Was wir wollen: Ein Digital Native erklärt Firmenbossen seine Generation

Was wir wollen: Ein Digital Native erklärt Firmenbossen seine Generation
Mit 13 Jahren veröffentlichte Philipp Riederle seinen ersten Podcast „Mein iPhone und ich ...“. Heute berät der 19-Jährige Unternehmen, die keine Ahnung haben, wie sie an seine Generation herankommen sollen.

KURIER: Sie sind ein Prototyp der Digital Natives, beraten Firmen: Was wollen die von Ihnen wissen?

Philipp Riederle: Wie man uns als Mitarbeiter bekommen und halten kann.

Seid ihr schwer zu kriegen?

Laut Statistiken ja. Gerade mittelständische Unternehmen haben es nicht leicht.

Weil eure Ansprüche so hoch sind? Was wollt ihr?

Man hat kürzlich erhoben, warum die ältere Generation arbeiten gegangen ist und warum wir heute arbeiten gehen. Die wichtigsten Punkte damals: Geld verdienen, Status erlangen, Macht ausüben. In unserer Generation sind diese drei Punkte auf den letzten Plätzen. Wir wollen Purpose, also Sinnhaftes tun, wollen etwas, das die Augen zum Funkeln bringt. Gefolgt von der Selbstverwirklichung: Wir wollen etwas machen, das uns wichtig ist. Punkt drei ist, dass wir das in den richtigen Organisationsformen tun wollen.

Und die Mehrheit der Firmen kann das nicht bieten?

Richtig.

Warum stellen Firmen sich nicht auf Ihre Generation ein?

Weil das ganz schön schwierig ist. Von den theoretischen Möglichkeiten her ist es kein Problem, aber in der Kultur der Firmen sind diese Möglichkeiten noch nicht angekommen.

Ein Generationenproblem?

Ich sehe das nicht pauschal als Generationenproblem. Ich treffe auf zwei Typen von Führungskräften: Die einen, die schon immer so arbeiten wollten, wie die neue Generation es tut. Und die anderen – an denen beißen wir uns die Zähne aus.

Was ist deren Problem?

Diese Älteren haben Angst, ihre Macht zu verlieren. Darum geht es, und um Kontrolle. In meiner Generation sind Statussymbole nicht mehr wichtig. Wir erkennen Autorität auch nicht mehr an, nur weil sich jemand CEO, CIO oder wie auch immer nennt, oder wenn jemand seine Macht nur dadurch hat, weil er strategisch Informationen zurückhält. Das sind für uns keine Autoritäten. Uns geht es um die Kompetenz, um die Substanz, ob wir auf Augenhöhe zusammenarbeiten und was wir von ihnen lernen können. Wir wollen Gegenüber, die unsere Erfahrungen schätzen, auch, wenn wir noch jung sind.

Sie können sich ja viel wünschen, die Realität in Firmen sieht oft hierarchisch, bürokratisch aus ...

Aber die Unternehmen haben damit zunehmend Probleme: Entweder die Jungen kommen gar nicht erst – oder sie bleiben nur kurze Zeit.

Die Jungen meiden solche Firmen also?

Es gibt alternative Möglichkeiten, um sich durchzuschlagen. Jeder kann jederzeit, mit jedem, überall auf der Welt kommunizieren. Jeder kann jede verfügbare Information sofort abrufen. Und jeder kann publizieren. Wenn man eine Idee hat und etwas vorantreiben will, kann man sich das Wissen heute leicht aneignen, rund um den Globus mit anderen kollaborieren und seine Ideen verbreiten. Die Unternehmen merken, dass die Jungen nicht mehr kommen oder schnell wieder gehen. Das ist doch deren Horrorszenario. Die täten gut daran, sich auf uns einzustellen.

Fühlen Sie sich bei den derzeitigen Entscheidungsträgern gut aufgehoben?

Alles ist sehr von Hierarchie getrieben. Es werden Großraumbüros diskutiert, um Miete zu sparen, es werden Organisationsformen besprochen, – aber es geht nie um die Menschen und darum, was sie brauchen.

Sie fühlen sich also unverstanden?

Wenn ich diese Veränderungen den Managern erkläre, dann habe ich schon das Gefühl, dass das verstanden wird. Vorher ist das aber oft nicht auf ihrem Radar. Sie merken nur, dass etwas anders ist als früher: Früher hat ein Bewerber gesagt, dass er sein gesamtes Leben dem Unternehmen unterordnet, Hauptsache er darf hier anfangen. Die Jungen heute kommen zum ersten Interview und fragen gleich nach Sabbatical, Eltern-Teilzeit und Home-Office.

Generationenwechsel waren nie leicht: Macht der technologische Fortschritt zusätzlich Probleme?

Die technologischen Möglichkeiten intensivieren diesen Generationenkonflikt. Wir haben ganz andere Möglichkeiten zur Selbstbildung und zur Selbstfindung. Auf einmal endet unser Horizont nicht mehr hinterm Ortsschild. Und die technologische Entwicklung verändert Arbeitsprozesse massiv.

Ist das für Ihre Generation nicht verwirrend und überfordernd?

Wir gleichen das aus: Laut Studien sind in meiner Generation persönliche Bindungen, feste Freundschaften und Heimat wichtiger als je zuvor. Meine Erklärung: Wenn man überall hinkommen kann und alles machen kann, wird eine feste Konstante im Leben wichtiger.

Schlechte Wirtschaftslage, unsichere Pensionsaussichten, schwieriger Arbeitsmarkt. Wie wirkt sich das auf die Ys aus?

Wir haben von unseren Eltern gelernt: Sie haben sich für ihren Job aufgeopfert, haben Familie und Freunde vernachlässigt, ihr ganzes Leben am Job ausgerichtet. Das ist ja kein Leben. Wir wollen nicht 80 Stunden die Woche arbeiten, um uns dann ein Auto vor die Tür zu stellen, das vielleicht den Nachbarn beeindruckt. Das ist garantiert nicht unser Lebensziel.

Sondern?

Das kann ich nicht beantworten, weil es für jeden etwas anderes ist.

Ihr persönliches Ziel?

Immer Tätigkeiten zu machen, die mich erfüllen und die in mein Leben integriert sind. Zeit zu haben für die Leute, die mir wichtig sind. Es wird oft gesagt, die Jungen hätten keine Work-Life-Balance, weil sie immer erreichbar sind. Aber wenn wir das tun, was uns wichtig ist, ist das ja unser Life. Diese Diskussion hängt den Strukturen der Industrialisierung nach, wo Work ein notwendiges Übel war, um das Life haben zu können. Wir leben anders.

Arbeit ist aber nicht immer nur erfüllend: Wer steht künftig am Fließband? An der Supermarkt-Kassa?

Es ist eine falsche Haltung, zu glauben, dass diese Jobs alle traurig und schlecht sind. Es gibt Menschen, für die es nichts Größeres gibt, als die Stadt sauber zu halten oder Autos zusammenzuschrauben.

Gibt es etwas, für das Sie sich stellvertretend für Ihre Generation schämen?

Wenn man zusammen beim Essen sitzt und alle in ihre Handys reinschauen, werde ich sauer. Aber es verbreitet sich immer mehr die Haltung, dass man das Handy weglegt, wenn man zusammensitzt. Wir kommen schon selber drauf.

Sie sind 19 und Unternehmens­berater – wie begegnen Ihnen Gleichaltrige?

Ich habe den Podcast damals für mich gemacht, weil ich Lust drauf hatte. Ich habe nur meinen besten Freunden davon erzählt. Und so mache ich das auch heute noch. Ich bin ein normaler 19-Jähriger, der ein außergewöhnliches Hobby hat – das inzwischen mein Job geworden ist.

Im Englischen wird die Generation Y „why“ ausgesprochen: „Warum“. Eben das fragen sich Firmenlenker: Warum kommen die besten Köpfe dieser Generation, die nach 1980 Geborenen, nicht zu uns? Sie wollen und brauchen sie als Mitarbeiter und Kunden – und wissen nicht, womit sie zu ködern sind. Zahlreiche Studien setzen sich mit ihren Werten und Forderungen auseinander. Jene von Ernst & Young zeigt es deutlich: 72 Prozent der befragten Hochschulabsolventen nennen Entfaltungschancen als höchstes Kriterium für die Arbeitgeberwahl, 56 Prozent die Work-Life-Balance. Nur 35 Prozent sind Karriereoptionen besonders wichtig.
Das ist zweifellos Trend. Aber am Ende ticken die Ys doch individuell unterschiedlich. Generalisierung unmöglich. Das ging schon nicht bei den Generationen zuvor, nicht bei den 68ern, den Babyboomern, bei der Generation X. Wenig leugnen kann man aber, dass die heute Jungen alle unter ähnlichen Rahmenbedingungen erwachsen geworden sind: Sie haben die digitale Revolution im Teenageralter mitgelebt, mitgestaltet und etwas später auch die Wirtschaftskrise gespürt. Die ältere Generation sieht sie daher auch gerne als verwirrt, orientierungslos und ohne Werte. Die Generation Y selbst nimmt diese Vorurteile gelassen.
Die nächste Generation sind die Zs, die noch radikaleren Ypsiloner: Sie haben die digitalen Medien tatsächlich mit der Muttermilch aufgesogen. Hierarchische Organisationsstrukturen, Bürokratie und Statussymbole können diesen Jungen wirklich nur mehr ein müdes Lächeln entlocken.

Philipp Riederle wurde am 9. 10. 1994 in München geboren. Mit 13 Jahren ließ er sich ein iPhone aus den USA senden, er crackte es und gründete im April 2008 den Podcast „Mein iPhone und Ich…“, wo er von seinen Erfahrungen mit dem Apple iPhone berichtete – zuerst aus dem Kinderzimmer, dann aus einem Kellerstudio bei den Großeltern. 2010 rief er sein Zweitprojekt „Mein iPad und Ich…“ ins Leben. Mit 15 Jahren gründete er Phipz Media. Mit 18 veröffentlichte er sein Buch „Wer wir sind und was wir wollen“.

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