Leistungskontrolle im Kuhstall, GPS auf dem Acker

Gestriegelt und umsorgt: So werden die Tiere bei der Grünen Woche in Berlin präsentiert. Der Alltag in Industrieställen sieht anders aus.
Auf der Landwirtschaftsmesse in Berlin geht es mehr um Technik, als um Tiere.

Die Landwirtschaftsmesse Grüne Woche in Berlin ist eine Leistungsschau der Agrarwirtschaft. Auf dem Erlebnisbauernhof in Halle 3.2 geht es weniger um Tiere als um Technik. Selbst beim Kühemelken. „Der Bauer muss nur noch auf dem PC kontrollieren, ob alles passt“, erklärt ein Krawattenträger im schwarzem Anzug die vollautomatische Melkmaschine.

Hinter ihm liegen rund ein Dutzend Kühe wiederkäuend am Messestand. Sie können rund um die Uhr zum Melken kommen – wann immer sie wollen, führt er aus. Um den Hals trägt jede Kuh einen Transponder. „Durch ihn erkennt die Maschine das Tier und registriert, wie viel Milch sie gibt.“ Sinkt die Milchleistung, leuchtet am Computer bei der Nummer der Kuh ein Kontrolllämpchen auf. Die Zeiten, in denen Bauern frühmorgens nach ihren Tieren sehen müssen, seien damit vorbei.

Fotos vom Hof

Die Gruppe von pubertierenden Mädels lässt das alles kalt. Sie fotografieren lieber mit ihren Smartphones Küken, die unter einem Infrarotstrahler in ihrem Futter picken. Der „Endstufeneber mit überragendem Magerfleisch-Anteil“ vom Stand nebenan hat seinen Kopf längst hinter seinem Futtertrog versteckt. Er scheint sich tot zu stellen – obwohl oder gerade weil die Band am anderen Ende der Halle gerade zu spielen begonnen hat.

Die Grüne Woche, die größte Agrarmesse der Welt, hat Volksfestcharakter. In den zehn Messetagen (noch bis 26. Jänner) rechnen die 1650 Aussteller mit mehr als 400.000 Besuchern.

Großstadtkinder stellen sich geduldig an, um in einen Traktor – dessen Reifen höher sind als die Kinder groß – einsteigen zu dürfen. Der Pflug, der am Traktor angehängt ist, arbeitet mit GPS. Die Arbeitsbreite und -tiefe speichert der Landwirt ein. „Bei Feldern, die nicht schnurgerade, sondern spitz verlaufen, ist das von Bedeutung“, erklärt der Verkäufer. Kostenpunkt für Traktor und Pflug: Rund 200.000 Euro.

„Nur drei Prozent der Deutschen sind noch Bauern. Was früher Allgemeinwissen war, ist heute Spezialwissen“, sagt Hubert Weiger vom Bund für Umwelt- und Naturschutz. Bis zu 70 Prozent der Deutschen leben heute in Städten. Offensichtlich auch die Schülerin, die von einem zotteligen, schwarzen Bullen begeistert ist, der in seiner Box Heu frisst. Sie greift nach seinen Hörnern, was ihn hoch- und sie kreischend zurückfahren lässt.

Tierschützer Weiger moniert, dass das Bild, das den Leuten auf der Messe gezeigt wird, nicht der Realität entspricht. „Hier stehen die Tiere auf Stroh, in der Realität auf Spaltenböden.“ Er sieht aber auch positive Entwicklungen. So werden heuer weniger Hochleistungsrassen vorgeführt als in den Vorjahren. In den Boxen stehen unter anderem Brillenschafe oder westafrikanische Ziegen, hinter ihnen wacht ein Hirte – aus Pappe.

Aus Österreich sind 37 Aussteller – allen voran von Käse, Speck und Wein – angereist. Die Bierbänke sind gut gefüllt. Im breiten deutschen Dialekt versucht ein Verkäufer, Besucher für österreichischen Wein zu begeistern. Das scheint nicht schwer zu sein. Bis zum Abend steigt der Alkoholpegel einiger Besucher merklich. „Jetzt gehen wir in die Ukraine, da gibt’s Schnaps um einen Euro“, sagt ein junger Bursche zu seinem Freund und steht schwankend von der Bierbank auf.

Kommentare