Sie stützen sich auf die Wissenschaft der positiven Psychologie. Was besagt diese?
Alle Menschen streben Zufriedenheit an, auch wenn diese unterschiedlich ausgelegt wird. Die positive Psychologie erhebt die gemeinsamen Komponenten, die immer relevant sind.
Welche wären das?
Zunächst geht es um die Grundhaltung, wie mit Rückschlägen oder Feedback umgegangen wird und wie selbstbestimmt man sein darf. Einer der größten Faktoren der Unzufriedenheit ist das Gefühl, nicht mitentscheiden zu können. Dass ein Wandel passiert und man mitmachen muss, obwohl man gar nicht möchte.
Mit mehr Entscheidungskraft werden Mitarbeiter also kooperativer?
Verkündet ein Geschäftsführer, dass das Unternehmen im nächsten Jahr um 10 Prozent wachsen möchte, hat für gewöhnlich keiner Bock darauf. Die Frage ist, warum? Das Spannende ist nämlich, dass jeder einzelne Mensch schon Lust auf Wachstum und Weiterentwicklung hat.
Trotzdem bekommen Arbeitgeber, wenn sie neue Aufgaben verteilen, oft die Rückmeldung „Ich werde ja nicht dafür bezahlt.“
Wir tauschen unsere Arbeitsleistung gegen ein Einkommen, hier findet eine Transaktion statt. Wird ein Unternehmen rein transaktionell geführt und vom Arbeitnehmer eine neue Leistung gefordert, wird dieser auch eine höhere Entlohnung verlangen. Komme ich aber auf eine Beziehungsebene, ermögliche Menschen, sich mit ihrer persönlichen Weiterentwicklung zu beschäftigen und Stärken einzubauen, dann haben wir beobachtet, dass Mitarbeiter auch gerne die Extrameile gehen. Ist aber die Grundhaltung des Unternehmens, dass ein Angestellter mit seinem Gehalt ausreichend wertgeschätzt ist, stellt sich die Frage, warum außerhalb des Arbeitsvertrages Einsatz gezeigt werden sollte.
Wie lässt sich mittels Glück das Potenzial nun steigern?
Bei Potenzialentfaltung geht es darum, das Unentdeckte hervorzubringen. Dass die Reinigungskraft in die Küche wechseln kann, jemand aus dem Barbereich in die Event-Organisation. Damit sie einen Beitrag leisten können – zum Wohlbefinden der Menschen und zur Produktivität des Unternehmens.
Wie gelingt das?
Zunächst muss man die Führungsebene abholen. Gibt es das Einverständnis der Entscheidungsträger, nicht aktiv zu blockieren, gehen wir los und loten die Bereitschaft der Mitarbeiter aus, mitzumachen. Mit diesen arbeiten wir, bilden sie als Botschafter aus.
Wie schnell sieht man Erfolge?
Geht man die Unternehmenskultur und Mitarbeiterentwicklung nur an, weil man gewisse Zahlen erreichen möchte, funktioniert das meistens nicht. Da bleibt zu wenig kreativer Spielraum. Die Zeit, die man bereit ist zu investieren, ist ein wesentlicher Faktor.
Wenn nicht mit Zahlen, wie lässt sich der Erfolg messen?
Über das Eigenempfinden der Teilnehmer, wenn diese rückmelden, dass sie entspannter, weniger aufgeregt, selbstbestimmter oder besser im Abgrenzen sind. Es gibt auch Unternehmenskennzahlen, die hineinspielen. Die Fluktuationsquote oder die Krankenstandstage, die letztlich auch die Kennzahl der Produktivität beeinflussen – also wie viel Umsatz das Team einspielt, wobei das natürlich Branchen-abhängig ist.
Eine Hotelkette soll durch den Einsatz von positiver Psychologie den Umsatz verdoppelt, die Bewerbungseingänge verfünffacht und die Mitarbeiterzufriedenheit um 80 Prozent gesteigert haben. Ist das realistisch?
Ich bin da vorsichtig, weil bei Wirkung und Kausalitätskette auch andere Faktoren eine Rolle spielen. Die Mitarbeiterentwicklung ist aber etwas, das die Entfaltung erst ermöglicht. Es könnte sein, dass man ein neues System einführt, das viel Produktivitätswachstum bringt. Aber dieses muss auch bedient und verstanden werden.
Mit mehr Glück im Beruf soll es möglich sein, Mitarbeiter zu motivieren, aus eigenem Antrieb heraus die Vision des Unternehmens voranzubringen. Sie werden widersprechen, aber ist das mit einer Gewinnbeteiligung nicht einfacher zu erreichen?
An den äußeren Faktoren – Gewinnbeteiligung, Gehaltserhöhung, Dienstwagen, Ermäßigungen in der Kantine oder anderen Benefits – arbeiten Unternehmen in der Regel ohnehin. Natürlich trägt das zur Zufriedenheit bei, aber wir überschätzen, wie lange diese anhält. Studien zeigen jedenfalls, dass die Nachhaltigkeit bei äußeren Faktoren nicht gegeben ist, weil sich ein Gewöhnungseffekt einstellt.
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