Landwirtschaft wirft heimischen Handelsketten Preisdumping vor

Landwirtschaft wirft heimischen Handelsketten Preisdumping vor
Forderung nach Einführung einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung stößt auf Ablehnung seitens der Lebensmittelindustrie. Neuer Rekord bei Exporten.

Es klingt paradox: Einerseits rühmt sich Österreich gern mit seinem kulinarischen „Feinkostladen“, andererseits wird verhältnismäßig wenig für Lebensmittel ausgegeben: Laut Eurostat 9,7 Prozent des Haushaltseinkommens. Noch geringer ist die Quote europaweit nur in Großbritannien, Irland und Luxemburg (zwischen 7,8 und 9,1 Prozent). Der Durchschnitt der EU-28 liegt bei 12,1 Prozent.

„Das ist ein eindrücklicher Beweis dafür, dass Lebensmittel hierzulande zu billig verkauft werden“, findet Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger. Was Konsumenten freut, ärgert Agrarier und Verarbeiter. Die Schuld sehen sie in der Handelslandschaft, in der sich drei Handelsketten (Rewe, Spar und Hofer) mit Aktionen eine Preisschlacht liefern. Wer bei den Aktionen nicht mitspielt, ist aus dem Rennen, schließlich teilen sich Rewe, Spar und Hofer rund 85 Prozent des Marktes untereinander auf.

Billigprodukte aus dem Ausland

Und neben unter hohen Tierschutz- und Umweltstandards produzierter regionaler Ware stehen oft Billigprodukte aus dem Ausland, die letztlich im Einkaufswagen landen. Auch, weil Konsumenten den Unterschied auf der Packung gar nicht erkennen würden, glauben Landwirtschaftsvertreter.

Sie fordern die Politik zum Handeln auf und pochen auf die Einführung einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung. „Diese ist im Regierungsprogramm vorgesehen“, sagt Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger am Rande der Agrarmesse „Grüne Woche“ in Berlin. Gelten soll die Kennzeichnung bei verarbeiteten Produkten für Primärzutaten sowie für Großküchen und öffentliche Kantinen. Der Ausweis der Herkunft soll heimischen Betrieben einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Köstinger: „Am Beispiel Frankreich und Italien sehen wir, dass die Einführung einer Herkunftskennzeichnung zu einer höheren Inlandsnachfrage führt.“ Sprich: Konsumenten greifen gerne zu heimischer Ware und sind auch bereit, dafür einen Aufpreis zu zahlen.

Höherer Aufwand

In der Industrie hält sich die Freude über die Pläne der Regierung allerdings in engen Grenzen. Eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung wäre im österreichischen Alleingang ein Wettbewerbsnachteil, findet Katharina Koßdorff vom Lebensmittelfachverband. Firmen hätten gegenüber der ausländischen Konkurrenz einen erhöhten Logistik- und Bürokratieaufwand und damit einen preislichen Nachteil. Sie wünscht sich gleiche Spielregeln für alle. Also eine Regelung auf EU-Ebene.

Zugleich wird in Brüssel über das künftige Agrarbudget gestritten. Geht es nach den Plänen der EU, droht Österreich eine Kürzung der Agrargelder im Ausmaß von 120 Mio. Euro im Jahr. Heimische Landwirtschaftsvertreter gehen erwartungsgemäß auf die Barrikaden. Moosbrugger: „Wer glaubt, dass man das Geld kürzen kann und trotzdem das gleiche dafür bekommt, ist auf dem Holzweg.“ Kommt es dazu, sei eine weitere Intensivierung der Landwirtschaft die Folge. „Und genau das will die Bevölkerung nicht.“ Rückenwind kommt vom neuen EU-Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski, der sich klar gegen die Kürzungen ausspricht.

Rekord bei Lebensmitteln

Mit einem Exportvolumen von 12,3 Mrd. Euro hat Österreich im Vorjahr so viele Lebensmittel exportiert wie niemals zu vor. Wichtigster Auslandsmarkt ist traditionell Deutschland mit einem Anteil von 36 Prozent, gefolgt von Italien und den USA. Während in den Nachbarländern vor allem Molkereien einen Abnehmer für ihren Käse gefunden haben, bleiben auf den Fernmärkten alkoholfreie Getränke „Made in Austria“ der Exportschlager, Stichwort Red Bull.

Allein die US-Exporte stiegen im Vorjahr um 16 Prozent. Ob diese Erfolgsgeschichte fortgeschrieben werden kann, ist fraglich. Schließlich baut Red-Bull-Abfüller Rauch in den USA ein Werk, das auch Kanada mitbeliefern könnte. Die österreichische Exportbilanz  werde das nicht weiter belasten, glaubt  Katharina Koßdorff vom Lebensmittelfachverband: „Das Werk in Österreich wird sicher auch künftig ausgelastet sein, nur die Exportländer werden andere sein.“

Bio-Bauern unter Druck

Auf neue Marktgegebenheiten müssen sich dagegen die Bio-Bauern einstellen, die bereits ein Viertel der österreichischen Agrarfläche bewirtschaften.  „In den wichtigen Bio-Exportmärkten Deutschland und Schweiz ist die Inlandsproduktion angesprungen, der  Export wird schwieriger“, so Franz Windisch, Aufsichtsratsvorsitzender der AMA-Marketing. Bei Biogetreide liegt mittlerweile eine ganze Jahresernte auf Lager. „Dadurch sind die Preise bei Bio-Gerste und Bio-Weizen binnen eines Jahres um ein Viertel gesunken.“ Umstellerware, also Getreide von Betrieben, die in der 2-jährigen Umstellungsphase sind, wird  laut Windisch mittlerweile zu konventionellen Preisen verkauft.

Was im bisherigen Jubel über Österreichs Lebensmittelexporte oft untergeht ist die Tatsache, dass Österreich unter dem Strich mehr importiert als exportiert. Im Vorjahr wurden Lebensmittel im Wert von 12,7 Mrd. Euro eingeführt. Damit ist das Außenhandelsdefizit allerdings so niedrig wie nie zuvor.

Die Einladung zur Agrarmesse Grüne Woche in Berlin erfolgte durch Landwirtschaftskammer, -ministerium, Bauernbund und AMA.

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