Das Alter sollte bei Neueinstellungen eigentlich keine Rolle spielen: Um Betrieben die Scheu zu nehmen, ältere Arbeitslose anzustellen, hat 2017 die damalige rot-schwarze Regierung den so genannten speziellen Kündigungsschutz gelockert. Dieser besagt, dass eine Kündigung wegen Sozialwidrigkeit anfechtbar ist, wenn eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt aufgrund des Alters schwierig ist. Wer aber bei der Neueinstellung schon über 50 Jahre ist, für den gilt diese Schutzklausel nicht mehr. Damit sollten Anreize geschaffen werden, ältere Arbeitnehmer verstärkt aufzunehmen.
Doch der spezielle Kündigungsschutz für Neueinstellungen über 50 Jahre wurde gar nie abgeschafft, sondern höchstens aufgeweicht, geht aus einer aktuellen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) hervor, die bei Arbeitsrechtlern für Diskussionen sorgt. Können über 50-Jährige also doch nicht so einfach gekündigt werden?
Laut OGH-Spruch ist das Alter des Arbeitnehmers auch bei nach dem 50. Lebensjahr eingestellten Arbeitnehmern zu berücksichtigen - nur eben nicht wie bei anderen älteren Arbeitnehmern „besonders zu berücksichtigen“.Und zwar unabhängig davon, wie lang jemand beschäftigt war. Gibt es also doch einen Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer?
„Das Alter ist nicht auszublenden“, argumentiert Hans Trenner, Bereichsleiter Beratung bei der Arbeiterkammer Wien. Das Höchstgerichts-Urteil wertet er als wichtige Klarstellung bezüglich der Schutzklausel. „Wer das Gesetz lesen konnte, wusste, dass sie nie ganz weg war.“
Kranführer klagte
Im aktuellen Fall hatte ein 1958 geborener Kranführer seine Kündigung bei einer Leiharbeitsfirma wegen Sozialwidrigkeit angefochten. Dort war er jedoch erst ein Jahr zuvor eingestellt worden. Die beklagte Firma verwies auf den Einsatz automatisierter Kräne und dass dadurch kein Bedarf an Kranfahrern mehr bestanden habe. Der OGH gab dem Rekurs des Arbeitgebers gegen das Urteil des Berufungsgerichtes nicht statt. In der Begründung wurde auch darauf verwiesen, dass eine abstrakte, alterslose Beurteilung dem Prinzip der individuellen Interessensbeeinträchtigung des gekündigten Arbeitnehmers widersprechen würde.
Laut Trenner stehen bei drohender längerer Arbeitslosigkeit die Chancen für eine Kündigungsanfechtung gut, sofern der Arbeitgeber zuvor weder wirtschaftliche noch persönliche Gründe für die Kündigung geltend machen konnte. Dazu muss ein Sachverständiger feststellen, dass die Jobsuche wohl länger als ein Jahr Jahr dauern werde. „Die Sachverständigen, die die Arbeitsmarktchancen ermitteln, können dies ja nicht altersunabhängig durchführen“ bestätigt auch Arbeitsrechts-Experte Horst Lukanec, Partner bei Binder Grösswang.
Kündigungsschutz generell schwach
Auch wenn durch das Urteil viele den Kündigungsschutz für Ältere wieder gestärkt sehen: Im Vergleich zu anderen Ländern sei er in Österreich ohnehin „nicht stark ausgeprägt“, meint Lukanec. Ein Grund ist die Beweislast, die in Österreich beim Arbeitnehmer liegt. Dieser muss beweisen, dass die Kündigung sozialwidrig war, weil er danach keinen Job mehr findet. Die dafür oft nötigen Sachverständigen-Gutachten kosten zumindest 1.000 Euro.
Kaum Anfechtungen
Anders als in Deutschland werden in Österreich Kündigungen daher kaum angefochten. Von 3.500 Arbeitsrechtsfällen, die die AK Wien im Vorjahr vertrat, betrafen weniger als 200 sozialwidrige Kündigungen. Ein Grund für die geringe Zahl an Anfechtungen sind freilich auch die so genannten „Golden Handshakes“, also zusätzliche Abfertigungen, mit denen älteren Mitarbeitern der Abschied „versüßt“ wird.
Die meisten Anfechtungsverfahren vor dem Arbeitsgericht enden mit einem Vergleich. Verliert der Arbeitgeber den Prozess, muss er nämlich für die gesamte Zeit das Gehalt nachzahlen, nur ein kleiner Teil der Gekündigten möchte wieder angestellt werden.
Arbeitnehmer über 50 können zwar jederzeit gekündigt werden, sie können aber ihre Kündigung wegen Sozialwidrigkeit vor Gericht anfechten. Bei der Beurteilung der Sozialwidrigkeit sind der Umstand einer langen Betriebszugehörigkeit und die wegen des höheren Lebensalters zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess zu berücksichtigen. Wichtig ist, dass der Betriebsrat, der eigentlich das Anfechtungsrecht hat, der Kündigung nicht zugestimmt hat.
Voraussetzung
Geschützt werden Mitarbeiter in Betrieben mit mindestens fünf Mitarbeitern. Im Verfahren berücksichtigt werden auch finanzielle Belastungen und Sorgepflichten, der Arbeitgeber kann sich auf betriebliche Erfordernisse oder persönliche Umstände berufen.
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