Kopf: "Bau und Tourismus trifft's zuerst"

Kopf: "Bau und Tourismus trifft's zuerst"
Der Konjunkturknick gefährdet vor allem Jobs von niedrig Qualifizierten. Das AMS setzt neue Schwerpunkte.

Die Trendwende am Arbeitsmarkt ist da, im September gab es erneut ein leichtes Plus bei den Arbeitslosen. Eigene Maßnahmen-Pakete wie 2009 hält AMS-Vorstand Johannes Kopf im Unterschied zur Politik noch nicht für nötig, er will aber das vorhandene Budget umschichten.

KURIER: Alle Prognosen rechnen mit steigenden Arbeitslosenzahlen im kommenden Jahr. Wie schlimm wird es aus Ihrer Sicht?
Johannes Kopf:
Unsere Prognosen gehen von 9000 zusätzlichen Arbeitslosen aus. Vorausgesetzt, es kommt zu keinen Sondereffekten im Zuge der Griechenland- und Eurokrise. Wir gehen aber nicht davon aus, dass die Betriebe Mitarbeiter in großem Stil abbauen werden wie 2009. Weil sie aber weniger Personal nachfragen, wird die Arbeitslosigkeit 2012 moderat ansteigen.

Wer wird vom Anstieg am stärksten betroffen sein?
Die niedrig Qualifizierten trifft es am stärksten, branchenmäßig zunächst den Bau und den Tourismus - je nachdem, wie hart der Winter wird - und bundesländermäßig wird es in Wien den höchsten Anstieg geben.

In Wien steigt im Gegensatz zu den anderen Bundesländern die Arbeitslosigkeit bereits seit einigen Monaten. Warum?
Neben dem geringen Industrieanteil kommen hier mehrere Effekte verstärkt zusammen: Die Ost-Öffnung, die bedarfsorientierte Mindestsicherung und das kürzere, einkommensabhängige Kindergeld. Dadurch strömten mehr Menschen in den Arbeitsmarkt.

Das AMS-Budget wurde im Vorjahr gekürzt, es gibt weniger Schulungen. Muss jetzt wieder aufgestockt werden?
Ich bin froh, dass wir im kommenden Jahr mit 980 Millionen Euro gleich viel Geld zur Verfügung haben wie heuer und daher nicht sparen müssen. In manchen europäischen Ländern wurde das Arbeitsmarkt-Budget kräftig gestutzt. Was die Schulungen anbelangt, so hatten wir im Vorjahr ein Sonderbudget dafür. Heuer bieten wir 7000 bis 8000 Kurse weniger an, 2012 wird es nur leicht zurückgehen.

Wird die Kurzarbeitsregelung wieder ein Thema?

Laut Experten von IHS und WIFO sind neue Extra-Pakete wie in der Rezession sowohl aus arbeitsmarktpolitischer als auch als budgetpolitischer Sicht derzeit kein Thema.

Die OECD kritisierte zuletzt, dass sich die Langzeitarbeitslosigkeit festigt. Müssen neue Maßnahmen her?
Ja, es wird eine Budget-Umschichtung in diese Richtung geben. Stärker im Fokus stehen Personen mit Migrationshintergrund, ohne abgeschlossene Berufsausbildung oder mit schulischen Defiziten sowie ältere Arbeitslose.

Worum geht es konkret?
Wir gehen mehr in Richtung Case Management, also umfassende Betreuung beim Berufseinstieg. Bei Langzeitarbeitslosen geht es ja nicht nur um mangelnde Qualifikation, sondern auch um andere Probleme wie Schulden etc.

Wird der erwartete Wirtschaftsabschwung den Fachkräftemangel lindern?
Kaum. Nur ein geringeres Wachstum reicht sicherlich nicht aus, um den Fachkräftemangel zu lösen.

Betriebe klagen, dass Arbeitslose oft gar nicht zu Bewerbungsgesprächen kommen oder den Job gar nicht haben wollen. Wird da nicht genug sanktioniert?
Man könnte sicher noch etwas bei den Zumutbarkeitsregeln tun, etwa bei der Mobilität. Man darf sich davon aber nicht zu viel erwarten. Betriebe wollen keine Mitarbeiter, die nicht motiviert sind.

Und was macht das AMS mit jenen, die bei der Jobsuche nicht motiviert sind?

Die nicht wollen? Wenn wir den Eindruck haben, sie bewerben sich nicht richtig, dann schicken wir sie zum Bewerbungstraining. Dabei geht es nicht nur ums Bewerbenlernen, sondern auch darum, es wirklich zu tun.

Zur Person: Johannes Kopf

Vorstandsduo
Johannes Kopf (37), Jurist und Absolvent des Europarecht-Postgraduade-Lehrgangs der Donau-Uni Krems, ist seit 2006 zweiter AMS-Vorstand neben Herbert Buchinger. Kopf war zuvor als Arbeitsmarktexperte in der Industriellenvereinigung (1999-2003) und im Kabinett von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (bis 2006) tätig.

AMS
Das Arbeitsmarktservice (AMS) ist in neun Landes- und 99 Regionalorganisationen gegliedert und beschäftigt rund 5400 Mitarbeiter, davon 18 Prozent Beamte. Zwei Drittel der Beschäftigten sind Frauen.

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