Langjähriger Prokurist belastet Anton Schlecker

Anton Schlecker steht vor Gericht
Fast 50 Jahre arbeitete der frühere Prokurist für die Firma Schlecker. Er galt als rechte Hand Anton Schleckers.

Fast 50 Jahre arbeitete der frühere Prokurist für die Firma Schlecker. Er galt als rechte Hand Anton Schleckers. Doch im Prozess um die Pleite des Drogeriemarktkonzerns gibt der Mann, dem Schlecker selbst einen „Führungsanspruch“ attestiert, die Verantwortung ab.

Mit verschränkten Armen sitzt der 90-Jährige im stuckverzierten Gerichtssaal des Ehinger Amtsgerichts unter einem Kristallleuchter. Schweigend sitzt er im etwas zu weit gewordenen dunklen Anzug die Viertelstunde ab, bis die Richter den in altrosa und beige gehaltenen Saal betreten. Nur einmal richtet er das Wort kurz an Anton Schlecker: „Blond geworden!“, spielt er auf Schleckers schlohweiße Haare an. Der frühere Prokurist kennt den Drogeriemarktkönig so lange wie kaum ein anderer: „Mit dem Herrn Schlecker war ich per Du. Und zwar von Jugend auf. Er war sechs Jahre alt, als ich ihn kennenlernte.“

In der Vernehmung im Bankrottprozess um den Drogeriemarktkönig geht am Dienstag es laut Nachrichtenagentur dpa um die Verantwortung, die Anton Schlecker angelastet werden könnte. Denn keiner war tiefer eingeweiht in die Abläufe des Unternehmens als der hoch betagte Mann auf der Zeugenbank. Das ist der Grund, warum der Prozess um die Pleite der Drogeriemarktkette im Jahr 2012, der eigentlich am Stuttgarter Landgericht stattfindet, am Dienstag eigens ins gut 80 Kilometer entfernte Ehingen verlegt wurde. Im Konzern war der Schlüsselzeuge Schleckers rechte Hand.

"Ich hielt ihn für Weltklasse"

„Ich hielt ihn immer für Weltklasse“, sagte Anton Schlecker beim Prozessauftakt. Die beiden arbeiteten fast 50 Jahre zusammen. Die Anklage wirft Anton Schlecker unter anderem vor, vorsätzlich Vermögenswerte in Höhe von mehr als 25 Millionen Euro dem Zugriff der Gläubiger entzogen zu haben. Unter anderem unterstellt die Staatsanwaltschaft Schlecker, dafür gesorgt zu haben, dass die Logistikfirma LDG seiner Kinder, die beispielsweise für den Onlineshop zuständig war, noch sehr hohe Gewinne abwarf, während sein eigenes Unternehmen Verluste schrieb.

"Ihr Vertrauensverhältnis reichte bis ins Private"

Die Kinder, Lars und Meike Schlecker, sollen noch 2012 Gewinne in Millionenhöhe abgeschöpft haben. Ein Grund seien die hohen Stundensätze, die die LDG der Firma Schlecker in Rechnung stellte, so die Lesart der Staatsanwälte. Kalkuliert von eben dem Mann, der nun auf der Zeugenbank sitzt. Er habe ihm vertraut, wie nur wenigen im Leben, sagte Schlecker. Ihr Vertrauensverhältnis reichte bis ins Private.

Bei Entführung der von Meike und Lars Schlecker Ende der 80er Jahre habe er die Kinder aus der Hand der Entführer gelöst. Im Gerichtssaal wird er allerdings nur noch von Meike Schlecker herzlich begrüßt. Sie fällt ihm um den Hals. Im Schlecker-Imperium hatte der frühere Prokurist nach den bisherigen Berichten weitreichende Befugnisse. Sein Spielfeld sei unter anderem Logistikgesellschaft der Kinder gewesen, die Anfang der 2000er Jahre gegründet wurde, berichtete Anton Schlecker.

Kenner aller Abläufe

Ein ehemaliger Geschäftsführer der Logistikgesellschaft LDG beschrieb ihn als „Kenner aller Abläufe bei Schlecker“ und „Allrounder“. Kaum verwunderlich verteidigt der 90-Jährige die von ihm kalkulierten Preise der LDG, die im Prozess inzwischen zu einer Kernfrage geworden sind. Kostspielig für Schlecker seien hingegen die Leiharbeiter gewesen, die die Logistikgesellschaft beschäftigte. Die LDG war ein merkwürdiges Konstrukt im Imperium, sie wurde nicht als Tochtergesellschaft geführt, Gesellschafter waren aber Schleckers Kinder Lars und Meike.

Die Buchhaltung, so ein ehemaliger Geschäftsführer der LDG in dem Prozess, erledigte man in der Firma Schlecker. Doch damit will der frühere Prokurist nichts zu tun gehabt haben. Auch von den ungewöhnlich hohen Gewinnen - vor Steuern immerhin über 50 Prozent des Umsatzes - habe er nichts gewusst. Immer wieder verliert er die Fassung: Es werde neuerdings so hingedreht, dass er unglaubhaft sei, ruft er.

„Das lasse ich mir nicht gefallen.“ Weitreichende Verantwortung weist er vehement von sich und belastet seinen früheren Chef. „Das letzte Wort hatte der Herr Schlecker.“ Selbst Entscheidungen über Investitionen der LDG seien von Schlecker selbst abgenickt worden.

Empfindliche Persönlichkeit

Der Bruch zwischen den beiden wird in der Vernehmung immer deutlicher: Schon zum Prozessauftakt beschreibt Schlecker den Mann, dem er soviel zutraute, als empfindliche Persönlichkeit. Mit vielen anderen - auch mit Schlecker - habe es immer wieder Streit oder eine Auseinandersetzung gegeben.

2009 endete die Beziehung im Streit. Nur als Meike nach der Insolvenz um Unterstützung bei den Verhandlungen um die LDG bat, kehrte der frühere Vertraute noch einmal zurück. Er hätte aber auch „Ja“ gesagt, wenn Anton Schlecker ihn um Hilfe gebeten hätte, als ihm bewusst war, die Firma sei nicht mehr zu retten. „Aber, jetzt kommt's; der Herr Schlecker war nie der Meinung, dass es das Ende ist.“

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