Zwei mit Mut zur Wurst

Zwei mit Mut zur Wurst
Der rollende Hotdog-Stand "Hildegard Wurst" hat ein festes Dach über dem Kopf.

Zwei ältere Männer stehen vor der großen Auslage und lehnen mit beiden Händen am Glas, um besser hineinzusehen. Sie runzeln die Stirn, beraten kurz und betreten schließlich "Hildegard Wurst". "Was verkaufen Sie hier eigentlich?", fragt einer der beiden skeptisch. "Hotdogs" lächelt ihn Matthias Hofer hinter der großen Holztheke an. "Sind die gut?", fragt er. "Wir bemühen uns", antwortet Hofer bescheiden. Der Mann hält kurz inne. "Na dann machen Sie mir doch mal zwei." Wenige gekonnte Handgriffe später nehmen sie im 22 Quadratmeter großen Laden Platz am Fenster. Sie kosten, beraten sich wieder und – sie lächeln.

Binnen zehn Minuten verkaufen die Geschäftspartner Leonie Mayer-Rieckh, 32, und Matthias Hofer, 34, sechs Hotdogs – der kleine Laden ist voll. Im Hintergrund spielt Jazz, es riecht nach Essiggurkerl, Würstchen und Zimt und erinnert an alte New Yorker Imbissläden. Die Gründer lächeln, plaudern mit den Gästen, beraten über Zutaten, streuen noch ein bisschen extra Cheddar-Käse über die Mayonnaise. Mayer-Rieckh und Hofer sind stolz auf ihr im Dezember eröffnetes Deli.

Hildegard ist schon zwei

Doch die gemeinsame Geschichte der Gründer beginnt nicht erst mit vergangenen Dezember. Mayer-Rieckh und Hofer sind mit "Hildegard Wurst" vor zwei Jahren die Mitbegründer der Wiener Foodtruck-Szene. Mit einem kleinen, speziell angefertigten Mopedauto, einer Piaggio Ape 50 touren sie seitdem durch Städte und Events, um die würzigen US-Hotdogs unter die Menschen zu bringen. "Von der Geschäftsidee bis zum ersten großen Auftrag hat es nur sechs Monate gedauert", schüttelt Mayer-Rieckh heute ungläubig den Kopf.

Die weiche Frankfurter (mittlerweile auch vegan im Angebot) im süßlichen, weichen Brötchen mit gerösteten Zwiebeln, Sauerkraut oder auf Wunsch Chili, kommt bei den Österreichern sichtlich gut an und das mobile Imbiss-Business gedeiht. Doch die Winter in Österreich sind lang. Fällt Schnee und peitscht der Wind, haben nicht einmal die Kunden Spaß an der Wurst zum Mitnehmen. Man setzt in der stillen Zeit vermehrt auf Catering. Dennoch: als Überbrückung in den kalten Monaten braucht es eine "Homebase", beschließen sie.

Kapital hierfür liefern zum einen die Erträge aus zwei Jahren mobilem Stand (bald verkaufen sie den 50.000 Hotdog – zu je drei bis vier Euro), den Rest schießt die Bank zu. Schnell finden sie das passende Geschäft und "Hildegard Wurst" bekommt in der Operngasse 23 in Wien im Dezember ihr erstes Zuhause.

Die Wege zur Wurst

Haben Mayer-Rieckh und Hofer während der Gründung neben Arbeit auch noch Bett und Tisch geteilt, konzentrieren sie sich heute nur noch auf das Berufliche. Mayer-Rieckh sammelte vor "Hildegard Wurst" erste Job-Erfahrungen in der Berliner Filmbrache und fand, zurück in Wien, nicht den passenden Job. Auch Hofer fühlte sich in seinem Mode-Beruf nicht mehr gefordert. "Die Idee zu einem amerikanischen Hotdog-Stand war immer schon da, wir haben uns nur gewundert, warum das keiner macht. Dann ist die Zeit gekommen, es einfach selber zu wagen", sagt Hofer. "Wir dachten: Jetzt, mit 30, können wir noch ein letztes Mal mutig sein", lacht Mayer-Rieckh.

Warum aber entscheidet man sich bei all der Konkurrenz von Würstelständen und Kebab-Buden für noch einen Fast-Food-Laden? "Uns ist bewusst, dass wir hier nicht das Rad neu erfinden. Aber wir machen trotzdem etwas, das fehlt. Wir sind doch anders und versuchen, was wir machen in seiner besten Form zu präsentieren", sagt Hofer. "Wir haben schon anfangs schnell gemerkt: es kommt gut an, das hat Potenzial. Und jetzt, zweieinhalb Jahre später, möchten wir weiter expandieren." Mayer-Rieckh: "Uns schwebt demnächst Franchise vor – das geht mit dem Laden jetzt auch viel besser als mit dem Moped."

1. Glaube nicht, dass man sich Teilzeit selbstständig machen kann. Die eigene Idee zu verfolgen ist sehr einnehmend und erfordert neben vollster persönlicher Hingabe auch noch sehr viel Zeit. Wir wollten „Hildegard Wurst“ zu Beginn auch nur „halb“ angehen, haben dann aber schnell gemerkt, dass das so nicht funktioniert.

2. Jede Idee dauert bis zu ihrer Verwirklichung, man muss dafür viel Zeit einplanen und sich in Geduld üben. Zu Beginn hat man vielleicht noch den Neulingsbonus, aber man muss am Boden bleiben, wachsam sein und einen langen Atem haben.

3. Mutig sein, drei Rufzeichen. Es ist wichtig, sich nicht zu sehr abschrecken zu lassen. Man soll sich schon Rat von Experten holen. Aber auch die können mal im Unrecht sein oder sich irren. Wenn man nicht an deren Vorschläge glaubt, muss man lernen, auf sein Bauchgefühl zu hören und sein Ding durchzuziehen. Uns hat man etwa vor zweieinhalb Jahren ganz von unserem Projekt abgeraten – man darf sich also nicht gänzlich abschrecken lassen.


4. Kennt man mal sein Geschäft, weiß man, wann es gut läuft. In den guten Monaten sollte man mehr arbeiten, um für die schlechten Monate vorzusorgen.

5. Wir haben uns nur das Notwendigste aus unseren Erträgen herausgenommen. Was an Geld übrig bleibt, sollte jedenfalls zur Seite gelegt werden, man sollte es sich nicht als großes Gehalt auszahlen und dann ausgegeben. Denn auf jeden Unternehmer wartet ja bekanntlich die SVA-Nachzahlung. Also immer einen Puffer weglegen.

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