Sicherheit statt Macht
Wer in einem Raum die Macht hat, hat die Aufmerksamkeit, berichtet Arbeitspsychologin Michaela Höfer. Verlässt eine mächtige Person den Raum, würde der Blick der anderen an der leeren Stelle haften bleiben. „Das ist immer wieder faszinierend zu sehen“, sagt Höfer.
Angenehm sei das den Mächtigen von heute aber nicht – viele würden versuchen, einen Machtausgleich zu schaffen: indem sie die Fähigkeiten des Teams in das Zentrum der Aufmerksamkeit rücken und so das Macht- gegen ein Sicherheitsgefühl tauschen. Die Krux: Macht vermitteln sie trotzdem, auch wenn sie das eigentlich nicht wollen – mit ihrer Kraft und ihrer Rolle, die sie einnehmen.
Subtile Statussymbole
Wie sehr man noch mit klassischen Statussymbolen – der teuren Uhr, der Vielfliegerkarte, dem Privat-Chauffeur – hausieren gehen kann, sei branchenabhängig. Aber „es gibt noch genug, die das brauchen, das sind gar nicht so wenige“, beobachtet Höfer. Vor allem in Konzernen und Traditionsbetrieben würde man Machtsymbole wie diese noch zuhauf finden. Schwierig wird es, wenn man sich ins berufliche Umfeld der „Kumpelkultur“ begibt, sagt Bauer-Jelinek. „Wo alle gleich ausschauen, sich gleich verhalten und Arbeit und Privatleben verschwimmen.“
Denn selbst wenn auf den ersten Blick alles egalitär scheint, sind es Details, die das Machtspiel offenbaren. Wie alle anderen trägt auch der Mächtige die weißen Sneaker. Aber seine sind aus veganem Leder, nachhaltiger und teurer. „Nur das geschulte Auge erkennt den Unterschied“, sagt Stilcoach Margit Kratky. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung wiederum stattete einem Start-up einen Besuch ab und machte dort eine interessante Beobachtung: Der Chef saß inmitten des Teams, in seiner Kleidung und Auftreten völlig assimiliert. Zumindest bis ein Kunde die Bürofläche betrat und das T-Shirt plötzlich gegen ein gebügeltes Hemd getauscht wurde. Als Chef will man dann offenbar auch im hierarchiefreien Raum zu erkennen sein.
Quer durch alle Branchen würden sich die „Wer darf was“-Fragen ziehen, analysiert Wirtschaftscoach Bauer-Jelinek. Wenn es um die Anzahl der Homeoffice-Tage geht, die sich jemand nehmen darf, oder die Macht, einfach an der Assistenz vorbei ins Chefbüro zu gehen, wenn man etwas braucht.
Das eigene, kleine Reich
Was unverzichtbar bleibt, ist das eigene Büro. Denn selbst, wenn sich viele Führungskräfte damit brüsten, problemlos im Großraum zu sitzen, sind es maximal 20 Prozent, die tatsächlich dorthin übersiedeln, erzählt Raumkonzept-Entwickler Andreas Gnesda.
Die gute Mehrheit würde auf ein eigenes Zimmer bestehen (was oft durchaus Sinn macht). Für das Gemeinwohl würden sie aber einige Quadratmeter ihrer Fläche abtreten. In den eigenen vier Bürowänden offenbart sich dann gerne die hochwertigere Ausstattung. Und auch die Lage bleibt ein klares Machtindiz. „Die Chefs sitzen noch immer in den feinen Geschoßen“, sagt Gnesda. Oben, wo man den besten Ausblick hat, nicht vom Straßenlärm gestört wird und auf der Terrasse frische Luft schnappen kann.
Kein machtleerer Raum
Eine Arbeitswelt ohne Machtsymbole? Die gibt es nicht, denn in jeder Gesellschaft würden Mitglieder ihre Position ausdrücken, fasst Bauer-Jelinek zusammen und hält das für eine gute Sache. Schon im Aufzug müsse man erkennen können, wer die höchste Position innehat, sagt die Machtexpertin: „Das Gegenüber muss wissen, mit wem er es zu tun hat. Auch wenn es immer schwieriger zu erkennen ist.“
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