Zwei Generationen auf engem Raum
Der Naschmarkt hat nicht mehr viele Institutionen. Stand Nummer 46 ist eine. Ein Generationengeschäft, in dem die jungen Brüder Thomas und Daniel Urbanek bedienen, und – geringfügig – ihr Vater Gerhard. Auf dreizehn Quadratmetern unterhalten sie in der Greißlerei die Kunden. Das Spezialitätengeschäft mit Schinken, Wurst, Käse und Wein lebt von der hohen Qualität. Das Roastbeef soll das beste der Stadt sein. Auch der Schmäh von Vater und Söhnen ist legendär.
KURIER: Wie macht man sich zur Institution?
Gerhard Urbanek: Unser Grundsatz war immer, nur beste Qualität. Anthony Bourdain, der berühmte Koch aus New York, war bei uns und hat gesagt: "Listen boy, at first comes the quality, then the jokes and then the poems". So halten wir das hier.
Seit wann sind die Söhne im Geschäft?
Thomas Urbanek: Der Thomas musste schon als Schulbub aushelfen, wie sich das gehört in einem Familienbetrieb. Da wird man schon von Anfang an eingespannt.
War es klar, dass Sie beide hier einsteigen? Einsteigen müssen?
Thomas Urbanek: Nein, überhaupt nicht. Mein Bruder hat Wirtschaft studiert, ich Werbung und wollte eigentlich Pilot werden. Aber gegessen und getrunken wird immer, also ist das eine gute Alternative. Ich dachte: Pfeif auf die Werbebranche, die war damals ohnehin am Sand.
Wenn der Vater an die Söhne übergibt, wie schwierig ist das?
Gerhard Urbanek: Das ist ganz einfach, man muss nur lockerlassen. Nach 46 Dienstjahren bin ich sofort in Pension gegangen, mit 60. Heute bin ich nur noch geringfügig beschäftigt – aber wie Sie sehen immer noch da.
Wie sehr redet der Vater noch im Geschäft mit?
Thomas Urbanek: Ja, das kann man ihm nicht nehmen. Ich sage es ungern in der Öffentlichkeit, aber er ist für den Erfolg verantwortlich. Es gibt nur mehr wenige alte, erfolgreiche Betriebe am Naschmarkt.
Gerhard Urbanek: Wir ergänzen uns!
Thomas Urbanek: In Wahrheit hat jeder seine Klientel, die er bevorzugt und anzieht. Bei der Produktkunde kann meinem Vater niemand was vormachen, der hat zig Jahre das Geschehen im Lebensmittelbereich mitbekommen und weiß, was gut ist.
Was darf man verändern an so einem Geschäft? Würden Sie sich trauen, zu modernisieren?
Gerhard Urbanek: Ich sage, nichts darf verändert werden, der Budencharakter muss erhalten bleiben.
Thomas Urbanek: Ich glaube, die Qualität muss im Vordergrund stehen und der Schmäh muss rennen – das war damals so und ist es auch heute. Innovationen finden bei den Produkten statt, die Geschäftsphilosophie bleibt immer gleich.
Wie werden neue Dinge besprochen – setzt sich da der Familienrat zusammen?
Thomas Urbanek: In Wahrheit macht man einfach. Wir sind zu dritt – wenn wir uns uneins sind, wird abgestimmt – das geht dann jedenfalls zwei zu eins aus.
Es gibt kein letztes Wort vom Seniorchef?
Thomas Urbanek: Nein.
Gerhard Urbanek: Und Betriebsrat gibt es auch keinen.
Was schauen sich die Söhne von Ihrem Vater ab?
Thomas Urbanek: Die Frisur nicht. Aber die Gabe, mit Menschen umzugehen schon.
Gerhard Urbanek: Das ist wichtig. Wenn jemand unfreundlich ist, sollte er keinen Laden haben. Ein Kunde muss sich willkommen fühlen.
Und wo sind die Frauen in diesem Betrieb?
Gerhard Urbanek: Zu Hause bei den Kindern. Es würde auch nicht passen in einem Geschäft, dass die eigenen Frauen dabei sind.
Ist so ein Geschäft Fluch oder Segen für die Söhne?
Thomas Urbanek: Ich seh’ das total als Segen. Wer hat das schon?
Gegründet hat das bekannte Greißlergeschäft der Bruder 1960, Gerhard Urbanek übernahm ein paar Jahre später „den Konzern“, nachdem er seine Lehre bei „Konsum“ (Supermarkt) und das Bundesheer absolviert hatte. Seither hat sich der Urbanek am Naschmarkt, Stand 46, zu einem der besten Spezialitätengeschäfte Wiens entwickelt. Und zu einem Treff für die Society, die hier abends und Samstag Vormittag einkauft, isst und trinkt. Gerhard Urbanek übergab vor rund zehn Jahren an seine beiden Söhne Thomas und Daniel. Beide Söhne und der Vater schupfen den Laden seither gemeinsam.
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