Kritik an "Landraub" durch Lebensmittel-Konzerne

Die Zahl der Kleinbauern in Rumänien sinkt. Seit 2008 ist die Geschwindigkeit, mit der Großbetriebe kleine und mittlere Strukturen ersetzen, massiv gestiegen.
Großinvestoren kaufen riesige Agrarflächen. "Das ist Irrsinn mit Methode", warnt Buch-Autor Kurt Langbein.

Wegen der wachsenden Weltbevölkerung steigt die Nachfrage nach Nahrungsmitteln. Das ist ein Anreiz für Investoren, große Agrar-Flächen in der Dritten Welt und Osteuropa zu kaufen oder zu pachten. Der Autor und Filmemacher Kurt Langbein beschäftigt sich seit über zwei Jahren mit dem Thema Land Grabbing (Landnahme). Heute erscheint sein Buch "Landraub. Die globale Jagd nach Ackerland" (21,95 Euro, Ecowin Verlag). Die Premiere für den Kino-Film ist am 18. September.

KURIER: Warum beschäftigen Sie sich mit dem Thema Land Grabbing?

Kritik an "Landraub" durch Lebensmittel-Konzerne
Interview mit Kurt Langbein am 27.08.2015 in Wien
Kurt Langbein:Ich bin erschüttert über das Ausmaß und die Intensität der Menschenrechtsverletzungen. Ich hatte keine Ahnung, in welchem Ausmaß den Kleinbauern in der Dritten Welt zugunsten der Großinvestoren aus unserer Welt das Land weggenommen wird. Es gibt auch subtilere und rechtlich korrekte Formen. Das gilt etwa für Rumänien, wo riesige Agrarbetriebe entstanden sind. Aber die Kaufverträge werden von sehr ungleichen Partnern abgeschlossen. Da gibt es Gewinner und Verlierer.

Die von den Investoren gekauften Agrarflächen werden bewirtschaftet. Was ist daran schlecht?

Statt Nahrungsmitteln für die lokale Bevölkerung werden in der Dritten Welt landwirtschaftliche Produkte für den Export nach Europa oder Amerika angebaut. Das gilt etwa für Palmöl oder die Herstellung von Bio-Sprit aus Zuckerrohr in Sierra Leone. Die fehlenden Nahrungsmittel müssen die vom Landraub betroffenen Staaten dann teuer am Weltmarkt einkaufen. Das ist Irrsinn mit Methode.

Die Landkäufe sind doch politisch gewollt.

Das ist leider so. Auch die Politik der EU ist daran maßgeblich beteiligt. In Kambodscha führt ein an sich gut gemeintes EU-Programm dazu, das kambodschanischer Zucker in die EU exportiert werden kann. Die Freunde und Verbündeten der Regierung haben riesige Zuckerplantagen angelegt und die Bauern von ihrem Land vertrieben. Im Herbst sollen die EU-Subventionen noch einmal überprüft werden.

Was stört Sie noch am derzeitigen Fördersystem der EU für die Landwirtschaft?

Kritik an "Landraub" durch Lebensmittel-Konzerne
Bei den EU-Agrarförderungen wurde der letzte Schritt der vom früheren EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler vorgeschlagenen Reformen leider nicht mehr umgesetzt. Ursprünglich war geplant, dass mit steigender Betriebsgröße die Subventionen weniger werden. Vom derzeitigen Fördersystem der Europäischen Union profitieren vor allem die großen Agrar-Betriebe.

Was hindert kleinere Betreibe daran sich die Förderungen abzuholen?

Kleinbauern in Rumänien bekommen von der EU nur sehr geringe oder gar keine Förderungen. Ihnen fehlen die Möglichkeiten, sich auf das komplizierte System einzustellen. Das Geld geht vor allem an die großindustriellen Landwirtschaftsbetriebe.

Was verstehen Sie unter großindustrieller Landwirtschaft?

Da geht es nicht um 100 oder 200 Hektar. Die großindustrielle Landwirtschaft beginnt bei 10.000 Hektar pro Betrieb. Wir stehen vor einer Weichenstellung. Wenn die Sozialstruktur in der dritten Welt durch den Landraub kaputt geht, dann ist die derzeitige Flüchtlingswelle nur ein kleiner Vorgeschmack. Südlich der Sahara leben 400 Millionen Afrikaner von der Landwirtschaft.

In Österreich gibt es eine sehr klein strukturierte Landwirtschaft.

Das ist gut so und soll auch so bleiben. Wir haben das Privileg, dass sich unsere Landschaft nicht sehr gut für Großinvestoren eignet.

Haben nicht größere Strukturen deutliche Kostenvorteile?

Landwirtschaftliche Großbetriebe wirtschaften nur betriebswirtschaftlich günstiger. Man muss auch die sozialen und ökologischen Folgen einbeziehen. Das Tempo und das Ausmaß, in dem große landwirtschaftliche Strukturen kleinbäuerliche Strukturen verdrängen, ist deutlich gestiegen. 2008 hat das Finanzkapital Agrarflächen als Investitionsobjekt entdeckt. Laut OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Anm.) stammen 44 Prozent der weltweiten Investitionen von europäischen Geldhäusern.

Der am 29. Oktober 1953 in Budapest geborene Filmemacher, Wissenschaftsjournalist und TV-Produzent begann seine Karriere als Journalist beim ORF. Schwerpunkt seiner Berichterstattung waren Missstände in der Psychiatrie in Kinderheimen und Haftanstalten.

1983 war er Mitautor des Sachbuchs "Bittere Pillen". Die kritische Auseinandersetzung mit den Methoden der Pharmaindustrie war mit 2,7 Millionen verkauften Exemplaren eines der erfolgreichsten Sachbücher im deutschsprachigen Raum.

Zuletzt hat er mehrere Bücher über die Grenzen der modernen Medizin und alternative Heilmethoden veröffentlicht.

Für seinen TV-Beitrag "Wunder Heilung" erhielt er 2013 die Romy für die beste TV-Dokumentation.

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