Kika/Leiner-Sanierer Reinhold Gütebier arbeitet seit seiner Lehrzeit in der Möbelbranche. Aus seiner Sicht sind wir aktuell in der größten Krise seit den 1950er-Jahren.
17.08.22, 14:44
Reinhold Gütebier ist ein Menschenfreund. Merkt man auch daran, dass er zum Interview mit sieben Mitarbeitern ins Palais Auersperg kommt. Im KURIER-Gespräch wirkt der 69-Jährige besorgt: Er spricht über die Krise, schlechte Sommergeschäfte und abgedrehte Klimaanlagen.
KURIER:Herr Gütebier, seit wir zuletzt geredet haben, ist viel passiert. Reinhold Gütebier: Das war im Februar, als wir ein Küchenstudio in der Wiener Innenstadt eröffnet haben. Dann begann allerdings die Krise in der Ukraine und plötzlich hat die Kriegsangst eine Rolle gespielt.
Die Pandemiejahre 20/21 waren für Ihre Branche keine Krise. Aber jetzt ist es schwierig. Stimmt, die Pandemie war keine Krisenzeit. Die Möbelbranche hat in der Coronazeit sogar profitiert. Man war viel zu Hause, hat sich neu eingerichtet. Wir waren uns aber alle im Klaren: Wenn die Reiserei wieder beginnt, weil die Leute wieder raus können, dann werden wir Federn lassen müssen. Und so ist es auch passiert.
Also kein Sommer nach Ihren Vorstellungen.
Kann man so sagen. Wir haben damit gerechnet. Aber zur Reisezeit kommen noch anderen Faktoren, wie die Kostenexplosion. Da ist es verständlich, dass die Menschen sagen, warten wir ab, was da auf uns zukommt. Wir gehen davon aus, dass wir erst zum Ende des Jahres, zur dunklen Jahreszeit, wieder zufriedenstellende Zahlen erwirtschaften können.
Vielleicht haben die Menschen in der Pandemie so viele Möbel gekauft, dass sie jetzt keine mehr brauchen.
Es sind mit Sicherheit Investitionen vorweggenommen worden. Aber zu sagen: „Herrgott noch mal, irgendwann müssen doch alle eingerichtet sein“ – das war noch nie so, und dahinter darf man sich auch nicht verstecken.
Sie sind Zeit Ihres Lebens in der Möbelbranche. Sind Höhen und Tiefen nicht normal?
Nein. In all den Jahrzehnten war es nie so extrem wie jetzt. Ich bin Jahrgang 1952 und so eine gewaltige Krise gab es bisher nicht. Zum ersten Mal geht es nicht mehr bergauf. Weil wir so eine Zusammenfassung von mehreren Problemen noch nicht hatten. Die Inflation, die Kostenexplosion, die Energiekrise, eine gewisse Kriegsangst in Sachen Ukraine, die Pandemie und dann auch noch die Hitzewellen. Wer will schon bei 35 Grad einkaufen?
In Ihren Möbelhäusern ist es doch sicher angenehm kühl.
Nun, auch wir müssen Energie einsparen. 15 Prozent Reduktion – da gehen wir mit gutem Beispiel voran. Wir versuchen, in den Häusern die Beleuchtung zurückzunehmen. Und Klimaanlagen nur laufen zu lassen, wenn es besonders warm ist, also in der Mittagszeit. Unsere Energiekosten werden sich verdoppeln bis verdreifachen. Wir müssen sparen.
Viele Unternehmen kämpfen mit Lieferproblemen und mit einem Mitarbeiterschwund. Wie geht es Ihnen damit?
Die Lieferthematik hat sich deutlich verbessert. Aber was Mitarbeiter betrifft, da muss man sich neu aufstellen. Ich glaube, Mitarbeiter suchen heute wesentlich mehr Wertschätzung. Das ist das Zauberwort. Und man muss darüber nachdenken, ob es nicht für die Zukunft in der Möbelbranche eine Vier-Tage-Woche braucht. Denn wir verlieren gute Mitarbeiter, wenn wir das nicht bieten.
Ihr Traum ist eine Expansion von Kika/Leiner nach Deutschland. Wie sieht es damit aus?
Das haben wir, bedingt durch die Krise, zurückgestellt. Das wäre jetzt der falsche Schritt. Aber es ist nicht von der Tagesordnung. Ich gehe davon aus, dass diese Krise noch das eine oder andere Jahr anhält. Dann muss man weitersehen.
Sie sagen von sich selbst, Sie sind kein typischer Sanierer, Was macht Sie denn anders?
Ich bin ein Verkäufer und ich brauche die Menschen. Ich bin gern auf der Fläche und arbeite gerne mit den Mitarbeitern. Mir ist es in die Wiege gelegt, dass ich Menschen für eine Sache begeistern kann. Und ich glaube, das ist ganz wichtig im Handel.
Sie lieben die Menschen, haben Sie deshalb diesen Job angenommen?
Ja, ich habe hier auch soziale Verpflichtungen. Und wenn es Probleme gibt, dann muss man die anpacken. Durchhänger darf es nicht geben.
Kika/Leiner
2018 übernahm Rene Benkos Signa, Reinhold Gütebier restrukturiert seither. Vier Standorte und zwei Logistikzentren wurden geschlossen, die Mitarbeiter um 700 auf 4.200 reduziert.
Reinhold Gütebier
Ist 69 Jahre alt, war Leistungssportler (Fußball) und ist seit seiner Lehre in der Möbelbranche. Zuvor war er 22 Jahre bei Segmüller, einem großen, deutschen Möbelhaus tätig.
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