Wie Kryptowährungen die Risiken für das Finanzsystem steigen lassen

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Der Kryptoexperte Bernhard Haslhoferüber den Boom bei Bitcoin & Co., die Memecoins von Donald Trump und Gefahren für das Finanzsystem.

Kryptowährungen werden bei einer zukünftigen Finanzkrise zumindest eine Rolle spielen, sagt der Kryptoexperte Bernhard Haslhofer vom Complexity Science Hub (CSH) im Gespräch mit dem KURIER.

Denn die Verflechtung des traditionellen Finanzsektors mit dem Kryptosektor schreitet voran. Bitcoin, Ether, Solana & Co. gehe zunehmend mit dem klassischen Finanzsystem zusammen. 

Zentrale Rolle für Stablecoins

Eine zentrale Rolle dabei spielen Stablecoins, sagt Haslhofer. Dabei ist der Wert der Kryptowährung an einen stabilen Vermögenswert gekoppelt, meist ist das eine traditionelle Währung wie der US-Dollar. Auf diese Art können etwa Kurschschwankungen vermieden werden, denen viele Kryptowährungen unterliegen. Auch große Zahlungsanbieter würden das stabile Kryptogeld zunehmend in ihre Kernsysteme integrieren.

Das dahinter liegende Geld, also zum Beispiel die entsprechenden Beträge in US-Dollar, müsse aber irgendwo hinterlegt werden, sagt Haslhofer. Das passiere üblicherweise in kurzfristigen Wertpapierveranlagungen oder in Cash bei einer Bank. Wenn aber die Bank zusammenbricht, wie das etwa bei der Silicon Valley Bank im März 2023 der Fall war, und das Geld weg sei, könne das Versprechen nicht mehr eingehalten werden. Auch wenn viele Stablecoin-Halter ihre Gelder auf einmal zurücktauschen wollen, die Liquidität wegen der Veranlagung in kurzfristig Wertpapiere aber nicht sofort gegeben sei, könne es zu Problemen kommen. 

Risiko massiv gestiegen

Vor einigen Jahren wäre das noch kein Problem gewesen, sagt Haslhofer. Mittlerweile habe die Marktkapitalisierung von Kryptowährungen aber eine signifikante Größe erreicht. Dazu komme, dass in den vergangenen Jahren zunehmend auf Bitcoin & Co. aufbauende Finanzprodukte angeboten werden: Von Optionen, über Derivate bis Futures. Man könne komplexe, verschachtelte Finanzprodukte erwerben und Wetten auf künftige Entwicklungen abschließen, sagt Haslhofer: "Dadurch steigt das Risiko massiv."

Wie Kryptowährungen die Risiken für das Finanzsystem steigen lassen

Bernhard Haslhofer forscht am Complexity Science Hub (CSH) zu Kryptowährungen.

Regulierung hinkt hinterher

Regulierung hinke den aktuellen Entwicklungen naturgemäß immer hinterher. Zwar sei die in der EU Ende vergangenen Jahres in Kraft getretene MiCar-Regulierung (Markets in Crypto-Assets Regulation) ein wichtiger Schritt. Reguliert werden damit aber vor allem die Probleme der Vergangenheit. "Dezentrale Finanzprodukte und Stablecoins sind noch nicht ausreichend abgebildet", sagt der Experte. 

Die Kryptowelt sei in der Vergangenheit der Wilde Westen der Finanzwelt gewesen. Mit der zunehmenden Regulierung nähere sie sich jedoch dem klassischen Sektor an. Auch dort habe man immer dann begonnen, die Regeln zu verschärfen, wenn etwas passiert sei. Das werde auch bei Kryptowährungen der Fall sein. 

Die USA gehen in die entgegengesetzte Richtung und lassen zunehmend regulative Schranken in Bezug auf Kryptowährungen fallen. Die Kunst sei, die goldene Mitte zu finden, meint der Experte: "Man kann zu viel und zu wenig regulieren."

Salonfähige Finanzkriminalität

Dass auch die Familie des US-Präsidenten Donald Trump in das Geschäft mit Kryptowährungen eingestiegen ist und von eigenen Memecoins profitiert, hat einen schalen Beigeschmack. Insider-Trading oder Pump and Dump, also wenn der Kurs eines Vermögenswertes künstlich in die Höhe getrieben wird, um ihn dann am Höhepunkt teuer zu verkaufen, sei nichts anderes als Finanzkriminalität. Die werde durch solche Aktivitäten salonfähig gemacht, sagt Haslhofer.  

Solche Memecoins in Online-Netzwerken beworben hat auch der argentinische Präsident Javier Milei. Als sie sich als Schneeballsystem entpuppte und Anleger viel Geld verloren, leitete die Anitkorruptionsbehörde Ermittlungen ein. 

Zentralisierung

Kleinanlegern rät Haslhofer über regulierte und somit vertrauenswürdige Kryptowährungsbörsen zu investieren. Von der ursprünglichen Idee, dem Prinzip der Dezentralisierung, weg von staatlicher Kontrolle, sei nicht mehr viel übriggeblieben. In dem System sei es mittlerweile zu einer massiven Zentralisierung gekommen. 

"Wir haben ein System mit neuen Intermediären. Das sind nicht mehr die klassischen Banken und Zentralbanken, sondern Kryptobörsen, Mining-Pools und Stablecoin-Anbieter", sagt Haslhofer: "Das jeder gleichberechtigt partizipieren kann, stimmt mittlerweile nicht mehr."

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