Ein Denkmal wurde ihnen nicht erbaut. Den Frauen, die einst an der Wiener Ringstraße ihre Arbeit verrichteten und den Verlauf der österreichischen Geschichte nachhaltig prägten. Gerade einmal die Statuen Maria Theresias und Kaiserin Elisabeths bieten heute 106 gehuldigten Männern in der Innenstadt die Stirn.
Dabei hätte es so viele gegeben – die ersten Souffleusen des Burgtheaters, die Schaffnerinnen der Wiener Linien oder die umtriebigen Gewerkschafterinnen, die Frauen ermöglichten, sich zu organisieren und Themen voranzutreiben, die aktueller nicht sein können. Darunter das Recht auf Kinderbetreuung oder der Wunsch nach Gleichberechtigung. Jede Frau ändert sich, wenn sie erfährt, welche Geschichte die Frauen vor ihr durchlebt haben, erzählt Petra Unger, Begründerin der Wiener Frauen-Spaziergänge.
Auf zwei neuen Routen, die sie gemeinsam mit der Arbeiterkammer Wien und dem Institut für historische Sozialforschung konzipiert hat, erzählt sie von den kleinen und großen Errungenschaften dieser oftmals unsichtbaren Arbeiterinnen. Der KURIER ist mitspaziert.
Die Bauarbeiterinnen
Sie wurden „Mörtelweiber“ genannt, berichtet Petra Unger, als sich die marschierende Gruppe dem Parlament nähert. 10.000 Bauarbeiterinnen waren in den 1870er-Jahren an der Entstehung des heute frisch renovierten Gebäudes beteiligt. „Der Bau war durchaus eine Frauentätigkeit“, erklärt Unger, wenn auch der Lohn anderes vermuten ließ. Denn die Mörtelweiber verdienten nur die Hälfte ihrer männlichen Kollegen. Viele ihrer Arbeiten waren unbezahlt. Etwa das Säubern der Werkzeuge für die Spezialisten. Meistens kamen sie nur mit blutigen Fingerspitzen davon. Was die Bauarbeiterinnen wollten, das wollen Frauen bis heute: gleichen Lohn für gleiche Arbeit.
Die Dienstmädchen
Noch viel größer war die Zahl der Dienstmädchen, die im 19. Jahrhundert die Haushalte an der Ringstraße pflegten, erzählt Unger beim Vorbeigehen am Rathaus. 90.000 junge Frauen übten diesen Beruf aus – es war einer der wenigen, in denen sie Fuß fassen konnten. Die Arbeitsbedingungen waren prekär, das Haus verlassen, war laut Dienstbotenordnung nicht erlaubt. Sexualisierte Übergriffe und Züchtigung standen an der Tagesordnung, die Suizidraten waren hoch.
Comics aus dieser Zeit beschwichtigen die Zustände, berichtet Unger und zeigt ein solches Exemplar, auf dem sich gerade ein Hausherr am Dienstmädchen vergreift. Doch die Geduld der Dienstbotinnen hatte ein Ende. Sie formierten sich. 1893 kam es zur ersten großen Versammlung. Fast 30 Jahre später folgte der Durchbruch auf gesetzlicher Ebene: das erste Arbeitsschutzgesetz Österreichs mit geregelten Ruhe- und Urlaubszeiten wurde verabschiedet.
Die Datensammlerin
Angekommen in der Ebendorferstraße, erscheinen subtil und doch lebensgroß die Initialen K und L an der Hausmauer. Sie erinnern an Käthe Leichter – eine jüdische Sozialdemokratin, die 1925 das Frauenreferat der Wiener Arbeiterkammer an diesem Ort gründete. Ihre 46 Lebensjahre widmete die Sozialwissenschafterin dem Erheben von Daten zur Frauenarbeit und forderte Genossinnen auf, öffentlich über ihre Lebenswelt zu sprechen.
„Die Krise macht sie (Anm. die Frau) immer mehr zur Familienerhalterin“, erkannte Leichter 1932 in ihren Forschungen. Denn während Frauen ihren Familien in friedlichen Zeiten oft nur einen zusätzlichen Verdienst beisteuerten, wurden sie durch den Frauenüberschuss der Nachkriegszeit häufig zur Selbsterhalterin. Würde Leichter noch leben, wäre sie wohl überrascht gewesen, das Gegenteil in der jüngsten Krise zu beobachten. In der Pandemie wurden Frauen ein gutes Stück vom Arbeitsmarkt verdrängt.
Käthe Leichter verlor im Zuge des Austrofaschismus ihren Arbeitsplatz, wurde von der Gestapo verhaftet und 1942 ermordet.
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