Wo ist die Arbeit?

Johannes Kopf, Vorstand des Arbeitsmarktservice und Arbeitsminister Alois Stöger geben Antwort zum Arbeitsmarkt.
"Es sind derzeit nicht genügend Jobs für die Menschen vorhanden", sagen AMS-Chef Johannes Kopf und Arbeitsminister Alois Stöger. Hinzu komme eine anhaltend schwache Konjunktur, die den Arbeitsmarkt belastet.

1. Die Arbeitslosenquote ist die höchste seit 60 Jahren. Was ist das Problem?

Johannes Kopf: "Hauptursache ist sicher die Wachstumsschwäche der letzten fünf Jahre, verbunden mit einem massiven Anstieg des Arbeitskräftepotentials. Daneben haben wir aber auch strukturelle Probleme auf unserem Arbeitsmarkt, so suchen viele Unternehmen derzeit qualifizierte Arbeitskräfte, etwa die Hälfte aller Arbeitssuchenden hat jedoch nur die Pflichtschule besucht."

Alois Stöger:Europa hat ein anhaltend schwaches Wirtschaftswachstum. Gleichzeitig steigt bei uns das Arbeitskräfte-Angebot: mehr Frauen, Ältere und Menschen aus EU-Staaten suchen Jobs. Dazu kommt: die Anforderungen steigen. Beinahe die Hälfte aller Arbeitslosen hat aber nur Pflichtschulabschluss – für sie ist es besonders schwierig.“

2. Gleichzeitig waren noch nie so viele Menschen in Beschäftigung. Ist einfach nicht genug Arbeit vorhanden?

Johannes Kopf: "Nein, leider nicht für alle. In den letzten Jahren ist die Menge an Menschen die arbeiten wollen, vor allem durch Zuwanderung aus dem EU Raum massiv gestiegen, durch Pensionsreformen und verbesserter Kinderbetreuung haben wir aber auch mehr ältere Menschen und mehr Frauen auf unserem Arbeitmarkt."

Alois Stöger: „Seit 2010 sind mehr als 220.000 Arbeitsplätze zusätzlich entstanden. Aber das Arbeitskräftepotenzial steigt. Es ist also einerseits nicht genug Arbeit vorhanden, andererseits muss man die Frage stellen, wie Arbeit verteilt ist. Stichwort: 250 Millionen Überstunden, Teilzeitjobs und Arbeitslosigkeit.“

3. Ältere, Migranten, Ungebildete finden besonders schwer einen Job: Kann man das ändern? Wie?

Johannes Kopf: "Die Förderungen des AMS - wie zum Beispiel Qualifizierungen oder auch Lohnzuschüsse - können dieses Ungleichgewicht zum Teil ausgleichen. Am wichtigsten wären jedoch Maßnahmen, die zu einer Konjunkturbelebung führen, davon würden auch die genannten Zielgruppen profitieren können."

Alois Stöger: „Bei gering Qualifizierten durch Bildung. Bei den Älteren ist einiges gelungen: Während vor etwa zehn Jahren 30 Prozent der 55- bis 64-Jährigen in Beschäftigung waren sind es mittlerweile etwa die Hälfte. Aber auch hier müssen wir noch mehr erreichen.“

4. Was macht den österreichischen Arbeitsmarkt aus Ihrer Sicht speziell?

Johannes Kopf: "Da gibt es viele Elemente, etwa: die starke Saisonkomponente, unsere duale Ausbildung, oder, dass wir nur eine Großstadt haben. Das im Vergleich relativ hohe Lohnniveau verbunden mit einer starken Belastung des Faktors Arbeit erschwert die Beschäftigung Unqualifizierter."

Alois Stöger: „Der österreichische Arbeitsmarkt ist hochdynamisch – im Durchschnitt wird beinahe jedes zweite Dienstverhältnis einmal im Jahr neu begründet. Das gibt besonders vielen Personen die Chance, neu oder nach Unterbrechung wieder in einen Beruf einzusteigen.“

5. Welche politische Maßnahme kann den Arbeitsmarkt stimulieren?

Johannes Kopf: "Eine deutliche Lohnnebenkostensenkung. Ihre Gegenfinanzierung ist jedoch nicht einfach und politisch höchst kontroversiell."

Alois Stöger: „Öffentliche und private Investitionen, die die Konjunktur und die Kaufkraft stärken, sind erwiesenermaßen das beste Rezept für den Arbeitsmarkt.“

6. Orten Sie in den heimischen Unternehmen eine Aufbruchstimmung?

Johannes Kopf: "Das Klima hat sich meines Erachtens deutlich verbessert. Ich vermute, wir haben schon mehr Wachstum, als uns die Forscher sagen. Es bräuchte noch konkrete Konjunkturmaßnahmen, um das Vertrauen und die Investitionen zu unterstützen."

Alois Stöger: "In einigen konjunktursensiblen Branchen wie Produktion oder Bau sinkt die Arbeitslosigkeit, das zeigt eine gewisse Aufbruchstimmung. Stärken könnte das ein New Deal mit Maßnahmen zur Konjunkturbelebung, wie vom Bundeskanzler angekündigt."

7. Wann wird die Arbeitslosenrate sinken?

Johannes Kopf: "Es würde mich nicht wundern, wenn wir noch heuer einzelne Monate mit leicht rückläufiger Arbeitslosigkeit sehen. Für die nächsten zwei, drei Jahre erwarten wir jedoch auch wegen der zusätzlich auf den Arbeitsmarkt kommenden asylberechtigten Menschen wieder steigende Arbeitslosenzahlen."

Alois Stöger: „Nachhaltig sinken wird die Arbeitslosenrate erst dann, wenn die Konjunktur in Österreich bzw. in ganz Europa wieder stärker anzieht, es mehr Wachstum gibt. Die meisten Wirtschaftsforscher denken, dass dies noch ein bis zwei Jahre dauern könnte. Ich meine: Je früher, desto besser.“

8. Was raten Sie einem Menschen ohne Arbeit?

Johannes Kopf: "Das hängt stark von der Dauer der Arbeitslosigkeit, der Qualifikation und anderen Rahmenbedingungen ab. Generell gilt aber: wer schneller und flexibler ist, hat die besseren Chancen."

Alois Stöger: „Nicht aufgeben, sich aktiv umschauen, alle Chancen für den Wiedereinstieg nutzen! Welche Maßnahmen am besten sind, hängt von der Situation der Betroffenen ab – das AMS hilft!“

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