WorldSkills 2019: Was Österreich an der Weltspitze hält
Von 22. bis 26. August traten 46 jungen Fachkräfte aus Österreich gegen 62 weitere Länder auf den WorldSkills in Kazan an. Am Ende kehrte Team Austria mit sechs Mal Gold, fünf Mal Silber, ein Mal Bronze und 17 Medaillons for Excellence zurück. Was hält Österreichs Fachkräfte an der Weltspitze?
Die Luft in Halle D kann man schneiden. Es ist warm, Lackgeruch mischt sich mit dem Duft frischgebügelter Stoffe. Die Zuseher drängen sich um die Maler-Arbeitsinsel. Die letzte Minute des sechstägigen Wettbewerbs läuft an. Den Salzburger Stefan Planitzer tangiert der Trubel nicht. Er trägt Ohrstöpsel, bleibt fokussiert.
Pinsel eintunken, Farbe abstreifen, sanft ansetzen – tausende Male hat er diese Bewegungsabfolge gemacht. 5,4,3,2,1 – mit dem Bimmeln der Kuhglocke fallen die Teilnehmer der anderen Länder ihren Trainern in die Arme, jubeln. Maler Planitzer bleibt seiner Routine treu: Zuerst wird der Arbeitsschritt zu Ende geführt. Und dann umarmt.
Österreicher holt Gold und wird "Best of Nation"
Einige Hallen weiter der Schock: In den letzten Wettkampfminuten bricht dem oberösterreichischen Steinmetz Sebastian Wienerroither das Werkzeug weg. Weil er es reparieren muss, bekommt er extra Arbeitszeit. Der Jubel der bereits fertigen Teilnehmer lässt die Halle beben, Wienerroither beweist Nervenstärke und behält neun weitere Minuten eine ruhige Hand am Kalkstein. Dann ist auch seine Zeit um.
Tröstend klopft ihm der Trainer auf die Schulter. Am Ende wird es aber doch ein Treppchenplatz – sogar Silber. Maler Stefan Planitzer holt Gold und darf sich als heimische Fachkraft mit den meisten Punkten im Bewerb sogar „Best of Nation“ nennen. Bei den 45. WorldSkills, den Berufsmeisterschaften für unter-22-jährige Fachkräfte, flossen in den vergangenen Tagen Schweiß und Tränen.
Die 1.400 Teilnehmer aus 63 Ländern durchlebten ein Wechselbad der Gefühle. Im russischen Kazan stellten sie in 56 Berufen ihr Können unter Beweis. Österreich schickte mit sieben Frauen und 39 Männern das größte Team seit Beginn der Teilnahme 1961. Angetreten ist es in 41 Berufen.
Der Wunsch des Teams war es, den Erfolg der World-Skills 2017 in Abu Dhabi zu toppen – elf Medaillen waren es damals. Er ging in Erfüllung: sechs Mal Gold, fünf Mal Silber, ein Mal Bronze und 17 Medaillons for Excellence waren es diesmal.
Siegerehrung mit Präsident Putin
Überhaupt waren es bislang die größten WorldSkills. Gastgeber Russland wollte beeindrucken: Eine Viertel Million Menschen besuchte das Messegelände, das eigens für das sechstägige Event erbaut wurde, die Eröffnung und Siegerehrung ähnelten Dimensionen von Olympischen Spielen, selbst Russlands Präsident Wladimir Putin beehrte sie.
Immer mehr Länder finden es spannend, sich in Berufen zu messen. Russland oder Korea etwa trainieren ihren Nachwuchs gezielt auf solche Bewerbe hin. Österreichische Fachkräfte haben die Lehre als Startvorteil – die duale Berufsausbildung bereitet sie bestens auf die Aufgaben vor.„Der Weg ist trotzdem ein langer“, sagt Johannes Fraiss, offizieller Delegierter der SkillsAustria.
„Viele arbeiten schon seit der Lehre daran, einmal hier zu stehen.“ Mit Trainern und Unterstützung ihrer Betriebe – Österreichs Teilnehmer sind alle berufstätig – kämpfen sie sich sukzessive durch Landes- und Staatsmeisterschaften, bis hin zu den Europa- oder eben Weltmeisterschaften.
Training, Disziplin, Talent
Wie das aussieht? Floristin Julia Leitgeb etwa trainierte intensiv seit Dezember 2018. Ihr Betrieb Blumen Andrea unterstützte sie dabei: „Ich wurde für alle Trainingstermine und Treffen freigestellt.“ Bei den Skills hatte sie neun Aufgaben innerhalb von 18 Stunden zu lösen. „Vier davon waren Überraschungsarbeiten“ – Arbeiten, auf die man sich nicht gezielt vorbereiten kann.
Hier zählen Talent und Training. „Meinen Erfolg kann ich überhaupt nicht einschätzen“, sagt sie vor der Preisverleihung. Am Ende wird sie Weltmeisterin. Weltmeister Stefan Planitzer, bei Malermeister Gautsch beschäftigt, investierte mehr als 1.000 Arbeitsstunden, verzichtete zudem auf Alkohol und Koffein. „Der Wettbewerb ist auch Kopfsache. Da geht’s einem mal besser, mal schlechter. Mit mentaler Stärker ist es einfacher, drüber zu stehen“, sagt der 20-Jährige.
Sein Trainer Michael Tobisch – auf sein Konto gehen acht Maler-Weltmeister – 2007 wurde er selbst einer – ist streng mit dem Fachkräfte-Nachwuchs. „Im Training lernt man mit Stresssituationen umzugehen, Fehler zu machen und dadurch besser zu werden. Bei der heurigen Aufgabe gab es 24 Maßpunkte auf zwei Metern Fläche, da muss man auf plus minus einen Millimeter genau sein.“
Seine Schützlinge lernen Präzision, die über das bloße Auge hinausgeht. „Und wenn einer sagt, das schafft er nicht, zeige ich ihm selber, dass es geht.“ Dass das Niveau und der Druck hier groß sind, zeigt die Drop-out-Rate: „Ein Drittel der Bewerber schafft die Aufgaben gar nicht“, sagt Bundeslehrlingsbeauftragter der Maler, Roland Janda.
Ex-Teilnehmer profitieren langfristig
Wer sie jedoch schafft und reüssiert, sei jedenfalls am Radar der besten Arbeitgeber, sagt der 25-jährige Möbeltischler Manfred Zink. 2015 wurde er in São Paulo Weltmeister.
Ob sein Gehalt danach ebenfalls vergoldet wurde? „Es gab ein paar Zuckerl“, grinst er. „Am meisten habe ich aber von den Kontakten profitiert.“ Floristin und 2014-Europameisterin Birgit Haberschrick, bestätigt: „Mit der Goldenen hast du viele Jobangebote.“
WorldSkills machen Lehre attraktiv
Ihren Nachwuchs beim Bewerb zu fördern, sei auch für heimische Unternehmen eine Chance: „Wir haben heuer um zwei Prozent mehr Ausbildungsbetriebe und drei Prozent mehr Lehranfänger. Eine Teilnahme bei den Berufsweltmeisterschaften ist eine tolle Werbung für die Arbeitgeber“, sagte WKÖ-Vizepräsidentin Martha Schultz, die die Teilnehmer in Kazan begleitete.
Während in Russland die Abbauarbeiten laufen, wird 2.500 Kilometer weiter westlich schon an den nächsten Berufsmeisterschaften gefeilt: Die EuroSkills finden vom 16. bis 20. September 2020 in Graz statt.
Zwar soll es die bisher größte Berufs-EM werden, an die Dimensionen von Kazan wird man aber nicht herankommen, sagt Vorstandsvorsitzender der EuroSkills Graz 2020 und Wirtschaftskammer-Steiermark-Präsident Josef Herk. Das macht nichts: „Wir haben zwar keine größeren Hallen. Dafür größere Herzen.“
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