Wir brauchen mehr Mut

Wir brauchen mehr Mut
Mut ist eine geschätzte Tugend, nach der sich viele sehnen. Doch Mutigsein bedeutet nicht, sich Hals über Kopf in Abenteuer zu stürzen. Im Gegenteil.

Mitarbeiter sind mitunter unmotiviert, melden sich krank, verlassen die Firma und Kunden sind eben auch unzufrieden. Alles nicht ungewöhnlich, sagen viele Führungskräfte. Sie zementieren den Status quo ein, schauen gekonnt weg und bedienen sich der miesen wirtschaftlichen Lage als Erklärung.

Bodo Janssen war mit seinem Unternehmen Upstalsboom, einem Betreiber von Hotels und Ferienwohnungsanlagen, vor sechs Jahren an eben diesem Punkt. Doch er schaute nicht weg, er führte eine Mitarbeiterbefragung durch. Das Ergebnis war vernichtend: Schuld an der hohen Fluktuation und der Unzufriedenheit war die Führung. Er selbst. Janssen ging ins Kloster. Als er zurückkehrte krempelte er das Unternehmen komplett um – trotz aller Unkenrufe. Von jetzt an ging es nicht mehr um Profit und Auslastung. Ein mutiger Weg für einen Unternehmer.

Vermisste Tugend

Mut ist eine Tugend, die verehrt wird und vermisst wird – bei anderen und bei sich selbst. Soll man die Stoßrichtung ändern, wenn die Ergebnisse nicht stimmen? Soll man den Job kündigen, wenn er keine Freude macht? Soll man sich widersetzen, wenn der Chef verlangt, gegen die eigene Ethik zu handeln? Dem Kollegen, der gemobbt wird, zur Seite stehen? Dem Firmeneigentümer sagen, dass er auf einem Irrweg ist?

Der Preis für Mut kann hoch sein: Ein berufliches Leben in Isolation oder eine schwere Niederlage. Viele erstarren bei dem Gedanken, gerade in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit. Dabei ist ein neuer Weg oft überfällig: Laut einer aktuellen Allianz-Studie ist ein Drittel der österreichischen Berufstätigen mit dem Job unzufrieden.

Um dieser auf Dauer unerträglichen Situation zu entkommen, muss man nicht gleich todesmutig in den Kampf reiten, wie Revolverheld John Wayne. Er sagte: "Mut ist, wenn man Todesangst hat, aber sich trotzdem in den Sattel schwingt." Von eben diesem kopflosen Mut rät Psychoanalytikerin Rotraud A. Perner ab. "Mut ist viel mehr die Kraft, sich zu erheben und aktiv zu werden, um etwas zu verändern. Aber unter wohlbedachtem Abwiegen der Risiken." Bei Mut ginge es viel mehr darum, Innezuhalten, die Bedingungen zu erkennen, den neuen Weg gut vorzubereiten und dann überlegt zu handeln. "Ich muss wissen, was ich kann, eine Vision haben und prüfen, ob sie realisierbar ist. Dann stehe ich auch dazu, wenn mich andere deswegen verspotten", sagt Perner, die soeben ein Buch mit dem Titel Mut im Amalthea Verlag veröffentlicht hat.

Zeit der Pessimisten

Mutlosigkeit wird fast täglich beklagt, derzeit bei der Steuerreform, der Bildungsreform, bei Innovationen, bei Standpunkten, bei der Flüchtlingsdebatte. Die Folge ist, dass unter Rahmenbedingungen wie diesen nur noch die wenigsten Unternehmenslenker an Wirtschaftswachstum glauben, wie die aktuelle CEO Survey vom Wirtschaftsberater PwC zeigt. Nur mehr 27 Prozent der CEO rechnet mit einer Verbesserung des globalen Wachstums in den kommenden zwölf Monaten – im Vorjahr waren es noch 37 Prozent. Und von den österreichischen CEO, für die es erstmals eine Detailauswertung gab, glauben aktuell 31 Prozent an globales Wirtschaftswachstum 2016. Wenigstens haben noch 44 Prozent der österreichischen CEO Vertrauen in das eigene Unternehmen. "Es geht um die Mutlosigkeit jener, die die Rahmenbedingungen gestalten", sagt Aslan Milla, Senior Partner bei PwC Österreich.

Wir brauchen mehr Mut
Interview mit dem Unternehmer Bodo Janssen in Wien am 13.11.2014.
Bodo Janssen hat sich von Rahmenbedingungen nicht beeindrucken lassen. Er ist soeben von einer Reise aus Ruanda zurückgekehrt. 20 Mitarbeiter waren mit ihm eine Woche in dem ostafrikanischen Staat, um eine Schule zu eröffnen, die von Upstalsboom finanziert wird. Kurz davor war er mit acht Lehrlingen am höchsten Berg Afrikas, dem Kilimandscharo. Janssen versteht seine Führungsrolle seit seinem Kurswechsel als Aufgabe "Menschen zu ermutigen etwas zu tun. Ich stehe jeden Tag auf, um glückliche Menschen zu sehen. Dafür kann ich die Rahmenbedingungen schaffen. Über den Rest mache ich mir keine Gedanken." Für den Kurswechsel brauchte er Mut. Darüber schreibt er in seinem neuen BuchDie stille Revolution. Er sagt: "Wenn man weiß, was einem wichtig im Leben ist, erlangt man Klarheit und den Mut, dazu zu stehen." Sein Lohn: verdoppelte Umsätze, hohe Produktivität und zufriedene Mitarbeiter. Überzeugende Argumente, auch für jene, die seine Worte als pathetisch abtun.

KURIER: Werden alle Menschen mutig geboren?
Rotraud A. Perner:
Nein. Wir haben eine natürliche Wehrkraft, aber sich zu wehren, ist nicht gleich mutig. Mut ist bewusst, es ist ein Abwägen zwischen den Möglichkeiten sich anzupassen oder zu sich selbst zu stehen und auf Anpassung zu verzichten. Mut ist die Kraft sich zu erheben und aktiv zu werden, um etwas zu verändern – aber eben nur unter wohlbedachter Abwägungen der Risiken.

Sind manche Menschen mutiger als andere?
Nein. Mit dem Wort Mut wird oft Schindluder getrieben. Es gibt risikofreudige Menschen, aber sie sind nicht unbedingt mutig. Auch Mut im heldischen Sinn, dass man das tut, was der General fordert, ist falsch interpretiert. In den Tod zu laufen, ist nicht mutig. Dieses hierarchische Gefüge haben wir auch in der Arbeitswelt: Es gibt ein Heer von Befehlsempfängern und ein paar, die vom Hügel oben kommandieren.

Ist es in wirtschaftlich trüben Zeiten schwieriger, mutig zu sein?
Viele Mitarbeiter machen heute widerspruchslos, was verlangt wird – auch gegen die eigene Gesundheit und Ethik. Wer in einem Umfeld arbeitet, wo ständig der Handlungsmut und Lebensmut niedergemacht werden, sollte darüber nachdenken, den Arbeitgeber zu wechseln. Das erfordert Mut. Aber es geht nicht darum, alles hinzuschmeißen. Das ist nicht mutig, sondern unvernünftig und kopflos. Mut besteht darin, innezuhalten, abzuwägen, sich vorzubereiten und dann die Kraft aufzubringen, einen Schritt zu setzen.

Ist Mut trainierbar?
Natürlich. Man muss in die eigene Biografie gehen und überlegen, wie man retrospektiv anders hätte handeln wollen. Hätte man überhaupt Alternativen gekannt? Kennt man jemanden, der in einer ähnlichen Situation anders gehandelt hat? Wir lernen an Vorbildern. Aber die fehlen uns oft oder wir haben die falschen. Wir denken, jemand ist mutig, nur weil er sich etwas traut, was wir uns selbst nicht trauen. Dabei üben die Menschen oft nur die primitivste Form des Kampfes aus, sie trommeln und plustern sich auf. Aber wahre Macht ist: Wenn man in Balance ist, seine Kraft nicht herausbrüllt, sondern in sich ruht, hat man viel mehr Wirkung.

Wird man im Alter weniger mutig?
Eher weniger neugierig und weniger motiviert, Neues zu probieren. Die Gefahr besteht darin zu sagen, es zahlt sich eh nicht mehr aus – der Verlust der Vision. Man braucht eine Vision im Beruf: Der Schneider braucht die Vision, wie das fertige Produkt aussehen soll, eine Bank die Vision vom zufriedenen Kunden – nicht nur die Vision einer Bilanz, die die Eigentümer zufrieden stellt. Das Problem im Alter ist, dass viele keine Energie mehr von Familie, Freunden, Kollegen bekommen, ihnen niemand bei der Entwicklung einer Vision beisteht. Dann wird man kraftlos und mutlos.

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