Konjunktur: Tigerländer zeigen Schwäche

Konjunktur: Tigerländer zeigen Schwäche
Brasilien, Russland, Indien und China - die Schnellläufer der Weltwirtschaft beginnen unter der Eurokrise zu leiden.

Lange haben die Tigerländer der Weltwirtschaft – Brasilien, Russland, Indien, China und neuerdings auch Südafrika, bekannt unter dem Kürzel BRICS – die Investoren mit Super-Wachstumsraten beglückt. Doch die Schuldenkrise in Euroland zieht auch diese Länder in Mitleidenschaft. Das Bild der erfolgreichen aufstrebenden Nationen bekommt Sprünge. Deutlich wird die neue Schwäche der Schwellenländer an der Abwertung der Landeswährungen. Der brasilianische Real, der russische Rubel und die indische Rupie haben gegenüber dem US-Dollar heuer deutlich verloren. Der chinesische Yuan zeigte sogar die stärksten Verluste seit der Abwertungsperiode 1994.

"Was die Rolle der BRICS als Wachstumstreiber betrifft, ist die größte Veränderung schon vorbei", urteilen die Experten der US-Investmentbank Goldman Sachs. Und sie sollten es wohl sehr gut wissen. Denn immerhin waren es "die Goldmänner", wie die Banker genannt werden, die 2001 den Begriff BRIC schufen. Tatsächlich zeigten die vier Ursprungs-Tigerstaaten eine unglaubliche Erfolgsstory: Ihre gesamte Wirtschaftsleistung hat sich in diesen zehn Jahren mehr als vervierfacht, ihr gemeinsamer Anteil an der Weltwirtschaft wuchs von acht auf fast 20 Prozent.

Doch jetzt scheint die Party beendet zu sein – oder zumindest eine Pause einzulegen. Anleger ziehen sich aus diesen Ländern zurück. Die Wirtschaftsmotoren stottern. In dieser Schwäche werden die tiefer liegenden Probleme der einzelnen Länder offenbar: Überalterung der Bevölkerung in Russland und China, Korruption und überbordende Bürokratie in Indien sowie hohe Schulden der Konsumenten in Brasilien.

Abhängig

"In der Krise zeigt sich, dass diese Staaten im Inland nicht genügend Finanzkraft aufbringen und daher die ausländischen Investoren brauchen", erläutert die Chef-Analystin des Private Banking der UniCredit, Monika Rosen-Philipp. Für die beiden Rohstoff-abhängigen Länder Brasilien und Russland ist vor allem der Rückgang des Ölpreises eine bittere Pille.

17 Prozent der russischen Wirtschaftsleistung hängen an den Öl- und Gaseinnahmen. Brasilien wiederum orientiert den Preis seines Exporthits "Bio-Treibstoff" am Erdöl. Das Land rechnet heuer mit nur 0,8 Prozent Wachstum, Russland immerhin noch mit einem Plus um 4,9 Prozent.

Indien bereiten wiederum das wachsende Handelsbilanzdefizit und die steigende Inflation Sorgen. Zudem schrumpft die inländische Nachfrage. Mit einer prognostizierten Wachstumsrate von 5,3 Prozent liegt das Land weit hinter seinen früheren Boomjahren. China bleibt unter den BRICS-Staaten mit voraussichtlich 8,1 Prozent die Wachstumslokomotive. Diese verliert derzeit allerdings auch an Dampf. Im zweiten Quartal ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt um 7,6 Prozent gewachsen. Von solchen Raten können andere Staaten zwar nur träumen, für China ist das aber der schwächste Wert seit drei Jahren. Das Land setzt auf eine Stärkung des Inlandskonsums. Allerdings drückt der Verfall der Hauspreise den Wohlstand der Mittelklasse.

Vorübergehend

Für Peter Varga, Fondsmanager der Erste Sparinvest, ist die Konjunkturabkühlung in den BRICS-Ländern nur ein vorübergehendes Phänomen. "Das Wachstum war rasant. Jetzt gibt es eine Konsolidierung. Aber der Trend nach oben ist nicht gebrochen", ist Varga überzeugt. Denn in diesen Ländern gebe es enorme Investitionsmöglichkeiten – vor allem in der Infrastruktur. Und das bringe Chancen für Firmen und Anleger. Mit tieferen Zinsen versuchen sich auch die Schwellenländer, dem globalen Abschwung zu entziehen. Brasilien, die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt, hat erst in der Vorwoche die Leitzinsen auf das Rekordtief von acht Prozent gesenkt. Ein paar Tage davor hatte auch China die Geldpolitik weiter gelockert.

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