"Wertschätzen, was der andere kann"

Philippe Narval im Kongresszentrum in Alpbach: Ende August, Anfang September wird dort diskutiert, nachgedacht, visioniert.
Philippe Narval führt seit vier Jahren das Forum Alpbach und einen umfassenden Change-Prozess.

Seit vier Jahren gibt es das Tandem Philippe Narval und Franz Fischler. Die beiden sind die Masterminds des Europäischen Forum Alpbach, der Jüngere ist Geschäftsführer, der Ältere Präsident. Zu Beginn der Zusammenarbeit standen sie vor der Frage: Welche Relevanz kann das Forum heute noch haben? Narval wurde "auf die Walz geschickt", wie er sagt, reiste durch die Lande, um zu evaluieren, Kritik und Feedback einzuholen. Seither hat sich "Alpbach" verändert. Philippe Narval über den Change-Prozess und die Zusammenarbeit mit einem Präsidenten, der fast doppelt so alt ist wie er.

KURIER: Mussten Sie für das Forum einen neuen Sinn suchen?

Philippe Narval: Manchmal passiert es Organisationen und großen Marken, dass sie zwar zu wissen glauben, wer sie sind, in Wirklichkeit diese Frage aber nicht beantworten können. Am Beginn jedes Prozesses der Weiterentwicklung muss die Suche nach "Wofür sind wir da?" stehen. Dazu gehört die Gründungsgeschichte, die Entwicklung bisher, gehören die Menschen, die dieses Forum bewegt haben. Und die Veränderungen, die gerade passieren, auf die man Antwort geben muss.

Wie schnell kann ein Unternehmen den Kurs ändern?

Es wäre unverantwortlich gewesen, von einem Tag auf den anderen Kurs zu ändern. Ohne die Leute mitzunehmen, ohne zu wissen, aus welcher Richtung der Wind weht. Die Crew – Mitarbeiter, Teilnehmer, Stakeholder, Partner – darf man nicht überfordern. Wir haben Schnellboote zur Erkundung losgeschickt, also Projekte und Ideen ausprobiert. Immer mit dem Gedanken: Wenn wir auf die Nase fallen, und das passiert, dann tut es nicht so weh.

Es gibt oft den Vorwurf, Change Management sei nur Kosmetik.

Das stimmt. Da kommt eine neue Führung rein, innerhalb von wenigen Monaten werden große Papiere geschrieben, die dann den Leuten hingeknallt werden. Das kann nur schiefgehen. Das ist Wenden im Sturm.

Wie schwierig war es, im alten Alpbach zu verändern?

Das Verändern war nicht so schwierig, eher zu eruieren, was man verändern will. Wir sind ein Dreamteam: Ein alter, arrivierter, erfahrener, integerer Vorstandsvorsitzender, der viel Freiraum lässt. Und trotzdem sagt, worauf wir achten müssen. Der da ist, wenn du ihn brauchst. Er ist der coolste Präsident, den man haben kann.

Keine Reibereien?

Dort wo es menschelt, ist es immer eine Herausforderung. Wir haben eine Wertschätzung dessen, was der andere kann.

Was gelernt?

Ich hatte davor Führungsverantwortung nur in NGOs. Meine Wertschätzung für jeden, der eine Führungsverantwortung hat, ist absolut gestiegen. Ich habe gelernt: Mit Vertrauen in Menschen kann man unglaublich viel erreichen.

Was ist heute in Alpbach anders?

Es gibt mehr Vielfalt. Wir haben Dialogprozesse so aufgesetzt, dass sie einen möglichst kreativen Output haben. Und wir haben Kunst und Kultur wieder zurückgebracht.

5000 Teilnehmer, 700 junge Stipendiaten: Ist Alpbach trotzdem ein Altherrenverein?

Nein, überhaupt nicht. Wir sind das älteste Forum, 1945 gegründet, und trotzdem die jüngste Veranstaltung dieser Art. Die Jungen sind oft selbst überrascht, dass da so viele junge Menschen in Alpbach sind.

Auf den Podien fehlen die Jungen und Frauen aber immer noch.

Vor drei Jahren war das ein großes Thema. Wir versuchen aktiv, das zu ändern. In diesem Jahr haben wir 39 Prozent Sprecherinnen-Anteil erreicht.

Diversität passiert also nicht von selbst.

Nein. Da muss man aktiv lenken. Wir versuchen, sehr offen zu sein. Diese Unabhängigkeit habe ich mir bis heute bewahrt. Für Franz Fischler war es deshalb ein Risiko, mich zu holen. Ich bin nicht politisch punziert, war zehn Jahre im Ausland und hatte wenig Kontakte.

Wie sind Sie ohne Kontakte überhaupt zu diesem Job gekommen?

Eine kohärente Karriereplanung hatte ich nicht. Ich wollte nach meiner Rückkehr in Österreich einen Beitrag leisten. Es ist mein Versuch einer Re-Migration. Ich habe aber schon gemerkt: Es rollt dir in diesem Land niemand den roten Teppich aus, wenn du im Ausland warst und fünf Sprachen kannst. Ich habe zufällig Franz Fischler kennengelernt und wir haben uns angefreundet.

Der 38-Jährige ist seit 2012 Geschäftsführer des Europäischen Forums Alpbach. Er studierte Geschichte und Portugiesisch, später Bildungswissenschaften an der Universität Oxford und arbeitete für Bildungsinitiativen im In- und Ausland, unter anderem für Licht in die Welt in Mosambik. In Alpbach verantwortet er ein Budget von 2,6 Millionen Euro, das halb aus Sponsoring, halb aus Teilnahmegebühren lukriert wird. Ständige Mitarbeiter: 14. Während des Forums: 80. Philippe Narval ist verheiratet und Vater dreier Kinder (8, 6, 3).

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