Krieg in Ukraine bringt Güterverkehr nach Europa zum Erliegen
Die Versorgung mit Waren des täglichen Lebens ist derzeit doppelt gefährdet, denn die Logistikbranche kämpft an zwei Fronten: mit den Lockdowns in China und den dadurch geschlossenen Häfen sowie dem Krieg in der Ukraine, der die neue Seidenstraße – die Bahnstrecke von China nach Europa – erheblich behindert.
Starker Einbruch
In den vergangenen Jahren ist der Schienengüterverkehr auf der Seidenstraße stark gewachsen, selbst während der Covid-Krise stieg 2020 das Verkehrsvolumen, sagt Sebastian Kummer, Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik an der Wirtschaftsuniversität Wien. 2021 hat die Zahl der Züge um 53 Prozent zugenommen, laut Kummer wurden mit 18.000 Zügen rund 1,5 Millionen TEU (Zwanzig-Fuß-Standardcontainer) mit der Bahn über die Seidenstraße transportiert.
Seit dem Krieg in der Ukraine sei der Verkehr über die nördliche Route, die durch Russland führt, jedoch stark eingebrochen, nur noch 30 Prozent des Volumens werde gefahren. „Ich gehe davon aus, dass auch dieses Restvolumen weiter zurückgeht“, sagt Kummer. Das liege zum einen daran, dass Unternehmen aus politischen Gründen die Zusammenarbeit mit der russischen Bahn meiden würden, da diese Kriegsmaterial von Russland in das Kriegsgebiet bringe.
Hohes Risiko
Oft sei den Unternehmen aber auch das Risiko zu hoch. Denn wenn ein Transport über die russische Route fährt und es aufgrund von Sanktionen zu einem Stopp des Transportes in Russland kommt, könnten die Container für lange Zeit oder sogar komplett verloren gehen, sagt Kummer. Als Alternative bietet sich die so genannte mittlere Route über das Kaspische Meer und die Türkei an. Allerdings verfügt sie nur über eine Kapazität von circa zehn Prozent der russischen Strecke.
„Man kann davon ausgehen, dass diese Strecke zur Zeit komplett ausgelastet ist und deswegen keine neuen Verkehre aufgenommen werden können“, sagt Kummer. Er erwartet, dass die Russland-Verkehre weiter zurückgehen und über lang oder kurz komplett zum Erliegen kommen werden. Bereits im Sommer rechnet er nur noch mit rund zehn Prozent der Züge.
Völlig ausgebucht
„Das ganze trifft die Transportwirtschaft und Logistik natürlich sehr stark, da die chinesischen Häfen zur Zeit aufgrund der Lockdowns starke Probleme bei der Abwicklung der Containerschiffe haben und es bereits zu Staus kommt“ sagt Kummer.
Auch die Luftfrachtkapazitäten seien komplett ausgebucht, sodass es den Unternehmen schwer falle, Waren von China nach Europa zu bringen. Die Lieferketten Problematik verschärfe sich immer mehr, da die Sanktionen gegen Russland immer stärker würden. Die Kündigung der Breitspurverlängerungsgesellschaft durch die ÖBB sei ein weiteres Zeichen dafür.
Die heimische ÖBB Rail Cargo Group (RCG) musste wegen des Krieges in der Ukraine auf eine Alternativstrecke ausweichen, da der ursprünglich präferierte Korridor über die Ukraine von Russland zerstört wurde. Derzeit würden chinesische Warenströme über Belarus und Polen umgeleitet, heißt es seitens der RCG. Von dort gehe es über Hubs nach Budapest beziehungsweise Wien und weiter in das europäische Netzwerk.
Bis ins nächste Jahr
Die Probleme globaler Lieferketten durch den Lockdown in Teilen Chinas werden voraussichtlich über das wichtige Weihnachtsgeschäft hinaus bis ins kommende Jahr dauern. „Für die globalen Lieferketten hat China eine viel größere Wirkung als der Ukraine-Krieg“, sagt der Fracht-Vorstand der Deutschen Post, Tim Scharwath. Dabei seien die Probleme auch bei einem Ende der Corona-Maßnahmen, etwa in der Hafen-Metropole Schanghai, nicht vorbei.
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