Billig, billiger, Bangladesch

epa03487886 Garment workers shout slogans as they attend a mourning procession for the death of the workers of the Ashlia fire accident in Dhaka, Bangladesh 27 November 2012. More than 100 people were killed after a devastating fire took place at Tazreen Fashions Limited garments factory at Nischintapur, in Savar on the outskirts of Dhaka, Bangladesh, late on 24 November 2012 EPA/ABIR ABDULLAH
Welche Lehren können aus dem Fabriksunglück gezogen werden?

Auch schon ein T-Shirt um 5 Euro gekauft? Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist das Schnäppchen „made in Bangladesch“; produziert zu Dumpinglöhnen in Fabriken, die auf sumpfigem Boden stehen und jederzeit zusammenbrechen können. Fast 500 Tote forderte vor zehn Tagen der Einsturz einer Textilfabrik nahe der Hauptstadt Dhaka.

Es war bereits das dritte Fabriksunglück innerhalb von nur fünf Monaten – und wieder will niemand dafür verantwortlich sein. Der Aufschrei war groß, Tausende Arbeiter gingen auf die Straße und einige Konzerne sagten aus Angst um ihr Image rasche Hilfen zu. War’s das? Der KURIER ging der Frage nach, welche Konsequenzen aus der Katastrophe gezogen werden (sollen).

Konzerne

Zahlreiche Textilketten wie Kik, NKD, Mango, Primark, H&M, Marks & Spencer oder Benetton beziehen Waren aus Bangladesch – nicht alle geben es offen zu. Kik ließ sogar in der Unglücksfabrik fertigen, beweist Fotomaterial der „Kampagne für Saubere Kleidung“ (Clean Clothes). Kik zeigte sich überrascht und gab an, seit 2008 keine direkten Lieferungen mehr zu beziehen. NKD bestätigte Geschäftsbeziehungen bis 2012.

Als erster Großkonzern zog Walt Disney Konsequenzen aus der Katastrophe und stoppte die Produktion von Merchandise-Artikeln in Bangladesch. Michaela Königshofer von Clean Clothes sieht die Konzerne in der Hauptverantwortung: „Es muss Sanktionen etwa wegen Menschenrechtsverletzungen geben.“ Clean Clothes fordert die Konzerne auf, ein von internationalen Gewerkschaften initiiertes Gebäude- und Brandschutzabkommen zu unterzeichnen. In Europa hat bisher nur Tchibo das Abkommen unterschrieben.

Europäische Union

Die EU hat mit großzügigen Handelsabkommen Bangladesch erst zur „Nähstube der Welt“ (s. unten) gemacht, dabei auf die Festlegung sozialer und arbeitsrechtlicher Mindeststandards verzichtet. Sehr zum Ärger der europäischen Textilindustrie, die in der Billig-Importflut aus Asien untergeht. Im Vorjahr lieferte Bangladesch Textilien im Wert von 17 Milliarden Euro in die EU. Hunderte tote Fabriksarbeiter bewirken nun auch in Brüssel ein Umdenken. Sollten die Arbeitsbedingungen nicht verbessert werden, droht die EU mit einer Rücknahme der Handelsvergünstigungen.

Konsumenten

Auch nach Österreich kommen immer mehr Billigtextilien aus Bangladesch. 2012 wurde Bekleidung im Wert von 271 Millionen Euro eingeführt– ein Plus von zehn Prozent. 62 Millionen Euro entfielen davon allein auf T-Shirts. Wolfgang Sima,Sprecher der österreichischen Bekleidungsindustrie (500 Firmen), appelliert an die Konsumenten, bewusster einzukaufen. Er verweist darauf, dass die Hauptfertigungen heimischer Betriebe wie Triumph, Huber, Gloriette oder Airfield durchwegs in Europa liegen.

„Faire“ Kleidung zu finden, ist aber für Konsumenten nicht leicht, der Preis allein ist noch kein Beweis. Wer es genau wissen möchte, ist auf Non-Profit-Organisationen wie Fair Wear Foundation oder Eigenrecherche bei Händlern oder Herstellern angewiesen.

Billig, billiger, Bangladesch
Die Textilindustrie ist für das Armenhaus Bangladesch der mit Abstand wichtigste Wirtschaftszweig und für 80 Prozent der Exporte verantwortlich. Das Land ist nach China der weltweit zweitgrößte Kleidungsexporteur. In sogenannten Exportproduktionszonen stehen rund 4500 Fabriken, die für globale Handelsketten und Diskonter Bekleidung fertigen.

1,6 Millionen Menschen sind dort beschäftigt, 80 Prozent davon Frauen, die meisten davon im Alter zwischen 18 und 24 Jahren. „Eine Frau hat in Bangladesch nur drei Möglichkeiten zu arbeiten: In der Textilfabrik, im Haushalt oder als Prostituierte“, fasst Michaela Königshofer, Aktivistin bei Clean Clothes, die triste Lage zusammen. Fast die Hälfte der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze, die Analphabetenrate ist hoch.

Der Mindestlohn ist mit 33 Euro pro Monat einer der niedrigsten der Welt. In Bangladesch herrscht eine 60-Stunden-Woche bei einem freien Tag pro Woche.

Kommentare