Klimawandel und Airlines: „Brauchen neue Technologien“

Klimawandel und Airlines: „Brauchen neue Technologien“
Peter Malanik, Chef des Luftfahrtverbandes, über Billig-Tickets, CO2-Emissionen und die Einführung einer Kerosinsteuer

KURIER: Die Luftfahrt wird im EU-Wahlkampf besonders heftig als -Verursacher kritisiert und die Besteuerung des Treibstoffs verlangt. Die ganze Welt diskutiert den Klimawandel, aber Airlines zahlen keine Abgabe auf Kerosin. Das ist doch nicht vertretbar, oder?

Peter Malanik: Die Befreiung von der Mineralölsteuer wird öfters als Privileg der Luftfahrt bezeichnet. Das stimmt aber nicht. Denn der Zweck der Mineralölsteuer ist es, die Verkehrsinfrastruktur – also Straßen – zu bezahlen. Die Luftfahrt finanziert aber ihre Infrastruktur am Boden und in der Luft selbst und direkt. Mehr noch: Die Fluginfrastruktur zahlt Steuern und erzielt Gewinne, die an oft staatliche Eigentümer abgeliefert werden. Die Diskussion ist alles andere als sachlich. Nicht nur Grüne, auch EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber fordert, die Airlines in den Handel mit Emissionszertifikaten einzubeziehen.

Was spricht dagegen?

Gar nichts, denn der Luftverkehr ist als einziger Verkehrsträger ohnehin bereits Teil des Zertifikatehandels. Derzeit noch europaweit, ab 2021 weltweit. Da war Herr Weber schlecht informiert. Und mehrere Staaten, auch Österreich, haben eine Luftverkehrsabgabe in unterschiedlicher Höhe. Diese Ticketsteuer wurde mit dem ökologischen Etikett eingeführt.

Trotzdem, die niedrigen Ticketpreisen sind doch ökologisch ein Wahnsinn.

Lufthansa-Konzernchef Spohr hat bei der letzten Hauptversammlung gesagt, Tickets um 9,90 Euro sind unökonomisch, unökologisch und unverantwortlich.

Wäre eine Kerosin-Steuer das Aus für die Billigtickets?

Nein, diese Preise sind jetzt schon nicht kostendeckend und ausschließliche Marketingmaßnahmen.

Klimawandel und Airlines: „Brauchen neue Technologien“

Auch Billig-Airlines müssen Tickets um 9,90 Euro aus den Marketingbudgets subventionieren

Wie kalkulieren Low-Cost-Carrier eigentlich ihre Preise?

Die Kosten der günstigsten Anbieter wie beispielsweise die ungarische Wizz Air liegen bei rund vier Cent pro Sitz-Kilometer. Bei einem 1000-Kilometer-Flug in einer Maschine mit angenommen 100 Sitzplätzen müssen also mindestens 40 Euro pro Sitz und Richtung erlöst werden, um kostendeckend zu sein. Können aber einige Sitzplätze, etwa in der Business und/oder in der teuersten Economy-Klasse zu einem höheren Preis verkauft werden, sagen wir zwischen 500 und 700 Euro, wären die gesamten Kosten für den Flug bezahlt. Dann könnte die Airline die restlichen Sitze theoretisch sogar verschenken.

Die 9,90-Euro-Tickets werden also aus dem Marketingbudget subventioniert?

Wie Airlines ihre Marketingbudgets verbraten, ist eine Frage ihrer Strategie. Ob mit billigen Tickets, mit TV-Spots und Zeitungswerbung oder Großplakaten auf dem Weg zum Flughafen.

Aber wenn der Ölpreis steigt, dann müssen alle Airlines an der Preisschraube drehen.

Als der Rohölpreis 2008 doppelt so hoch war wie jetzt, hatte das auf die Struktur des Pricings kaum Auswirkungen. Die Preise wurden nur dort erhöht, wo die Nachfrage unflexibel war. Die erhoffte, die Nachfrage dämpfende Wirkung einer Kerosinbesteuerung würde es also nicht spielen.

Aber irgendwas muss die Luftfahrt doch tun, um ihre Emissionen zu senken. Es gibt auch die Forderung, Ticketpreise unter 100 Euro ganz einfach zu verbieten.

Wollen wir wieder zurück in die Zeiten, als Fliegen ein Privileg der Wohlhabenden war? Oder wollen wir vielleicht die Flüge pro Person und Jahr kontingentieren? Dann sind wir bei der kommunistischen Planwirtschaft, das kann doch in einer liberalen Gesellschaft niemand wollen.

Wo liegt die Lösung dann?

In neuen Technologien. Luftfahrt und Industrie müssen sich dringend gemeinsam auf neue Technologien konzentrieren.

E-Mobilität in der Luft?

Das kann nur für den kurzen Nahverkehr funktionieren, etwa mit Drohnen vom Flughafen in die City. Ein Kilo Kerosin hat so viel Energie wie 70 Kilo Batterie. Selbst wenn die Batterien noch wesentlich effizienter werden, wären wir bei großen Flugzeugen vermutlich erst in 50 Jahren soweit. Das ist natürlich viel zu spät.

Was ist realistischer?

Synthetischer Treibstoff aus und Wasser. Wird dieser hundertprozentig nachhaltig aus erneuerbaren Energien produziert, wäre der Antrieb völlig -neutral, würde aber das Vier- bis Fünffache des Kerosins kosten. Werden nur 60 Prozent -neutral produziert, wäre dies fast zum selben Preis wie Kerosin möglich.

Was hindert die Luftfahrt daran?

Tja, das frage ich mich manchmal auch. Aber die Fluggesellschaften sind eben sehr auf ihr Kerngeschäft Fliegen konzentriert und die Politik hat sich ausschließlich auf E-Mobilität festgelegt. Alles andere wird ignoriert. Aber weil drei Viertel der Weltbevölkerung noch nie geflogen sind, steht uns noch lange Wachstum bevor. Dafür brauchen wir -verträgliche Lösungen. Und die gibt es nur mit neuen Technologien und erheblichen Investitionen von allen – Airlines, Airports und Luftraumkontrolle. Die Luftfahrt will diese Diskussion ja führen, wir wollen die Lizenz für weiteres Wachstum. Die Mittel zum Investieren wegzubesteuern, wäre da völlig kontraproduktiv.

Karriere

Der Jurist Malanik, 57, hat mehr als 27 Jahre Airline-Erfahrung. Bei der AUA war er zuletzt fünf Jahre lang im Vorstand, drei Jahre davon als Co-Vorstandsvorsitzender. In der Branche werden seine fachliche Expertise und seine diplomatischen Fähigkeiten sehr geschätzt.  Malanik hatte hohe Positionen in der Association of European Airlines, beim weltweiten Airlines-Dachverband IATA und in der Eurocontrol.  Nach der AUA stieg er als Aktionär beim Personalberater Neumann ein und wechselte 2016 als Senior Partner zu Korn Ferry International.   Heute ist er selbstständiger Berater, Aufsichtsratschef des Flughafen Klagenfurt und Investor. Seit 2018 ist Malanik Präsident des österreichischen Luftfahrtverbandes.

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