Keine Einhörner: Warum Start-ups nicht so schnell wachsen sollten

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Paul Pöltner findet, dass Start-ups zu schnell wachsen. Mit Organic Venture Building will er sie nachhaltiger aufstellen. Wie das funktioniert und warum er keine Einhörner mag.

KURIER: Sie haben vergangenes Jahr den Guiding Innovators Hub Vienna, einen neuen Start-up Hub für Wien gegründet. Sie wollen bewusst anders arbeiten als es in der Start-up-Szene üblich ist. Da kommt der Begriff „Organic Venture Building“ ins Spiel. Was bedeutet es?

Paul Pöltner: Viele Start-ups wachsen zu schnell. Sie brauchen aber Zeit, um die internen Strukturen dem Wachstum anzupassen, sonst sind die Gründer komplett überfordert. Deswegen waren Fonds früher auch sehr zurückhaltend. Alle wollen das nächste Unicorn (Unternehmen, deren Unternehmenswert eine Milliarde übersteigt) sein. In Österreich hat das Bitpanda geschafft. Aber wer zu schnell wächst, kann auch schnell scheitern. Organic Venture verbindet ein neues Wertesystem mit einer neuen Methode aus der Start-up-Szene.

Warum brauchen Start-ups neue Werte? Welche sind das?

Es geht nicht um kurzfristige Kundenbindung, sondern um nachhaltige und langfristige Erträge und darum, aus dieser Stärke zu wachsen. Man muss MitarbeiterInnen die Möglichkeit der Beteiligung geben. Man braucht Innovation, keinen kurzen Hype, sondern eine Idee, mit der die Gesellschaft gestaltet wird. Und: Man muss ganz offen über die unterschiedlichen Stärken jedes Einzelnen sprechen und diese nutzen. Es ist klar, dass nicht jeder überall gleich gut sein kann. Und da kann es auch passieren, dass ein CEO, der gründet, nicht der Richtige ist, wenn das Unternehmen skaliert. Da braucht es andere Werte.

Organisch wachsende Start-ups sollten also ihre Geschäftsführer austauschen, wenn sie wachsen?

Unter Umständen, ja. Aber darüber wird sonst nie gesprochen. Und das führt dann zum Burn-out. CEOs glauben oft, dass sie beides können müssen. Aber das stimmt nicht. Gründer müssen nicht bis zum Schluss alles machen. Ein Unternehmen wächst dann gut, wenn die Persönlichkeiten darin aktiv an sich arbeiten und bewusst damit umgehen, dass unterschiedliche Menschen unterschiedliche Stärken haben.

Wie läuft das mit der Finanzierung. Ist das auch anders?

Ja, das funktioniert über Organic Finance.

Was ist das?

Das ist Crowdfunding, Crowdinvestments. Und, wenn ich Kunden und Lieferanten in die Finanzierung mitnehmen, kann ich Unternehmen resilienter aufstellen. Man kann direkt an den Markt gehen, die Crowd abfragen, wer es kaufen will, sich dadurch die Finanzierung vorher holen und gleichzeitig feststellen, wie die Idee auf dem Markt ankommt. Wenn man merkt, dass es funktioniert, dann kann man zu Fonds gehen.

Beschäftigt man sich mit der Start-up-Szene, fallen Worte wie Unicorn oder Zebra. Was bedeutet das und können diese Modelle auch in Österreich funktionieren?

Bei Unicorns ist das Unternehmenswachstum oberste Prämisse, weil Fonds investieren und sie es teurer verkaufen wollen. Zebra ist eine Bewegung aus Berlin, die an einem ähnlichen Punkt wie wir ansetzt. Hier steht der Mensch im Vordergrund. In Amerika und Asien werden Start-ups als Unicorns aufgebaut. Unicorns aus Österreich oder Europa werden eher nach Amerika oder Asien verkauft, weil es hier wenige gibt, die ein Ein-Milliarden-Unternehmen kaufen. Österreich hat keine schlechte Start-up-Szene. Aber man muss ein Unternehmen nicht nach fünf Jahren verkaufen, man kann auch langsam wachsen und es weiterführen. Diese innovativen Unternehmen sollten in Europa bleiben.

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