"Wir sitzen alle im selben Boot"
Verstauben hat man die Uni Wien in den 650 Jahren ihrer Existenz nicht lassen, zum gefeierten 650-Jahr-Jubiläum hat sich die Alma Mater Rudolphina auf Hochglanz poliert. Doch hinter der Fassade gibt es Baustellen und Unzufriedenheiten über veraltete Strukturen. Rektor Heinz W. Engl stellt sich den Zukunftsfragen.
Wird es die Uni Wien im Jahr 2665 noch geben?
Heinz W. Engl: Ich vermute ja. Aber wie sie ausschauen wird, das ist Kaffeesudlesen, bei der heutigen Geschwindigkeit der Entwicklung. Andererseits: Die Universität ist neben der Kirche die einzige Institution, die in ihren Grundprinzipien relativ stabil geblieben ist: Studierende zu bilden, entlang von Forschung – das ist wohl auch die Zukunft. Auch wenn sich viel verändert, etwa mit den MOOC.
Wird die Uni Wien auf den Online-Trend in Zukunft stärker setzen?
Wir planen nicht, ganze Curricula online anzubieten. Warum das in den USA so boomt, liegt an der dortigen Kostenstruktur. Was wir schon tun und weiter intensivieren wollen ist, stark belegte Präsenzlehrveranstaltungen durch elektronische Medien noch mehr zu unterstützen.
Die Uni Wien steht auf dem ehemaligen Exerzierplatz. Sie wollen den Vorplatz neu gestalten, die Uni zugänglicher machen. Ein Symbol für Ihre Bekenntnis zum freien Hochschulzugang?
Die Universität ist aber kein Exerzierplatz. Der freie Hochschulzugang ist in Österreich ein Prinzip, zu dem wir uns bekennen – wenn die Finanzierung ausreichend ist, um ihn zu realisieren. Wir wollen unseren Studierenden beste Bedingungen geben, aber wir haben da ehrlich Probleme.
Zum Thema Finanzen: Robert Seiringer vom gut finanzierten IST sagte: „Wir sind keine Konkurrenz zu den Unis ...“ Wie sehen Sie das?
Das IST ist etwas ganz anderes. Sie haben eine tolle Finanzierung, können sich die Studierenden aussuchen. Ich würde mir mehr Kooperation wünschen. Trotz schwieriger Bedingungen ist die Uni Wien ebenbürtiger Partner, der aber nebenbei – unter Anführungszeichen – noch Tausende Studierende ausbildet.
Studenten ausbilden? Nebenbei?
Nebenbei habe ich jetzt vielleicht gesagt, aber es ist natürlich nicht nebenbei. Studierende sind Hauptexistenz-Zweck einer Universität.
Wie ist das Verhältnis der Uni Wien zu den Studierenden?
Mit den Studierendenvertretern der ÖH haben wir einen Jour fixe und sind in einem offenen, produktiven Diskurs. Der Entwicklungsplan für die nächsten Jahre wurde eben im Senat einstimmig genehmigt und da sind auch vier Studierende Mitglied.
Das Verhältnis zu den Studierenden war nicht immer gut: Rektoratsbesetzung im April 2012, WEGA-Einsatz, Strafanzeigen. Wie entspannt begegnen Sie aufmüpfigen Studierenden?
Aufmüpfig sein gehört dazu. Regeln des Miteinanders auch. Ich war auch einmal Studentenvertreter.
Haben Sie besetzt?
Nein. Und es gab auch keine Anlässe.
War die Universität früher demokratischer? Wie viel können Studierende heute mitbestimmen?
Früher war es eine Antragsdemokratie an das Ministerium. Heute sind nicht mehr Abstimmungsverhältnisse entscheidend, sondern wie man in einer Entscheidungsvorbereitung seine Meinung einbringen kann. Da haben wir einiges positiv verändert. Man kann eine Universität nicht führen durch vier, fünf Leute die glauben, alles besser zu wissen. Man muss auf alle Ideen hören. Das versuchen wir. Die Studierenden sitzen in allen Arbeitsgruppen mit drinnen. Ich wäre manchmal froh, wenn von ihren Vertretern konkrete Anliegen kämen und es nicht im Allgemeinen bliebe. Freier Unizugang, Finanzierung – da ist der Ansprechpartner das Ministerium, da sitzen wir alle in einem Boot.
Wie präsent ist das Ministerium? Hätten Sie lieber mehr Freiheit?
Es ist mir in meiner Amtszeit noch nie passiert, dass sich das Ministerium in inneruniversitäre Entscheidungen eingemischt hätte.
Hat die Eingliederung des Wissenschafts- in das Wirtschaftsministerium etwas verändert?
Bisher nein. Das kann aber unter einem anderen Minister anders sein.
Der Rektor
Heinz W. Engl, geboren 1953 in Linz, studierte Mathematik und promovierte sub auspiciis Praesidentis. 1992 bis 1999 war er Leiter des Christian-Doppler-Labors für Mathematical Modelling,1994 bis 2003 Mitglied des Kuratoriums und Referent des FWF. Seit Oktober 2011 ist er Rektor der Universität Wien. Diese feiert eben ihr 650-Jahr-Jubiläum und ist damit die älteste und mit 91.898 Studierenden und 9703 Mitarbeitern die größte Universität im deutschsprachigen Raum. Das „Times“-Ranking der besten Universitäten sieht die Uni Wien auf Rang 182.
Das Resümee des Teams nach zwei Jahren Zusammenarbeit: „In jedem politischen Job gibt es frustrierende Momente. Doch die Highlights machen diese wett. Die Expertise siegt schließlich.“ Vom 9. bis 21. Mai wird an den heimischen Hochschulen eine neue Exekutive gewählt.
„Es braucht eine Ausfinanzierung der Hochschulen“
„Die Wissenschaft wird zunehmend ökonomisiert“
„Offene Baustellen gibt es viele“
„Berufsausbildung oder Bildung?“
Die Studierendenvertreter
Viktoria Spielmann studiert Politikwissenschaft und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Hauptuni. Die 28-Jährige ist ÖH-Vorsitzende.
Florian Kraushofer, 23, ist zweiter stellvertretender Vorsitzender der ÖH und macht den Master in Technischer Physik an der TU Wien.
Julia Freidl, 26, ist als Generalsekretärin im ÖH-Vorsitzteam aktiv. Bald hat sie den Master in Volkswirtschaftslehre an der WU Wien in der Tasche.
Bernhard Lahner macht derzeit seinen Master in Bildungswissenschaften an der Hauptuni. Der 30-Jährige ist stellvertretender Vorsitzender.
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