Tourismusexperte: "Fragen Sie nicht, wie die Anreise war"
Beim Einchecken im Hotel kommt die Frage wie das Amen im Gebet: "Hatten Sie eine angenehme Anreise?" Carsten Rath, Hotelier und Tourismusexperte aus der Schweiz, rollt mit den Augen. "Wenn Freunde zur Grillfete kommen, fragen Sie sie ja auch nicht, wie ihre Anreise war, also lassen Sie es auch beim Gast", rät Rath den 600 Teilnehmern des Kongresses der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) in Zell am See.
Dem Gast das Gefühl vorzugaukeln, dass er ein alter Freund ist, sei der Schlüssel zum Erfolg. Schon allein, weil neue Konkurrenten aus der Sharing-Economy mit Bravour auf diesem Klavier spielen. Dank "Big Data", also der Auswertung von Kundendaten. Wer abspeichert, dass der Gast Fischer ist, ködert ihn mit einer Angelkarte. Wer das Alter der Kinder kennt, ruft sich einigermaßen unaufdringlich mit passenden Angeboten zur rechten Zeit in Erinnerung.
Verschlafene Chancen
Heimische Hoteliers scheinen diese Chancen großteils zu verschlafen. Zumindest legt eine Studie des Beraters Roland Berger diesen Verdacht nahe. "60 Prozent der Hoteliers werten die Stammdaten ihrer Kunden noch immer nicht aus", referiert Vladimir Preveden daraus. Gleichzeitig steigt die Macht von Vermittlungsportalen wie Airbnb, die – obwohl sie kein einziges Hotel besitzen – höher bewertet werden als ganze Hotelketten.
Die Entwicklung wird durch die Digital Natives, also einer Generation, die mit Internet und Handy aufwächst, vorangetrieben. "Bis 2020 werden 44 Prozent der Bevölkerung dieser Generaton angehören und ganz neue Spieler in der Sharing-Economy entstehen lassen", ist auch Markus Gratzer, Generalsekretär der ÖHV, überzeugt. Schon jetzt wird jedes zweite Hotelzimmer online gebucht, der Großteil davon über Buchungsplattformen. Die Transparenz auf den Portalen ist aber relativ: Auf den vorderen Seiten stehen jene Vermieter, die dafür am meisten bezahlt haben.
Helmut Peter, Hotelier vom Weissen Rössl am Wolfgangsee, sieht in der Branche ein weiteres akutes Problem: "Unsere Mitarbeiter verdienen zu wenig und kosten zu viel." Sprich: Der Staat streift zu viel Geld ein. "Deswegen müssen wir die Preise erhöhen und schlagen damit den Schweizer Weg ein." Dort gebe es immer mehr Hotels, "bei denen man mit der Kreditkarte eincheckt, weil niemand mehr an der Rezeption sitzt."
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