Zweifache Sub-auspiciis-Ärztin: „Auch ich hatte Misserfolge“

Zweifache Sub-auspiciis-Ärztin: „Auch ich hatte Misserfolge“
Medizinerin Susanne Scheipl hat gleich zwei Doktortitel mit der raren Auszeichnung. Jungen Frauen will sie Vorbild sein.

KURIER: Sie sind in der Zweiten Republik erst die Neunte, die gleich zwei Doktorate „sub auspiciis“ abgeschlossen hat. Haben Sie das angestrebt?

Susanne Scheipl: Nein, das geht nicht. Wenn man immer anstrebt, ein „Sehr gut“ zu bekommen, wird man nie fertig. Auch bei meinem zweiten Studium der Medizinischen Wissenschaft war der Erfolg nicht von Anfang an klar. Erfolgreiche Forschung hängt von vielen Faktoren ab: von sich selbst, vom Team, vom Thema. Nicht jede Hypothese bestätigt sich. Und selbst wenn alles stimmt, ist manchmal knapp vor Schluss ein anderes Labor schneller. „Glück ist, was passiert, wenn Vorbereitung auf Gelegenheit trifft“ hat ein Kollege in meiner Laudatio Seneca zitiert. Das gefällt mir gut.

Wie haben Sie sich über all die Jahre zum Lernen motiviert?

Lernen hat mir schon als Kind Spaß gemacht. Ich hatte immer den Ehrgeiz, den Dingen auf den Grund zu gehen, sie zu verstehen. Wenn ich in der Schule einmal ein Detail nicht gewusst habe, aber die großen Zusammenhänge verstanden hatte, haben Prüfer das meistens honoriert. Ich habe zum Glück immer engagierte Lehrer gehabt, die Interessen und Begeisterung geweckt und Wissen verständlich vermittelt haben. Auch der Rückhalt von Familie und Freunden war wichtig.

Liegt das Erfolgsgeheimnis in der Leidenschaft für Medizin oder hätten Sie auch vorstellen können, etwas Anderes zu studieren?

Schwer zu sagen. Einerseits war ich immer an Naturwissenschaften interessiert, andererseits aber auch an Sprachen. Ich habe als Schülerin bei Literaturwettbewerben mitgemacht und auch einige gewonnen. Ebenso die Lateinolympiade. Ich denke, dass die Medizin die Spur gut zusammenführt. Auf der einen Seite braucht es hier das naturwissenschaftliche Interesse, auf der anderen Seite soziale Komponente, ein kommunikatives Talent und Fremdsprachen.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen sagte bei Ihrer Auszeichnung „Wissenschaft ist heute international oder sie ist nicht“. Ist unser Bildungssystem dafür ausreichend gewappnet?

Universitäten fördern heute Mobilität, schreiben Stipendien aus, in der Schule werden Fremdsprachen stärker gewichtet. Da reagiert das Bildungssystem gut. Es ist ein Prozess, der in den vergangenen zehn bis 15 Jahren begonnen hat und den man noch stärker ausbauen kann und soll. Wichtig ist, die im Ausland geknüpften Netzwerke auch zu pflegen, zu vertiefen. Hier wäre ein Ausbau der Forschungsförderung wünschenswert.

In Ihrer Disziplin Orthopädie waren Frauen lange Exotinnen. Hängen akademischer Ehrgeiz und der Wille, sich unter Männern zu beweisen, zusammen?

Dass man sich da als Frau umso mehr beweisen muss, ist keine Frage. Ob Noten Männer beeindrucken, weiß ich nicht. Die männlichen Kollegen waren und sind sehr wertschätzend. Etliche kamen zu meiner Promotion. Heute gibt es neben mir noch eine Oberärztin in unserer Abteilung. Auch in der Unfallchirurgie gibt es zwei Oberärztinnen.

Mit Ihrer Oberärztin aus dem Turnusjahr sind Sie noch in Kontakt. Wie wichtig sind Mentorinnen?

Sehr. Besagte Oberärztin ist inzwischen eine gute Freundin. Meine Dissertationsbetreuerin hat mich wissenschaftlich gefördert und meinen Wunsch, ins Ausland zu gehen, bestärkt. Ebenso die Vize-Rektorin der Med-Uni Graz. Meine Chefin in England war mir Unterstützerin und Vorbild. Gerade für Frauen in Medizin oder männlich-dominierten Wissenschaften sind weibliche Vorbilder wesentlich. Das will ich für junge Kolleginnen sein. Ich bewundere die, die es für mich waren.

Was raten Sie jungen Medizinstudentinnen? Was sagen Sie ihnen, wenn eine Prüfung danebengeht?

Ich würde ihnen raten, von Anfang an selbstbewusst zu sein. Aber man darf, wenn es dann hart wird, auch nicht kneifen. Und man darf sich nicht scheuen, Hilfe zu suchen, Mentoren und Mentorinnen aktiv anzusprechen. Eine aktive Karrieregestaltung und -planung ist etwas, das ich Frauen überhaupt anrate. Ich selbst bin zwar nie bei einer Prüfung durchgefallen, aber auch ich hatte Misserfolge. Bei diesem schwierigen Forschungsprojekt in England gab es Phasen, wo wenig geklappt hat. In dieser Situation nicht aufzugeben, das kennzeichnet einen erfolgreichen Menschen.

Bei so viel Lernen muss die Freizeit doch fast zu kurz kommen. Was entgegnen Sie dem Vorurteil, „sub auspiciis“-Ausgezeichnete seien fade Streber?

Da muss man mich einfach kennenlernen (lacht). Keine Frage, vor den großen Prüfungen war die Vorbereitung sehr zeitintensiv. Aber insgesamt, denke ich, habe ich mein Studentenleben gelebt. Ohne Feiern und privaten Ausgleich wird man ja frustriert und verzweifelt. Ein befreundeter Kollege aus London hat mir zur Promotion eine Fahrt mit einer Stretch-Limousine nach Wien geschenkt. Wir haben gebührend gefeiert.


Zur Person: Nach Humanmedizin schloss die Grazerin, geboren 1979, nun auch Medizinische Wissenschaft „sub auspiciis“ ab. Ihre Dissertation „Novel Therapeutic Targets for Chordoma“ schrieb sie während eines stipendiumfinanzierten, mehrjährigen Forschungsprojekts unter Betreuung der angesehenen Krebsforscherin Adrienne Flanagan am University College London. Um "sub auspiciis" abzuschließen, müssen Uni-Absolventen von der Oberstufe bis zur Promotion Bestnoten vorweisen und mit dem Studium in angemessener Dauer fertig geworden sein.

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