L’Oréal-Forscher: "Gibt derzeit keine Alternative zu Palmöl"
Möglichst natürlich, pflanzlich, nachhaltig: Das ist der Trend in der modernen Kosmetik, das wünschen die Kundinnen. Doch richten sich auch die Kosmetikkonzerne danach? Der KURIER hat beim weltweit größten Kosmetikunternehmen, L’Oréal, nachgefragt. Laurent Gilbert, Direktor für Nachhaltigkeit und Innovation von L’Oréal, über Naturkosmetik, Palmöl und soziale Verantwortung.
KURIER: Herr Gilbert, warum bemüht sich L’Oréal um Nachhaltigkeit?
Laurent Gilbert: Der Grund ist einfach: Das ist der Weg, den die Menschen gehen müssen. Wenn ich meine kleine Tochter anschaue, weiß ich: Wir müssen etwas für die Umwelt machen. Wir müssen besser werden mit weniger Ressourcen. Aber es ist auch ein Geschäftsmodell. Denn langfristig werden die nachhaltigeren Unternehmen auch die profitableren sein. Nachhaltigkeit zwingt sie, auf die Bedürfnisse der Kunden, die immer mehr Wert auf Umwelt und Ethik legen, einzugehen und auch darauf zu achten, was ökonomisch sinnvoll ist.
Was will L’Oréal mit seiner Nachhaltigkeitsstrategie erreichen?
Wir verpflichten uns, die Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen. L’Oréal hat sein Ziel, den -Ausstoß zwischen 2005 und 2020 um 60 Prozent zu reduzieren, bereits vorzeitig erreicht, weshalb wir eine weitere Reduktion von 2016 bis 2025 um 25 Prozent festgesetzt haben. Wir arbeiten an mehreren Aspekten: Erstens an grüner Chemie. Das bedeutet, der chemische Prozess muss mit möglichst wenig –Emission ablaufen. Wir versuchen die Art, wie unsere Lieferanten arbeiten, zu ändern. Ein Beispiel: Wir kooperieren mit Farmern in Madagaskar und haben geschafft, dass sie die Emissionen in der Verarbeitung einer Pflanze um 40 Prozent verringern. Außerdem versuchen wir, den Wasserverbrauch beim Anwenden unserer Produkte zu minimieren. Dass der Kunde also beim Haarewaschen zum Beispiel weniger warmes Wasser verwendet.
Setzt L’Oreal jetzt auch mehr nachhaltige Rohstoffe ein?
Wir nutzen mehr pflanzliche Stoffe. Und wir verwenden mehr als 150 Inhaltsstoffe, die bio-zertifiziert sind. Insgesamt verwenden wir mehr als 4000 Rohstoffe. Die biologischen Rohstoffe sind mit 150 also noch ein kleiner Teil, aber er wächst. Wir versuchen alle Inhaltsstoffe bis zum Ursprung nachzuverfolgen und lassen jene auf, bei denen das nicht geht.
Kann der Anteil an Naturprodukten bei L’Oréal auf die Hälfte steigen?
Nein. Das glaube ich nicht. Das hat einen einfachen Grund: Die pflanzlichen Rohstoffe sind nicht in diesem Ausmaß am Weltmarkt verfügbar, und es würden auch nicht alle Produkte die aktuelle kosmetische Qualität behalten. Biologisch und pflanzlich ist nicht der einzige Weg zur Nachhaltigkeit.
Warum nicht?
Denn bei pflanzlichen Produkten muss man sehr genau darauf schauen, ob das nicht Monokulturen fördert. Wir müssen das aus dem Blickwinkel der Forschung anschauen.
Wie geht L’Oréal mit Palmöl, einer wichtigen Zutat in der Kosmetik, um?
Wir verwenden Palmöl, versuchen aber, dass die Menge nicht mehr steigt. Und wir kaufen nur zertifiziertes Palmöl. Was für uns auch sehr wichtig ist, sind die Derivate aus Palmöl, wie Glycerin oder Fettsäuren, Emulsionen. Das entspricht rund 71.000 Tonnen Palmöl im Jahr, das lässt sich nicht ersetzen. Aber wir wollen Transparenz. Daher haben wir 2014 ein großes Programm gestartet, um die Nachvollziehbarkeit dieser Palmöl-Derivate zu erreichen. Heute können wir mehr als 85 Prozent bis zur Ölmühle zurück verfolgen.
Warum nur bis zur Mühle?
Wenn Sie Indonesien oder Malaysia besuchen, werden Sie sehen, dass die Ölmühle zentral für die Palmölproduktion ist. Denn die Früchte müssen innerhalb von 24 Stunden in die Mühle. Die Mühlen müssen daher direkt neben den Plantagen stehen. Parallel dazu haben wir begonnen, mit lokalen NGOs zu arbeiten – in Malaysia und Sumatra – die sich um Kleinbauern kümmern. 40 Prozent der Palmölproduzenten sind Kleinbauern. Wir schulen sie, um weitere Rodungen zu vermeiden. 30.000 Kleinbauern arbeiten nun mit uns.
Kann der Verbrauch von Palmöl reduziert werden?
Wir haben den Verbrauch stabilisiert und suchen nach Alternativen. Dabei müssen wir vorsichtig sein. Denn wir wollen Palmöl nicht durch andere Pflanzen ersetzen, die noch viel schlimmere Folgen für die Umwelt haben.
Gibt es Alternativen?
Bis jetzt gibt es keine brauchbare Alternative zu Palmöl. Für Soja brauchen sie zehn Mal mehr Ackerfläche für dieselbe Menge an Öl.
Was kann man also tun?
Was wir tun, ist, unsere Formeln zu ändern. Das heißt: Unsere Kunden wollen ein Shampoo, das die Haare reinigt und schön erhält. Das müssen wir gewährleisten. Dazu brauchen wir viel Forschung, um gleiche Qualität mit nachhaltigen Inhaltsstoffen zu erreichen.
Lassen sich alle chemischen Zutaten überhaupt durch pflanzliche ersetzen?
Das ist natürlich problematisch. Ein Beispiel: das Quinoa-Extrakt. Wir haben herausgefunden, dass wir aus einem Nebenprodukt der Quinoa-Produktion dieses Extrakt sehr gut gewinnen können. Wir nutzen also etwas, das Abfall war.
Lässt sich das in großem Stil umsetzen?
Naja. Wir haben auf dieser Basis in Bolivien ein Nachhaltigkeitsprojekt mit den Bauern entwickelt. Diese Bauern haben wegen der steigenden Quinoa-Nachfrage ihre Anbauflächen ausgeweitet. Sie haben dafür alle anderen Pflanzen weggeschnitten. Die Folge war, dass das Land fast zur Wüste wurde. Wir versuchen nun, wieder lokale Pflanzen zwischen den Quinoa-Feldern anzubauen, um die Wüstenbildung zu vermeiden. Was wichtig ist, ist zu sagen: Es gibt Lösungen. Wir können aus Abfallprodukten wertvolle Inhaltsstoffe gewinnen und Biodiversität wieder zurück holen.
Sehen Sie eine Lösung, Kosmetik durchgehend nachhaltig zu machen?
Wir brauchen dafür viel Forschung, um herauszufinden, was Nachhaltigkeit wirklich bedeuten soll. Eines ist es jedenfalls nicht: alles biologisch und pflanzlich. Dafür gibt es nicht genug Rohstoffe. Und wir müssen den sozialen Aspekt beachten. Wenn man den Bauern nicht hilft, bessere Lebensbedingungen zu haben, wie können wir dann von ihnen verlangen, dass sie umweltfreundlicher arbeiten? Das heißt: wir Forscher haben noch viel zu tun.
Forschung für Klima und Umwelt
Laurent GilbertDer Leiter des Programms für nachhaltige Innovation und Forschung bei L’Oréal hat in Paris Physik und Organische Chemie studiert. Seine Karriere startete er beim französischen Pharmakonzern Rhone Poulenc. Dann wurde er in die Leitung des Rhodia US-Forschungszentrums berufen. 2002 kehrte er nach Frankreich zurück und begann bei L’Oréal, 2011 übernahm er die Leitung der angewandten Forschung des Kosmetikkonzerns.
L’Oréal-KonzernDer weltgrößte Kosmetikkonzern mit Sitz in Paris setzte 2018 mit 86.000 Mitarbeitern 26,9 Milliarden Euro um. Der Gewinn betrug 4,9 Milliarden Euro.
Zu L’Oréal gehören Marken wie Biotherm, Garnier, Kiehl’s, Cacharel und Vichy.
914 Millionen Euro wurden im Vorjahr in Forschung und Innovation investiert, 505 Patente
angemeldet. L’Oréal produziert in 40 Werken und ist insgesamt in 150 Ländern tätig
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