruck honorarfrei, Klaus-Dieter Koch, Gründer von BrandTrust

Der Nürnberger Markenexperte (52) ist Vielreisender und passionierter Skifahrer. Koch gründete 2003 die Managementberatung BrandTrust, die auch mit einer Niederlassung in Wien vertreten ist. Auf seiner Kundenliste stehen unter anderem das Schweizer Skigebiet Engadin St. Moritz oder Rauch Fruchtsäfte, Julius Meinl, Stabilo oder Mustang. Er hält Vorlesungen und sorgte kürzlich bei der Branchenveranstaltung "Allianz Zukunft Winter" für Gesprächsstoff.

Minus 20 Prozent auf die Tageskarte am Kreischberg, Minus 25 Prozent am Katschberg oder 40 Prozent Abschlag von den Rauriser Bergbahnen: Auf der Webseite yodelyou.com gibt es Angebote für Wellness- und Golfurlaube oder eben auch für Skitage. Es sind die kleineren Gebiete, die hier mit Diskont-Preisen werben. „Die Großen werden Sie auf solchen Plattformen nicht finden“, stellt auch Erik Wolf, Geschäftsführer vom Fachverband der Seilbahnen, klar. Nachsatz: „Weil sie sich nicht in eine Preisspirale drängen lassen.“

Rabatt bei Schneefall

Das bestätigt auch Mario Stedile-Foradori, Leiter der Arlberger Seilbahnen. 2,8 Millionen Gästeeintritte zählen die Arlberger Bergbahnen im Winter, allein in St. Anton sind es rund 1,5 Millionen. Stedile-Foradori hat da seine Prinzipien: „Wir leisten viel und das muss den Gästen auch etwas wert sein.“

In der Schweiz gebe es gerade Ansätze, die ihm überhaupt nicht gefallen. Einzelne Seilbahner würden ihre Liftkarten bei Schlechtwetter verschleudern. So etwas käme am Arlberg überhaupt nicht in Frage. Schon allein, weil sich Stedile-Foradori nicht auf Diskussionen einlassen will, wann denn das Wetter nun schlecht sei. Bei der ersten Flocke? Wenn es schon in der Früh schneit oder auch wenn es erst mittags beginnt? Solche neuen Preisaktionen seien letztlich ein Zeichen für die missliche Lage seiner Schweizer Kollegen, meint er. Sie haben zuletzt unter dem starken Franken und dem Ausbleiben von Gästen gelitten.

Dennoch haben sich auch Österreichs Seilbahner etwas Neues überlegt. Etwa die Plattform starjack.at, über die man sich bequem von zuhause oder dem Auto aus das Liftticket ordern und auf eine Karte – die man einmalig bestellt – laden lassen kann. Heuer sind 65 Skigebiete mit an Bord – darunter auch Ischgl oder Kitzbühel. Rabatte auf Tagestickets sucht man vergeblich. Stedile-Foradori: „Wir sind ja keine Plattform für Preisschleuderei.“ Ziel sei es, die Wartezeiten am Ticketschalter zu reduzieren.

Dass Seilbahner nach dem Vorbild der Onlinehändler und Airlines ihre Preise nach oben schrauben, sobald die Nachfrage steigt, ist derzeit überhaupt kein Thema. „Viele haben sich solche Modelle genauer angeschaut, letztlich aber dagegen entschieden“, weiß Erik Wolf. Letztlich müsste für Unternehmen unter dem Strich zumindest das Gleiche herauskommen. Wird in schwachen Zeiten der Preis reduziert, steigt er in der Hochsaison, also in den Ferien. Ob das gewollt ist, bezweifelt Wolf.

Kommentare