LKÖ-Präsident: "Die hohen Lebensmittelpreise liegen nicht an den Bauern"

KURIER: Die hohen Lebensmittelpreise waren in den vergangenen Wochen Dauerthema. Kommt dieses Geld bei den Bauern an?
Josef Moosbrugger: Dass die Lebensmittelpreise hoch sind, liegt nicht an den Bauern. Es wäre Zeit, Transparenz darüber zu schaffen, wer welchen Anteil vom Verkaufspreis erhält. Dann würde man sehen, dass die Preistreiber der letzten Jahre primär die Energie- und Lohnkosten waren. Zudem haben wir ein dichtes Supermarktnetz mit luxuriösen Filialen. Das bezahlen die Konsumenten über die Lebensmittel mit. Und auch die Bürokratie ist ein Problem. Wir streben in Österreich immer höhere Standards an und wollen mehr Tierwohl und strengere Kontrollen. Und höhere Standards kosten Geld.
Meinen Sie, die landwirtschaftlichen Standards in Österreich sind zu hoch?
Wir wollen das produzieren, was der Markt nachfragt. Die Österreicher fordern Top-Qualität, entscheiden aber im Supermarkt stark preisgetrieben. Deswegen wird günstige Ware aus dem Ausland importiert, die nicht den heimischen Standards entspricht. Das bringt heimische Betriebe um. So fördern wir die Abhängigkeiten vom Ausland, weil die Versorgungssicherheit mit heimischen Lebensmitteln gefährdet wird.
In den vergangenen Wochen ging das mehrjährige EU-Budget durch die Medien, das ein geringeres Agrarbudget vorsieht. Sie haben den Vorschlag der Kommission scharf kritisiert. Welche Folgen befürchten Sie konkret?
Der Vorschlag ist für uns inakzeptabel. Er würde das Ende der gemeinsamen Agrarpolitik in Europa bedeuten, weil die Mitgliedsstaaten künftig selbst darüber entscheiden können, welche Bereiche Gelder bekommen. So etwas führt zu massiven Wettbewerbsverzerrungen, weil die Unterstützung in verschiedenen Ländern anders aussehen würde. Das betrifft auch die Nachhaltigkeit. Klar ist: Wenn diese Leistung nicht mehr bezahlt wird, wird es sie in Zukunft nicht mehr geben. Da braucht es deutliche Nachbesserungen.
Steht es um die heimischen Landwirte denn wirklich so schlecht?
Mir erzählen Bauern, dass sie heute zum Teil dieselben Erzeugerpreise erhalten, wie vor dem EU-Beitritt. Die Schere zwischen den Produktionskosten und dem, was der Landwirt dafür erhält, klafft immer weiter auseinander. Und weil den Landwirten heute kaum mehr etwas übrig bleibt, tätigen sie auch keine Investitionen mehr. Es bräuchte dringend Anreize für landwirtschaftliche Investitionen, wie auch für erneuerbare Energien im Rahmen diverser Energiegesetze.

Josef Moosbrugger, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, im Gespräch mit KURIER-Redakteurin Marlene Liebhart.
Die Zahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft ist von 2020 bis 2023 um rund zehn Prozent zurückgegangen. Spricht das nicht für Investitionen in stärkere Automatisierung?
Dass es weniger Personal in der Branche gibt, liegt vor allem daran, dass weniger Betriebe existieren. Wenn es weniger Produktion von Agrarrohstoffen gibt, führt das entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu Arbeitsplatzverlusten. Die Produktion findet dort statt, wo die Rohstoffe sind. Das kritisiere ich an der Arbeiterkammer, wenn sie günstigere Lebensmittelpreise fordert. Sie agiert gegen die eigenen Interessen und die der Arbeitnehmer, weil sie die Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und ihr vor- und nachgelagerten Bereichen gefährdet.
Vor allem die Zahl der Biobauern ist rückläufig. Woran liegt es?
Auch das liegt am Unterschied zwischen den Anforderungen und dem, was die Konsumenten tatsächlich kaufen. Wir sind Bio-Europameister und haben über 27 Prozent Bio-Flächen. Trotzdem ist der Bio-Anteil bei den Lebensmitteln, die in Österreich vermarktet werden, nur bei zehn Prozent. Das ist ein Dilemma. In den letzten Jahren war Bio teilweise billiger als konventionelle Produkte. Wir bekennen uns als Landwirte zu Bio, aber nicht, wenn der damit verbundene Mehraufwand nicht auch bezahlt wird.
Auch die heimischen Almen werden immer weniger. Was bedeutet das für die Landwirte?
Wir haben bereits viel gemacht, um die Attraktivität der Almwirtschaft zu steigern. Gleichzeitig führt die Klimaerwärmung dazu, dass mehr Futter auf der Alm wächst und mehr Vieh zur Offenhaltung notwendig ist. Wir brauchen gezielte Anreize, damit die Bauern ihre Tiere auftreiben und sich Almpersonal findet.
2024 haben Sie für Landwirte wegen ihres Beitrages einen „Übernachtungseuro“ gefordert, den sie von den Tourismusbetrieben für jede Nächtigung erhalten sollten. Ist diese Forderung noch aktuell?
Die Forderung ist aktueller denn je. Ich werde auch immer wieder darauf angesprochen. In vielen Regionen gibt es keine Entschädigung des Tourismus für die Landwirte. Aber wenn die Landschaft auch in Zukunft aussehen soll, wie wir sie gewöhnt sind, dann wird das nur gehen, wenn der Tourismus das abgilt. Dafür gibt es gute Beispiele. Auch die Gäste sind bestimmt bereit, einen Euro pro Nacht mehr zu bezahlen. Viele von ihnen kommen nur wegen der bewirtschafteten Landschaft.
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