Heftiger Streit um Etikett und Geld

30.000 Proben kontrolliert die Behörde jährlich in Österreich.
Brüssel will die Kosten staatlicher Kontrollen auf die Unternehmen überwälzen.

Die Lebensmittelindustrie tobt wegen eines Vorschlags der Brüsseler Beamten. Diese wollen durchsetzen, dass die Produzenten künftig die Kosten für amtliche Lebensmittelkontrollen tragen. Ein entsprechender Vorschlag liegt vor, Ende Oktober sollen die Gespräche dazu beginnen, kommendes Jahr soll die neue Regelung fix gemacht werden.

Die heimische Industrie setzt sich zur Wehr. „Mittelständische österreichische Betriebe zahlen schon jetzt bis zu mehreren Hunderttausend Euro für Eigenkontrollsysteme und sollen jetzt noch einmal für die Überkontrollen des Staates zur Kassa gebeten werden. Das macht uns wirklich Sorgen“, sagt Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin des Fachverbandes der Nahrungs- und Genussmittelindustrie in der Wirtschaftskammer.

Heftiger Streit um Etikett und Geld
Geschäftsführerin des Fachverbands für Lebensmittelindustrie Katharina Koßdorff
Neben den Eigenkontrollen gibt es schon jetzt staatliche Prüfungen. Die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) zieht 30.000 Proben im Jahr und prüft, ob die Eigenkontrolle der Produzenten funktioniert. Dafür gibt es jährlich einen Bundeszuschuss von geschätzten 15 bis 20 Millionen Euro. „Die Lebensmittelsicherheit ist ja auch eine hoheitliche Aufgabe“, so der Standpunkt von Koßdorff. Die Diskussion, ob die Industrie diese Kosten selbst tragen soll, gab es bereits vor zwei Jahren auf nationaler Ebene.

Jetzt kommt das Thema über den Umweg von Brüssel wieder auf den Tisch. Die Beamten diskutieren eine Pauschalgebühr, die Firmen wie eine Steuer zahlen sollen – unabhängig davon, ob sie kontrolliert werden oder nicht. Als Alternative wird über ein Gebührenmodell nachgedacht. „In jedem Fall kommt es zu zusätzlichen Verwaltungskosten. Die Lebensmittelindustrie droht langsam im Amtsschimmel zu ersticken“, ärgert sich Koßdorff. Aus ihrer Sicht ist der neue Entwurf zudem ungerecht, weil Kleinbetriebe von der Gebühr ausgenommen werden sollen. Das würde bedeuten, dass heimische Großkonzerne etwa die Kontrollen kleiner ausländischer Hersteller finanzieren müssten, wenn deren Waren in Österreich kontrolliert werden.

Auch in anderen Bereichen „wird die Lebensmittelindustrie zum Spielball der Politik“, ärgert sich die neue Geschäftsführerin des Branchenverbandes. Etwa bei der Frage, was alles auf einem Lebensmitteletikett aufgedruckt werden soll.

Käfigeier

Derzeit lobbyieren Verbände dafür, dass bei Produkten die Eier enthalten, die Haltungsform der Hühner angeführt wird. Hintergrund: In der EU ist Käfighaltung verboten. Es scheitert aber am Vollzug, sprich an der Kontrolle in einigen Ländern. Die EU hat gegen Italien und Griechenland ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Nicht-Einhaltung des Käfigverbots eingeleitet. Im deutschsprachigen Raum sorgt die Konkurrenz der Käfig-Halter freilich für Unmut. „Wegen des mangelnden Vollzugs in den Ländern wollen die Interessensgruppen die Industrie zwingen, die Haltungsform auf das Etikett zu schreiben“, ärgert sich Koßdorff über den drohenden Verwaltungs- und Logistikaufwand. Offen bleibt, ob die zusätzlichen Kosten letztlich der Konsument in Form höherer Preise zahlen wird.

Auch Rewe-Boss Frank Hensel (Billa, Merkur, Adeg, Penny, Bipa) ärgert sich, dass die Frage der Finanzierung der staatlichen Lebensmittelkontrollen „nun über die Hintertür von Brüssel“ wieder ein Thema ist (siehe Artikel oben). Schließlich sei das Thema erst kürzlich auf nationaler Ebene diskutiert worden. Die Lebensmittelsicherheit sei Aufgabe des Staates, so auch sein Standpunkt.

Der Staat hält seiner Meinung nach auch in anderen Bereichen die Hand zu sehr auf. „Die Kosten der Arbeit sind in Österreich eine der höchsten in Europa“, so Hensel. Eine Kollektivvertragserhöhung von drei Prozent koste seinen Konzern rund 50 Millionen Euro. „Davon landet aber nur ein Drittel auf den Konten der Mitarbeiter, zwei Drittel gehen an den Staat.“

Den regelmäßig wiederholten Vorwurf der Arbeiterkammer, dass Einkaufen in Österreich teurer als in Deutschland ist, lässt Hensel nicht gelten. Die beiden Länder seien nicht miteinander vergleichbar.

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