Lehrlinge kochen für Flüchtlinge
Heute gibt es "Maklube". Hühnerfleisch mit Curryreis, Melanzani, Karfiol, Ingwer – und reichlich Gewürzen. Kochlehrling Andre Lang (16) kostet vorsichtig, nickt zufrieden: "Die Speisen schmecken schon etwas ungewöhnlich, vor allem schärfer, aber nicht schlecht." Drei Lehrlinge hat Sous-Chef Peter Löscher am frühen Vormittag in der Großküche des Seniorenwohnheimes Liebhartstal in Wien-Ottakring versammelt. Gekocht wird heute nicht nur für die Pensionisten im Haus, sondern auch für Flüchtlinge.
Seit dem Herbst verpflegen die Pensionisten-Wohnhäuser Penzing, Am Mühlengrund und Liebhartstal 680 Asylwerber in ihrem Großquartier in Lainz. Täglich werden Frühstück, Mittag- und Abendessen frisch zubereitet. Einen Großteil der Arbeit erledigen die Lehrlinge im Rahmen ihrer Ausbildung. Mit sehr viel Engagement, wie sich der KURIER beim Küchenbesuch überzeugen konnte. "Die Flüchtlinge müssen ja auch essen", sagt Christopher Trimmel, der gerade eifrig die Melanzani schnippelt. Er habe ein gutes Gewissen dabei, anderen zu helfen, die sich nicht selbst versorgen können.
Internationale Küche
Schon im zweiten Lehrjahr ist die 17-jährige Valerie Ostertag, die täglich aus dem Burgenland anreist. Um rechtzeitig zum Dienstbeginn um 6.30 Uhr in der Küche zu sein, muss sie schon um halb fünf Uhr aufstehen. "Kein Problem", meint sie. Später möchte Valerie selbst ein Lokal führen oder als Schiffsköchin anheuern. "Da ist es gut, wenn wir hier auch internationale Gerichte kochen."
Die Rezepturen kommen zum Teil von den Flüchtlingen selbst, am Menüplan stehen vor allem Reis, Gemüse, Fisch und Huhn. "Essen kann Emotionen auslösen, ein syrisches Gericht ist ein Stück Heimat auf dem Teller", sagt Sous-Chef Löscher. Am beliebtesten sind Hendl-Gerichte, simple Reisgerichte oder Krautfleckerln. Schweinefleisch "geht gar nicht".
Die Pensionisten im Haus Liebhartstal müssten durch die Flüchtlingsküche nicht auf ihre gewohnten Gerichte verzichten, wird betont. Wird fürs Asylheim einmal zu viel gekocht, landet es als zusätzliches Angebot auf dem Mittagstisch der Senioren. Verschwendet wird nichts.
Das Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser (KWP) will mit dem Ausbildungsprojekt zeigen, dass Lehre und Flüchtlingsbetreuung miteinander kombinierbar sind.
Soziales Lernen
"Mit dem Projekt wollen wir nicht nur die Asylwerber unterstützen, sondern auch unsere Lehrlinge fördern. Soziales Lernen als Teil der Ausbildung im KWP liegt mir sehr am Herzen", betont KWP-Geschäftsführerin Gabriele Graumann. Ihr Lehrlingsbeauftragter Erich Lobinger war anfangs skeptisch, ob da auch die Jugendlichen mitspielen würden. "Ich war dann selbst überrascht, wie viel Verständnis die jungen Leute für die Lage der Asylwerber aufbringen und ihnen ganz selbstverständlich helfen wollen", erzählt er.
Damit nicht genug. Um zu wissen, für wen sie da eigentlich kochen und wie das Essen schmeckt, werden die Jugendlichen "ihren" Flüchtlingen schon demnächst einen Besuch abstatten. Lobinger möchte auch gerne einen jungen Flüchtling die Chance geben, selbst eine Lehre in der Küche zu absolvieren. In den 30 Pensionisten-Wohnhäusern des KWP werden derzeit 100 Lehrlinge in diversen Berufen ausgebildet, 60 davon in der Gastronomie. Lobinger ist stolz, dass ein Drittel davon "integrative Lehrlinge" sind, also Jugendliche mit Lernschwierigkeiten oder Behinderung.
Die "Flüchtlingsküche" ist als Projekt, nicht als Dauerlösung gedacht. Ziel ist, dass Flüchtlinge in kleinere Wohneinheiten übersiedeln, wo sie sich selbst versorgen können. Dass dies auch gelingt, zeigt der Bestell-Rückgang an Essensportionen.
Das zur Stadt Wien gehörende Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser (KWP) ist der größte Anbieter von Seniorenbetreuung in Österreich. Er betreibt 30 Häuser für 8800 ältere Menschen und beschäftigt rund 4000 Mitarbeiter aus 50 verschiedenen Ländern.
Top-Lehrbetrieb
Die Zahl der Lehrlinge wurde binnen vier Jahren auf 100 verdoppelt, 2014 erhielt das KWP die Auszeichnung „Top-Lehrbetrieb“. Bewerbungen sind ganzjährig möglich.
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