Komfortabel, aber ohne Vision
Er kommt alljährlich so verlässlich wie das Christkind: Der Jammer über grün-braune Hänge zum Start in die Skisaison. "Der Klimawandel ist drastische Realität", sagt Sepp Schellhorn, Abgeordneter der Neos und Hotelier in Salzburg. Die Regierung fehle aber eine zentrale Tourismusstrategie, Konzepte für schneearme Winter gebe es genauso wenig wie eine kontinuierliche Tourismusforschung.
Bund mit Bauern
Sein Vorschlag: Die AMA Marketing, die unter anderem Gütesiegel für Back- oder Fleischwaren aus handwerklicher Fertigung, für Bio-Ware oder Direktvermarkter aus der Landwirtschaft vergibt – soll künftig gemeinsame Sache mit der Österreich Werbung (ÖW) machen. Das Landwirtschaftsministerium soll also seine Aktivitäten mit dem Wirtschaftsministerium verschränken, das für Tourismus zuständig ist. In der Praxis wohl nicht ganz einfach umsetzbar, dennoch wesentlicher Teil von Schellhorns Konzept "Lebensraum 2030". Die Grundidee darin ist, dass sich Hoteliers, Wirte, lokale Produzenten und Kultureinrichtungen stärker vernetzen. Als Vorbild nennt Schellhorn die italienische Toskana, die sich als Chianti-Region international in Szene setzt.
In Österreich gibt es wenige Vorzeige-Regionen. Eine davon ist das steirische Vulkanland, zu dem sich – über Bezirksgrenzen hinweg – 33 Gemeinden zusammengeschlossen haben. Der Markenwert der Region, die unter anderem Kulinarik und Handwerk aus der Region vermarktet, wird mit 11,5 Millionen Euro beziffert.
Doppelgleisigkeiten
Traditionell kocht in Österreich aber jeder sein eigenes Süppchen. Die Branche ist föderal organisiert, geworben wird auf fünf Ebenen: Hotels, Gemeinden, Tourismusdestinationen, Länder und die ÖW machen unabhängig von einander Stimmung für Urlaub in Österreich und geben dabei insgesamt rund 480 Millionen Euro im Jahr aus. Auch hier sieht Schellhorn Ineffizienzen. "Wir haben zumindest eine Ebene zu viel. Entweder wir stärken die ÖW und bringen die Landwirtschaft ein oder wir setzen auf einen Wettbewerb unter den Landestourismusorganisationen. Dann müssen wir uns fragen, wozu wir die ÖW noch brauchen." Das Thema poppt seit Jahren in regelmäßigen Abständen auf – ohne Ergebnis.
Apropos Ergebnis: Auf dem Papier schaut die Tourismusbilanz sehr gut aus. Im Zeitraum Jänner bis Oktober 2016 kamen um 5,4 Prozent mehr Gäste nach Österreich als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Sowohl die Nächtigungszahlen als auch die Einnahmen der Branche legten um fünf Prozent zu, so der Branchenbericht der Bank Austria.
Der Erfolg ist aber nicht hausgemacht. Einerseits haben Terrormeldungen aus sonst beliebten Ferienzielen die Urlauberströme umgelenkt – etwa von der Türkei nach Österreich. In Deutschland und den Niederlanden, den wichtigsten Urlaubernationen Österreichs, wächst die Wirtschaft und damit die Reiselust. Und – last but not least – spielte auch das Wetter den Vermietern in die Hände. Wie lange der Erfolg währt, ist umstritten.Das Urlaubsverhalten ändert sich, damit auch die durchschnittliche Aufenthaltsdauer.
Stress mit Kurzurlaub
Diese ist seit den 1980er-Jahren von 6,2 auf zuletzt 3,6 Tage bei ausländischen und 2,9 Tage bei inländischen Gästen gesunken. Um die Auslastung der Betten zu halten, müssen Hotels heute um 30 Prozent mehr Gäste empfangen als noch vor 20 Jahren, haben die Tourismusberater von Kohl& Partner errechnet. Vom Trend zu Kurztrips profitieren vor allem die Städte – die eine gute Fluganbindung haben. Sie entwickeln sich seit Jahren viel besser als ländliche Regionen.
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