Xing-Chefin Petra von Strombeck: "Wir stehen am Anfang eines Tsunamis"

Xing-Chefin Petra von Strombeck: "Wir stehen am Anfang eines Tsunamis"
Wie sich der Recruiting-Prozess ändert und Firmen überhaupt noch Mitarbeiter bekommen, erklärt New Work SE-Chefin Petra von Strombeck.

Flexibilität, digitale Kommunikation, neue Anforderungen an das Recruiting: Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels müssen sich Unternehmen zunehmend überlegen, wie sie  die neuen Ansprüche der  Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfüllen. 

KURIER: Frau von Strombeck, Ihr Unternehmen trägt das Schlagwort New Work schon im Namen. Wie sieht es denn in Ihrem Konzern damit aus?
Petra von Strombeck: Wir leben New Work tagtäglich bei uns im Unternehmen und das nicht erst seit der Pandemie.  Im Kern konzentrieren wir uns auf das Thema Kultur – unser Anspruch  ist es, unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Umfeld  zu bieten, in dem sie sich entfalten können und Kommunikation auf Augenhöhe stattfindet. 

Das hört sich toll an. Aber was bedeutet das in der Praxis?
Viele Menschen setzen New Work mit Homeoffice gleich. Dabei ist das doch viel mehr. Das ist Kommunikation, das ist ein Menschenbild auf Augenhöhe. Auch der Aspekt Transparenz spielt eine Rolle. Wir haben beispielsweise vor etwa drei Jahren eine unternehmensweite Gehaltstransparenz eingeführt,  mit der wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befähigen wollen, ein aufgeklärtes Gehaltsgespräch zu führen. Ähnlich ist es auch mit unserem Mood-o-meter.

Mood-o-meter? Das müssen Sie erklären.
 Es handelt sich um ein Tool,  mit dem wir auch in der Zeit des Homeoffice auf kommunikativer Ebene transparent bleiben wollten. Konkret geben wir dabei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit, die für sie aktuell wichtigen Fragen zu stellen. Die anderen können dann abstimmen, ob diese für sie ebenfalls wichtig sind. Die Top Zehn  werden  jede Woche von uns als Vorstand beantwortet. Aktuell  sind es vor allem Fragen zur Höhe der Inflation und inwiefern diese bei den nächsten Gehaltsfestlegungen berücksichtigt wird.

Xing-Chefin Petra von Strombeck: "Wir stehen am Anfang eines Tsunamis"

New Work SE-Chefin Petra von Strombeck

Sie wurden im Mai  2020 CEO von New Work – mitten in der Pandemie. Wie haben Sie als bekennende Bürogängerin die vergangenen Jahre erlebt?
Grundsätzlich hat das Arbeiten von zuhause aus bei uns sehr gut funktioniert. Aber für mich persönlich war es natürlich schwierig, eine Firma durch bewegte Zeiten zu steuern, ohne dass man seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter persönlich sieht.  

War das auch der Grund, warum Sie ihre Büros in Wien und Hamburg neu gestaltet haben: Damit ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch nach der Pandemie gerne ins Büro kommen und Sie sie öfter sehen?
Jein. Es stimmt, wir haben in Hamburg und in Wien neue Büros bezogen. Haben diese aber völlig anders gestaltet, als wir es vor der Pandemie getan hätten. Wir haben etwa weniger Schreibtische, weil wir davon ausgehen, dass viel weniger Menschen gleichzeitig die Büros nutzen werden. Und wir haben viel mehr Flächen für Zusammenarbeit geschaffen. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter muss es sich lohnen, ins Büro zu kommen. Wir bieten etwa auch Events, einen Gesundheitscheck und Ähnliches. Und so schaffen wir es, die Menschen wieder zurückzuholen.

Fachkräftemangel und Wechselbereitschaft machen Unternehmen sehr zu schaffen. Und es sind Entwicklungen, die künftig nicht einfacher werden.

von Petra von Strombeck

Dann sind Sie weiter als  manch  andere Unternehmen. Viele haben nicht nur Probleme, ihre Mitarbeiter zurück ins Büro zu holen, sondern solche überhaupt zu bekommen oder zu halten.
Der Fachkräftemangel und die hohe Wechselbereitschaft macht den Unternehmen zu schaffen. Und das sind Entwicklungen, die in der nahen Zukunft nicht einfacher werden. 

Sie wissen das  für sich zu nutzen: Mit Marken wie XING oder Kununu legen Sie   Fokus auf das B2B-Geschäft, positionieren sich als Recruiting-Partner der Unternehmen.
Der Bereich ist unser größter Wachstumstreiber. Wir erleben ja auch gerade den Anfang eines Tsunamis, wenn wir bedenken, dass wir in den kommenden Jahren im DACH-Raum fünf Millionen unserer Arbeitenden verlieren werden. Das sind über zehn Prozent. Wir beschweren uns bereits jetzt über einen Fachkräftemangel, aber das, was da noch kommt, das wird unglaublich sein. In solch dynamischen Märkten ist es natürlich toll, ein Geschäftsmodell zu haben, mit dem wir Recruiting in allen Facetten anbieten können. 

Wie schaffen es Unternehmen, überhaupt noch Mitarbeiter zu bekommen?
Es geht nicht nur um New Work, sondern auch um New Hiring. Sich heute  wochenlang auf eine Bewerbung nicht zu melden, geht nicht, weil der Bewerbende in dieser Zeit vermutlich schon drei andere Angebote auf dem Tisch hat. Es braucht heute enorm schnelle Prozesse und eine Kommunikation auf Augenhöhe mit dem Kandidaten. Der Bewerbende muss heute König sein, sonst sieht man als Unternehmen schnell alt aus. 

New Work SE hat sich auf die Fahnen geheftet, Talente und Unternehmen zusammenzubringen und dabei die Unternehmenskultur in den Vordergrund zu stellen. Spielt Letztere im Recruiting-Prozess wirklich eine derart große Rolle?
Weniger im Recruiting-Prozess, spätestens wenn es dann aber darum geht, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter  zu behalten. Und genau da kommen wir ins Spiel. Wir sitzen auf den Daten von 21 Millionen Xing-Nutzern, wissen, wofür sich diese interessieren. Zusätzlich haben wir noch die Daten unserer Unternehmensbewertungsplattform Kununu, wir wissen also, was welches Unternehmen bietet und ob dies zu einem Talent passen könnte. Was wir machen, ist Matchmaking, wir sind praktisch eine Partnervermittlung zwischen Jobsuchenden und Firmen. Und genau da heben wir uns auch von anderen Plattformen und Netzwerken ab. 

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